Der Titel des neuen Films über Abbé Pierre lautet „Ein Leben für die Menschlichkeit“. In Frankreich wurde der Priester zu Lebzeiten wie ein Popstar gefeiert. Ein aktueller Artikel in der Süddeutschen Zeitung (SZ) erhebt schwere Vorwürfe gegen den Kapuziner.
Der französische Priester hat 1949 das Hilfswerk für Obdachlose „Emmaus“ gegründet, das es mittlerweile in 39 Ländern auf vier Kontinenten gibt. Sein Leben galt dem Kampf gegen Armut. Im Zweiten Weltkrieg verhalf er Hunderten jüdischen Familien zur Flucht in die Schweiz. Nach dem Krieg war er sogar als Politiker in der Nationalversammlung.
Abbé Pierre, der mit bürgerlichem Namen Henri Grouès hieß, war laut Süddeutscher Zeitung „so etwas wie das gute Gewissen des Landes“. Er wurde 16 Mal zum beliebtesten Franzosen gewählt. Jetzt scheint das Bild Risse zu bekommen. Wie die Süddeutsche Zeitung meldet, belasten sieben Frauen den katholischen Geistlichen schwer.
Wird ein Volksheiliger wird entzaubert?
Laut SZ war eine der Betroffenen minderjährig. Grundlage für die Berichterstattung ist ein Bericht, den drei Organisationen in Auftrag gegeben haben, die das Vermächtnis des Priesters pflegen. Sie hatten damit begonnen, die Vorwürfe gegen Abbé Pierre unabhängig zu prüfen, die seit 2023 im Raum standen. Die Betroffenen des Berichts sprachen von Anzüglichkeiten und Belästigungen.
In ihrer Stellungnahme schreiben die Organisationen, dass sie den Frauen glauben. Französische Medien schreiben von einer „Explosion“, die Abbé Pierre entzaubere. Es gibt sogar eine Telefonnummer, bei der sich weitere Betroffene melden können. In seinem 2005 erschienenen Buch „Mon Dieu, pourquoi?“ (dt.: Mein Gott, warum?), hat der Geistliche recht explizit über seine Gefühle geschrieben und dass er der Kraft des Verlangens nachgegeben habe.
Die katholische Kirche in Frankreich steckt ebenfalls in einer Krise. Eine Studie aus dem Jahr 2021 hat herausgefunden, dass seit den Fünfzigerjahren mindestens 216.000 Kinder und Jugendliche von katholischen Priestern und Ordensleuten sexuell missbraucht worden waren. Die französische Bischofskonferenz betonte über die Plattform „X“, dass man mit den Opfern fühle und Scham für das Geschehene empfinde.
Abbé Pierre starb am 22. Januar 2007 mit 94 Jahren. An seiner Trauerfeier in der Pariser Kathedrale Notre-Dame nahmen Tausende Menschen teil, darunter Prominente aus Politik, Kirche und Gesellschaft.