Allein die Fragestellung würde offensiven Atheisten wie Richard Dawkins oder Christopher Hitchens vielleicht nicht gefallen – sehen sie doch die Religionen als Ursache für Schlechtes in der Welt. Ara Nornzayan und Azim Shariff von der Universität von British Columbia wollten herausfinden, ob Religion Menschen hilfsbereiter, ehrlicher und fairer macht. Dazu untersuchten sie verschiedene Studien aus unterschiedlichen Fachgebieten wie Anthropologie, Soziologie, Psychologie und Wirtschaft. Über ihr Forschungsergebnis, das sie im Juli im Magazin „Nature“ veröffentlichten, berichtet „Focus online„. „Wir wollten auf die harten wissenschaftlichen Fakten schauen“, sagt Norenzayan.
„Wir erwogen die Möglichkeit, dass Gott für die Gläubigen eine übernatürliche Kontrollinstanz ist“, sagte Shariff. Wenn Religionen zu einem selbstlosen Verhalten auffordern, spielt das vor allem für das Zusammenleben in großen sozialen Gruppen eine Rolle, glauben die Sozialwissenschaftler. In Befragungen haben gläubige Menschen öfter angegeben, dass sie spenden und ehrenamtliche Tätigkeiten ausüben. Eine Erhebung des „Religionsmonitors“, einem Projekt der Bertelsmann-Stiftung, zeigt etwa, dass 43 Prozent der tief religiösen über 18-Jährigen ein Ehrenamt ausüben, in der Gruppe der etwas weniger religiösen Erwachsenen sind es 26 Prozent. Bei den nicht-religiösen engagieren sich dagegen nur 19 Prozent freiwillig.
Der „barmherzige Samariter“ nicht unbedingt religiös
Als eindeutigen Beweis wollten die beiden Forscher dies jedoch nicht gelten lassen, denn die befragten Personen machten selbst Angaben über sich, und daher fielen sie vielleicht zu positiv aus. Andere Versuche hingegen ermöglichten einen objektiveren Blick auf das Verhalten von Menschen. Im Experiment mit dem Namen „Guter Samariter“ etwa legt sich ein Mann auf den Gehweg und tut so, als sei er verletzt. Gemäß der Geschichte aus der Bibel laufen die Versuchspersonen nun an dem scheinbar kranken Mann vorbei. Die Wissenschaftler konnten bei solchen Tests keinen Zusammenhang zwischen der Hilfsbereitschaft der Probanden und ihrer Religiosität ausmachen.
Eine Rolle spielt allerdings offenbar die Präsenz von Religion etwa durch Symbole und regelmäßige Gebete, so die Forscher. Bei Experimenten in einem israelischen Kibbutz, in dem das Gebet zum täglichen Leben gehört, hätten die Probanden eine größere Bescheidenheit gezeigt als der Durchschnitt.
Allein das Gefühl, es gebe ein moralisch übergeordnetes Wesen verhilft den Menschen offenbar dazu, moralisch besser zu handeln. Versuche zeigten, dass Studenten bei einer Prüfung weniger schummelten, wenn man ihnen vorher erzählt hatte, dass in dem Raum der Geist eines verstorbenen Kommilitonen gesehen worden war. Auch Kinder, denen man gesagt hatte, eine fiktive Prinzessin namens Alice beobachte sie, hielten sich strikter an zuvor verteilte Anordnungen.
Nornzayan und Shariff erklärten, Menschen, die sich als gläubig bezeichneten, verhielten sich in anonymen Situationen nicht fairer als andere. Entscheidend war wohl eher der Gedanke an eine unmittelbare moralische Präsenz. Dieser Ansatz müsse noch genauer untersucht werden, so die Wissenschaftler. (PRO)