Wenn Sendungen wie „Deutschland sucht den Superstar“ wegen der antisozialen Äußerungen über Menschen in die Kritik geraten, wollten die Verantwortlichen dies eher als Geschmacksfrage oder Tabubruch, nicht aber als Jugendschutzverstoß diskutieren. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor schädlichen Medieninhalten müsse Vorrang vor Gewinnmaximierung haben, sagte Ring auf der Fachtagung „Jugendschutz und Fernsehen: Werte im Wettbewerb“, zu der die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die KJM am Montag in Berlin eingeladen hatten.
Es geht nicht nur darum, was nicht gesendet wird
Die Verantwortung der Fernsehsender sollte sich laut Ring nicht auf das Vermeiden verbotener Inhalte wie politischer Extremismus oder Pornografie beschränken. Vielmehr sollten TV-Macher ihrem Publikum
die Werte einer freien Gesellschaft wie Toleranz und Respekt gegenüber den Mitmenschen vermitteln, forderte Ring. Es müsse ein Weg gefunden werden, „wie die notwendige Gewinnorientierung kommerzieller Medienunternehmen und der Gemeinwohlbezug zusammen realisiert werden können“, sagte Ring.
Udo Hahn: „Werte fallen nicht vom Himmel“
Auch der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, plädierte für eine einheitliche Jugendmedienschutzaufsicht im privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Pluralisierungs- und Individualisierungsprozesse forderten gesellschaftliche Bündnisse, Unternehmen und Jugendschutzinstitutionen heraus, einen Wertediskurs zu führen. Dass gemeinsame Werte der „soziale Kitt“ sind und soziale Wärme Kinder „wertmündig“ werden lässt, betonte Udo Hahn, der Leiter des Referats Medien und Publizistik der EKD: „Werte fallen nicht vom Himmel, sie müssen vermittelt werden.“
Ben Bachmair, Medienpädagoge und KJM-Mitglied, wies auf der Tagung auf eine Veränderung der sozialen Milieus hin, die sich seiner Ansicht nach einstelle. War das Leitmedium Fernsehen bisher die prägende Institution, beeinflussen mittlerweile durch die individualisierte, mobile Massenkommunikation viele „sozialkulturelle Umgebungen“ die Entwicklung der Kinder. Für die Aufsichtsorgane bedeute die Verschiebung hin zu Abrufsystemen und nutzergenerierten Inhalten, dass die Frage nach den Verantwortlichen besonders von Fernseh- und Videoangeboten im Internet neu gestellt werden müsse. „Sollten wir uns nicht auf gemeinsame Werte einigen können, könnte ein kollabiertes Integrationskonzept unserer Gesellschaft ein Risiko darstellen“, so Bachmair.
Als „Investition in die Zukunft“ sieht die Professorin für christliche Publizistik Johanna Haberer deshalb ein gutes Fernsehprogramm, das laut Verfassung ein Kulturgut ist. Sie setze auf die „Programmphantasie“ der TV-Verantwortlichen, auch moralische Verpflichtungen zu beachten. Roland Rosenstock, Medienpädagoge an der Uni Greifswald, stellte anhand des Beispiels der Sendung „Sportakus“ von SuperRTL vor, wie auch Gesundheitsthemen im Fernsehen mit wirtschaftlichem Erfolg produziert werden können. Die Vermarktung von Kinderformaten laufe erfolgreich: „Individuelle Förderung und Erzählungen im Fernsehen schaffen Mehrwert“, so Rosenstock.
Fernsehkonsum: 96 Prozent der Kinder ab 4 Jahren
Andrea Holler vom Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) wies auf einen beinahe allumfassenden Fernsehkonsum auch unter Kindern hin. Nur eine kleine Minderheit der Fernsehanfänger in Deutschland sehe nicht fern, „96 Prozent der Kinder ab vier Jahren lernen, selektieren, interpretieren und nutzen Erfahrungen aus dem TV-Konsum“. Wertvoll sei Fernsehen für Kinder dann, „wenn sie die Inhalte verstehen und sich sicher beim Fernsehen fühlen. Elemente, die das Harmoniebedürfnis und das moralische Empfinden der Kinder stören, gefallen Kindern nicht. Sie sind dann überfordert – und an Ängste, die beim Sehen nicht geeigneter Fernsehinhalte entstehen, können sie sich lange erinnern“, so Holler.
Susanne Eggert vom Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis (JFF) erklärte, dass Kinder eine genaue Vorstellung davon haben, was sie sehen möchten. „Mädchen wünschen sich häufig Sendungen, die ihnen Lösungen für Alltagsprobleme anbieten. Jungen lieben Action, Helden und Wissenssendungen.“ Grenzwertig seien fragwürdige Rollenbilder und Problemlösungsstrategien, die manche Fernsehsendung vermittelt. Es sei daher wichtig, Kinder nicht vom Fernseher fernzuhalten, sondern sie zu kritischen Nutzern zu erziehen.