Forscher stellen Medien gutes Corona-Zeugnis aus

Wie haben sich journalistische Medien bei der Berichterstattung über die Corona-Krise bewährt? In einer groß angelegten systematischen Analyse haben Forscher der Universitäten Münster und München festgestellt, dass sogenannte Mainstream-Printmedien weitestgehend differenziert und vielfältig berichtet haben. Anders als alternative Medien.
Von Jonathan Steinert

In der Corona-Krise, insbesondere im Zuge des Lockdowns, wurde verschiedentlich Kritik an der journalistischen Berichterstattung über diese Krise laut. Der Medienwissenschaftler Otfried Jarren etwa kritisierte Ende März, dass sich die öffentlich-rechtlichen Medien zu der Zeit zu sehr als Teil des Systems verstünden, und forderte von ihnen, politische Entscheidungen kritischer zu begleiten. Seine Kollegen Bernhard Pörksen und Marc Brost warnten Journalisten Anfang April davor, in die „Harmonie-Falle“ oder in die „Helden-Falle“ zu tappen und einzelne Experten zu heroisieren. Zwischen dem Kommunikationswissenschaftler Stephan Russ-Mohl und dem ehemaligen Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Werner D’Inka entspann sich geradezu ein Streit über die Leistung des Journalismus in der Corona-Krise.

Ein Forscherteam um den Kommunikationswissenschafts-Professor Thorsten Quandt von der Universität Münster hat nun in einer systematischen Analyse genauer untersucht, wie die etablierten, sogenannten Mainstreammedien über die Corona-Krise berichteten. Bereits Anfang April veröffentlichte das Team eine Auswertung über die Berichterstattung von alternativen Medien. Beide Analysen führten die Forscher nach derselben Methode durch, sodass sich die Ergebnisse vergleichen lassen. Insgesamt kommen Quandt und sein Team zu dem Ergebnis: Die journalistischen Medien haben nicht versagt. Die genannten Kritikpunkte ließen sich in der Studie nur zum Teil bestätigen.

Für ihre Analyse haben die Forscher mithilfe einer Software mehr als 100.000 Facebook-Posts zwischen 7. Januar und 22. März von 78 Printmedien ausgewertet – von regionalen und überregionalen Tageszeitungen ebenso wie von den Nachrichtenmagazinen Der Spiegel und Focus. Beiträge öffentlich-rechtlicher und anderer Rundfunkmedien ließen die Forscher aus Gründen der methodisch schwierigen Vergleichbarkeit von Text und Bewegtbild bewusst außen vor.

Breite Themenpalette

Anhand bestimmter Wörter und ihrer Kombinationen in den kurzen Texten der Posts ermittelten die Forscher insgesamt zwölf Themenbereiche im Zusammenhang mit Corona, über die die Medien in diesen knapp drei Monaten berichteten: zum Beispiel Informationen über Infektionszahlen und Todesfälle, medizinische Einschätzungen von Wissenschaftlern, die einschränkenden Maßnahmen gegen das Virus, ökonomische Folgen der Krise, die Auswirkungen auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt oder auch „weichere“ Themen, etwa darüber, wie die Krise einzelne Menschen im Alltag betrifft.

„Verglichen mit der vorherigen Analyse von alternativen Nachrichtenmedien ist die Themenstruktur merklich breiter. Sie gibt einen umfassenderen Überblick über die gesellschaftliche Folgen“, heißt es in der Studie. Die meisten alternativen Medien hätten sich vor allem mit Problemen und Fehlern sowie einigen ihrer Langzeit-Themen wie Migration befasst. Doch Kritik an den Zeitungen war auch nicht unbegründet, stellten Quandt und sein Team fest: Einige Beiträge über die Corona-Fallzahlen hätten den Charakter einer Sportberichterstattung gehabt, als ginge es um einen Wettbewerb um Infektions- und Todeszahlen und Kurvenentwicklungen. Jedoch müsse man die Relation sehen: Berichte über Fallzahlen machten gut zehn Prozent der ganzen Corona-Berichterstattung aus und davon sei wiederum nur ein Teil in diesem Stil gehalten.

Hinweise auf regierungsfreundliche Berichte, die mehrfach Gegenstand von Kritik waren, findet die Studie vor allem rund um die Fernsehansprache von Angela Merkel und die verhängten Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus. Die Mehrheit der Medien habe Merkels Rede positiv aufgenommen, auch Beiträge, die Verschwörungstheorien kritisieren und sie als Gefahr für den Erfolg der Maßnahmen ansehen, zählen die Forscher zu diesem Themenfeld. Aber auch hier weisen sie auf die Relation hin: Insgesamt habe dieses Thema einen Anteil von sieben Prozent an der Berichterstattung über die Corona-Krise.

Die Zusammensetzung der Themen in der Berichterstattung und auch die Menge der Berichte haben sich der Studie zufolge im Lauf der Zeit verändert. Ausschlaggebend dafür seien einzelne Ereignisse gewesen, auf die die Journalisten dann reagierten. Während die Medien Corona in den ersten Januarwochen fast gänzlich ignorierten, gab es eine erste Häufung der Corona-Berichte, als Ende Januar die ersten Infektionen in Deutschland bei der Firma Webasto bekannt wurden. Danach ging die Aufmerksamkeit dafür wieder zurück. Sprunghaft angestiegen ist sie laut der Analyse in der Menge und thematischen Breite, nachdem am 25. Februar Fälle in Heinsberg und Göppingen auftraten sowie nach den ersten Todesfällen in Deutschland zwei Wochen später.

Keine belastbaren Belege für generell unkritische Haltung

Die Studie untersucht auch, welche Akteure in den Medien während der Krise vorkommen. Wenig überraschend für die Forscher wurde Bundeskanzlerin Angela Merkel am häufigsten genannt, vor Gesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU), US-Präsident Donald Trump, dem Robert-Koch-Institut (RKI), der Bundesregierung und zahlreichen anderen. In den alternativen Medien sei Merkel allerdings mehr als zweimal so oft genannt worden wie in den traditionellen Medien. Der Vorwurf der Hofberichterstattung treffe daher auf die alternativen viel eher zu – nur mit negativer Tendenz.

Wie die Forscher außerdem feststellten, seien die jeweiligen Akteure nach dem Prinzip des Framings in je einen bestimmten Kontext gestellt, mit einer konkreten Rolle verknüpft worden. Während etwa Merkel vor allem zu Solidarität aufgerufen habe, hätten Spahn und das RKI mehr die Rolle gehabt, die Bevölkerung zu informieren und gesundheitliche Fragen zu diskutieren. Für eine Heroisierung einzelner medizinischer Experten machten Quandt und sein Team nur begrenzte Hinweise aus. Dafür, dass sogenannte Mainstreammedien generell unkritisch über die politischen Akteure und ihre Entscheidungen berichteten, fanden die Forscher auch keine belastbaren Belege.

Mainstreammedien haben nach Ansicht der Forscher ein „ganzheitlicheres Bild vom Funktionieren eines komplexen gesellschaftlichen Systems“ geliefert und verschiedene Perspektiven auf vielfältige Akteure und Zusammenhänge gelegt. Im Gegensatz dazu seien alternative Medien relativ einseitig ihrer „Anti-Establishment, „Anti-System“-Linie gefolgt. Dem Journalismus bescheinigen die Forscher keine „systemischen Dysfunktionalitäten, auch wenn einzelne Aspekte zukünftig eine verbesserte Handhabe verdienen“.

Von: Jonathan Steinert

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