Das Investmentunternehmen Scalable Capital bewirbt seine Dienstleistungen im Finanzbereich auf Plakaten mit dem Slogan „Deine Villa geschehe, auch ohne Vater im Himmel“. Die Kampagne läuft nach Angaben des Unternehmens entsprechend der Planung in Kürze aus. Das Plakat hänge nur noch vereinzelt, erklärte eine Unternehmenssprecherin am Mittwoch auf PRO-Anfrage. „Im Anschluss werden wir das Motiv nicht mehr nutzen.“ Das Unternehmen hat demnach „neben wenigen kritischen Stimmen überwiegend positiven Zuspruch“ erhalten zu seinen Werbemaßnahmen – „auch zu dieser Headline“.
Der Finanzdienstleister greift eigenen Angaben zufolge für seine Kampagnen auf „kreative Umformulierungen bekannter Ausdrücke, Sprüche und Redewendungen“ zurück. „Auch religiöse Allusionen können dazugehören, da sie in unserem alltäglichen Sprachgebrauch verankert sind – ein Phänomen, das über die Grenzen der Religionszugehörigkeit hinausgeht“, teilte das Unternehmen mit. Mit dem genannten Slogan, einem von derzeit fünf Motiven, will der Neo-Broker dazu anregen, über Vermögensaufbau und die eigene finanzielle Zukunft nachzudenken.
In den sozialen Medien gab es Kritik an der Werbung und der Umformulierung des Vaterunser. Der Sekten- und Weltanschauungsbeauftragte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern beispielsweise kommentierte den Werbeslogan auf Facebook als „Tiefpunkt neuer Gehässigkeit“. Auf X/Twitter teilte ein Nutzer aus Berlin sein Unbehagen darüber, dass die Werbung in nächster Nähe zu einer Kirche platziert wurde.
Eine Grenze wird allerdings mit den Worten der Selbstkontrolleinrichtung der Werbewirtschaft dann überschritten, „wenn religiöse Bekenntnisse beschimpft oder verächtlich gemacht werden“. So bestimmt es der Deutsche Werberat in seinem Leitfaden zum Werbekodex, der Selbstverpflichtung der deutschen Werbeindustrie.
Diese Grenze sahen viele offenbar von Scalable Capital überschritten. Denn wie die evangelische Nachrichtenagentur Idea berichtet, sind beim Werberat mehrere Beschwerden zu der Werbung eingegangen und hätten teilweise ausgedehnte Darlegungen mit religiösem Hintergrund aufgewiesen.
Die Professorin für Religionswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Daria Pezzoli-Olgiati, erklärte bereits vor geraumer Zeit gegenüber dem Bayerischen Rundfunk (BR), dass Unternehmen religiöse Motive und Symbole nutzten, um mit dieser Form von Werbung die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Diese Form der Werbung bewege sich auf „schmalen Grat zwischen Bekanntem und Irritation“, erklärte Pezzoli-Olgiati, die zum Verhältnis von Religion und Medien forscht. Der religiöse Tabubruch gehöre nach Einschätzung der Wissenschaftlerin mittlerweile in Marketingabteilungen zum Repertoire.