Am Dienstag machte die Autorin und Brandenburger Verfassungsrichterin Juli Zeh von sich reden. Sie selbst ist SPD-Mitglied, warb aber anlässlich des 30-Prozent-Ergebnisses der AfD bei der Landtagswahl in Brandenburg dafür, die AfD in politische Abläufe einzubeziehen, anstatt mit allen Mitteln zu versuchen, deren Mitwirkung zu verhindern.
Das kann man so sehen. Immerhin ist die AfD demokratisch gewählt, und zwar zur zweitstärksten Kraft im Landtag.
Was aber, wenn der Landesverband Vorschläge hervorbringt, die menschenfeindlich und autoritär sind? Was, wenn die demokratisch Gewählten die Schwächsten ausgrenzen wollen? Was, wenn sie entgegen (auch) christlicher Tugenden handeln, jenen wohlgemerkt, die unser Grundgesetz an erster Stelle hoch achtet: Gerechtigkeit, Würde, unveräußerliche Menschenrechte?
„Wir schieben alle ab“
Die AfD in Brandenburg ist nicht gemäßigt. Sie gilt dem Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall, mehrere Abgeordnete benennt die Behörde als gesichert rechtsextrem. Am Wahlabend sah man die Politiker tanzend und grölend, den Atzen-Hit „Das geht ab (Wir feiern die ganze Nacht)“ umgedichtet zu „Hey, jetzt gehts ab, wir schieben sie alle ab“. Ganz so, als sei Migrationspolitik witzig und die Lösung der Krise schnell herbeigesungen. Ganz nach dem Motto: Verfolgte, Arme, Kriegsgeflüchtete, … alle raus. Dann ist das endlich abgehakt. Tabula rasa auch mit den religiös Verfolgten, mit den zu verhungern drohenden Kindern, mit den schwangeren ukrainischen Frauen. Was für eine Entgleisung.
Wer das nun für eine übertrieben dargestellte Anekdote hält, der sei erinnert an einen Antrag des Landesverbandes von vor wenigen Wochen. Unter anderem forderte die AfD im Brandenburger Landtag Ende August ein Betretungsverbot öffentlicher Veranstaltungen für Asylbewerber. Wohlgemerkt auch für Geflüchtete mit (noch) unklarem Aufenthaltsstatus. Und für subsidiär Schutzberechtigte.
Man stelle sich die ukrainische Familie vor, der der Zugang zum Stadtfest verweigert wird. Oder den geflüchteten Christen aus dem Iran, der nicht zum Open-Air-Gottesdienst an Himmelfahrt dazu kommen darf. Gerade Christen sollten aufhorchen, wenn eine Partei mit derlei Ideen nach Regierungsverantwortung strebt. Dass Christen hellhörig geworden sind – zumindest mehr als der Durchschnitt der Bevölkerung in Brandenburg – zeigt sich immerhin im Wahlergebnis.
Christen wählten anders
Die „Forschungsgruppe Wahlen“ hat die Wählerstimmen im Auftrag der „Evangelischen Nachrichtenagentur idea“ nach Konfession aufgeschlüsselt: 21 Prozent der Protestanten und 18 Prozent der Katholiken stimmten für die AfD. Bei den Konfessionslosen sind es 32 Prozent. Das ist zwar immer noch jeder vierte und jeder sechste Christ, je nach Konfession. Aber längst nicht jeder dritte wie im Durchschnitt. Massive Zugewinne bei der SPD vonseiten der Gläubigen lassen zudem darauf schließen, dass es auch bei ihnen eine AfD-Verhinderungsstrategie an der Wahlurne gab. Die hat zumindest in Teilen funktioniert. Ministerpräsident Dietmar Woidke wird wohl im Amt bleiben, vermutlich aber nur mithilfe des „Bündnisses Sahra Wagenknecht“ – das übrigens zehn Prozent der Protestanten und vier Prozent der Katholiken gewählt haben. Ebenfalls mehrere Prozentpunkte weniger als der Landesdurchschnitt und bei den Konfessionslosen.
Es steht Christen gut an, sich gegen Radikale jeder Couleur zu wenden, mögen sie von links oder rechts kommen. In Teilen haben sie das durch ihre Stimme an der Wahlurne bereits getan. Nun sollten sie dafür beten, dass Radikale und Extremisten in Brandenburg so wenig Gestaltungsmacht wie möglich erhalten. Vielleicht nicht ganz im Sinne der Aussage von Juli Zeh. Dafür aber ganz im Sinne biblischer Werte. Und jener der deutschen Verfassung.