Friedensschluss nach 30 Jahren Krieg

Vor 375 Jahren entstand mit dem Westfälischen Frieden die Idee, Europa als Friedensbund zu sehen. Auch wenn sie fast 400 Jahre alt ist, ist sie so aktuell wie eh und je.
Von Jörn Schumacher
Rathaus von Osnabrück

Nach 30 Jahren des Krieges, des Gemetzels und der vielen Tode waren alle kriegsmüde geworden. „Wir sind doch nunmehr ganz, ja mehr denn ganz verheeret“, klagte der Dichter Andreas Gryphius 1632 in seinem Lied „Threnen des Vaterlandes“. Der Text gibt in wenigen Worten das Grauen wieder, das Historiker bestätigen. Er handelt von Blut, zerstörten Häusern und Kirchen, vergewaltigten Frauen, Feuer, Pest und Tod. Und er stellt zum Schluss fest, dass es für ihn noch etwas Schlimmeres gab als den Tod: nämlich den Zwang, seinem Glauben abzuschwören, wodurch das Seelenheil verspielt werde. Der evangelische Pfarrer Paul Gerhardt setzte der apokalyptischen Angst Gryphius’ später in seinem „Sommergesang“ mit der Aufforderung „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ ein Gottvertrauen entgegen: Das Wiederaufleben der Natur nach dem Krieg war für ihn Zeugnis davon, dass ein Christ dennoch Hoffnung haben kann.

Der Dreißigjährige Krieg

Der Dreißigjährige Krieg war ein Konflikt um die religiöse und staatliche Ordnung im Heiligen Römischen Reich deutscher Nationen, an dessen Spitze die österreichischen Habsburger als Herrscherfamilie standen. Fragen der Konfession vermengten sich mit machtpolitischen Interessen verschiedener europäischer Mächte. Für die Zivilbevölkerung waren die Jahrzehnte geprägt von Gewalt, Plünderungen, Hunger und Seuchen. Genaue Zahlen über die Opfer gibt es nicht. Schätzungen gehen davon aus, dass die Bevölkerung im Reich während des Krieges um etwa ein Drittel zurückging.

Der Westfälische Frieden machte nach zähen, scheinbar endlosen Verhandlungen in Osnabrück und Münster dem Krieg ein Ende. Ein Krieg, von dem manche sagen, er habe im Grunde bereits mit der Reformation 1517 angefangen. Im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) kämpften Katholiken und Protestanten um die Vorherrschaft in Europa. Beim Prinzip „cuius regio, eius religio“ (wessen Gebiet, dessen Religion), das bereits seit dem Augsburger Religionsfrieden 1555 galt, wurden nun auch für protestantische Landesherren anerkannt. Einen sehr guten, wenn auch ausführlichen Überblick über den komplexen Krieg gibt Herfried Münkler, emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität, in seinem 2018 erschienenen Buch „Der Dreißigjährige Krieg. Europäische Katastrophe, deutsches Trauma 1618–1648“. Münkler stellt darin fest: „Deutschland wurde zum Vorreiter einer – freilich auf die christlichen Bekenntnisse beschränkten – Religionsfreiheit in Europa.“

Am 6. August 1648 bestätigten die Vertragsparteien in Osnabrück mit Handschlag, dass sie an dem ausformulierten Text, der den Dreißigjährigen Krieg beenden sollte, nichts mehr verändern würden. Als „Osnabrücker Handschlag“ ging diese Versicherung zwischen dem Kaiser, den deutschen Fürsten und Schweden in die Geschichte ein. Anschließend wurde der Vertrag in Münster unterschrieben und am 25. Oktober von der Osnabrücker Rathaustreppe verkündet. Als die Gesandten die drei komplexen Konflikte – territorial, verfassungsrechtlich und religiös – lösen konnten, sagte treffend der venezianische Gesandte Alvise Contarini: „Weltwunder gibt es auch in Osnabrück.“ Noch heute erinnern jährlich zahlreiche Veranstaltungen an das weltverändernde Ereignis. Auch der Achtzigjährige Krieg der Niederländer gegen Spanien, der Krieg Schwedens sowie der Krieg Frankreichs gegen das Heilige Römische Reich fanden 1648 ihr Ende. Der „Vrede van Munster“ gilt als Geburtsurkunde der Niederlande. Völkerrechtlich legte der Westfälische Friede einen bedeutenden Grundstein für ein modernes Prinzip: Die Gleichberechtigung souveräner Staaten, unabhängig von ihrer Macht und Größe. Noch heute spricht die Politikwissenschaft vom „Westphalian System“. Der allgemeine Friede – die „pax universalis“ – von Münster und Osnabrück trug von da an zur gesamteuropäischen Stabilität bei, spätere Friedensschlüsse bis zur Französischen Revolution orientierten sich immer wieder an ihm.

Ein Kreuz des Anstoßes

Schließlich brachte der Westfälische Frieden auch ein Ende der Konfessions- und Religionskriege. Alle drei Konfessionen, die katholische, die lutherische und die reformierte, wurden vollkommen gleichgestellt. Der Papst protestierte indes bis zum Schluss gegen den Westfälischen Frieden und hat ihn nicht anerkannt.

Die langwierigen Friedensverhandlungen wurden damals auf zwei Standorte aufgeteilt, die absichtlich in einiger Entfernung voneinander lagen: In Osnabrück verhandelten die Protestanten, geführt von ihrer protestantischen Führungsmacht Schweden, mit Kaiser und Reich. In Münster verhandelte das Reich mit den Katholiken, also den Franzosen und Spaniern, dazu kamen die Gesandten der Niederlande. Über Boten auf Pferden tauschten die Parteien Nachrichten aus, die sogenannten „Friedensreiter“.

Sowohl das Osnabrücker als auch das Münsteraner Rathaus wurden 1944 bei Bombenangriffen alliierter Flugzeuge schwer beschädigt. Bald nach dem Krieg begannen die Wiederaufbaumaßnahmen. Dass auch 375 Jahre nach dem berühmten Friedensschluss noch immer Religion zu einem Konfliktherd werden kann, zeigte im November 2022 das Treffen der G7-Außenminister im Historischen Rathaus Münster. Das Auswärtige Amt ließ das Kreuz aus dem Friedenssaal entfernen. Es stammt aus dem Jahr 1540, und vor ihm legen die Ratsmitglieder bis heute ihren Amtseid ab. Das Entfernen des Kreuzes sorgte für Protest. Das Ministerium von Annalena Baerbock teilte mit, es sei entfernt worden, weil Menschen mit unterschiedlichem religiösen Hintergrund an der Zusammenkunft teilnehmen würden.

Das Bistum Münster bezeichnete die Maßnahme damals als „nicht nachvollziehbar“. Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe betonte, das christliche Kreuz sei „Zeichen der Versöhnung“.

Der Artikel ist erstmals in der Ausgabe 5/2023 des Christlichen Medienmagazins PRO erschienen. Das Heft können Sie hier kostenlos bestellen.

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