Filmmaterial mit dem Begründer der Urknall-Theorie aufgetaucht

Es war der katholische Priester Georges Lemaitre, der die heute bekannte Urknalltheorie begründete. Nun sind im Archiv eines belgischen Fernsehsenders verschollene Original-Filmaufnahmen mit dem Pater und Astronomen aufgetaucht.
Von Jörn Schumacher

Georges Lemaitre (1894–1966) war ein belgischer Priester und Astrophysiker und er entdeckte das, was als Urknall-Theorie bekannt ist. Demzufolge ist das Universum nicht über alle Zeiten unveränderbar, sondern Materie, Raum und Zeit hatten einen Anfang, und der liegt etwa 13,8 Milliarden Jahren in der Vergangenheit.

Der aus Charleroi stammende Lemaitre wollte schon als Kind Priester und Wissenschaftler werden. Er ging auf eine Jesuitenschule, er kämpfte als Freiwilliger in der belgischen Armee im Ersten Weltkrieg und studierte danach an der Katholischen Universität Löwen Physik und Mathematik. Zusätzlich trat er ins Priesterseminar der Erzdiözese Mechelen ein, wo er 1923 zum Priester geweiht wurde.

Lemaitre studierte drei Jahre am Massachusetts Institute of Technology, wo er auch promovierte. 1925 übernahm er an der Universität Löwen eine Teilzeitprofessur und begann, seine Theorie vom „Uratom“ oder vom „kosmischen Ei“ zu entwickeln. Lemaitre schloss aus der Beobachtung eines sich ausdehnenden Universums auf einen Anfang an einem bestimmten Punkt. Die „Big Bang“-Theorie war geboren, die Lemaitre erstmals 1931 in einem Aufsatz veröffentlichte.

Nun hat ein belgischer Fernsehsender Filmmaterial entdeckt, das Lemaitre in einem Interview im Jahre 1964 zeigt. In den 20 Minuten spricht der Pater, der auch Astronom war, über seine Entdeckung. Er erklärt darin, wie der Ursprung des Universums ausgesehen haben könnte.

Bisher gab es nur Fotografien von Lemaitre. Eine davon zeigt ihn 1933 auf dem Campus des California Institute of Technology in Kalifornien neben Albert Einstein stehend. Der Fernsehsender VRT fand nun die Filmaufnahmen des „Big Bang“-Entdeckers. Die Archivarin Kathleen Bertrem sagte, die Suche nach diesen historisch bedeutsamen Aufnahmen gleiche der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen.

Physik-Nobelpreisträger Robert A. Millikan, Georges Lemaitre und Albert Einstein am California Institute of Technology im Januar 1933 Foto: Public Domain
Der Physik-Nobelpreisträger Robert A. Millikan, Georges Lemaitre und Albert Einstein am California Institute of Technology im Januar 1933

Nicht von religiöser Überzeugung geleitet

Der Ausschnitt stammt von einem Interview, das der französische Produzent Jerome Verhaeghe mit Lemaitre am 14. Februar 1964, also genau vor 59 Jahren, machte. Lemaitre erklärt darin, dass seine Theorie von der Ausdehnung des Universums erst kaum akzeptiert wurde, denn sie beinhaltete die Notwendigkeit eines zeitlichen Beginns des Universums und rückte damit einen göttlichen Schöpfungsakt wieder in den Bereich des Möglichen.

Der Astronom erklärt: „Vor der Theorie der Expansion des Universums, vor etwa 40 Jahren (in den 1920er Jahren; d. Red.), erwarteten wir eigentlich ein Universum, das statisch ist und sich nicht verändert.“ Mit seiner Entdeckung war dieses Bild vollkommen überholt.

Der Priester betonte stets, dass er seine Theorie vollständig in der Sprache der Wissenschaft formuliert habe und seine Forschung nicht von seinen religiösen Überzeugungen geleitet würden. In einem Interview sagte er: „Weder hat die Wissenschaft meinen Glauben erschüttert, noch war die Religion je Ursache, Schlussfolgerungen in Frage zu stellen, die ich durch wissenschaftliche Methoden erlangt habe.“

Lemaitre geht im Interview auf die Äußerungen des britischen Astronomen Fred Hoyle ein, der den englischen Begriff „Big Bang“ („Großer Knall“) prägte. Hoyle bestritt die Ansicht, dass das Universum aus dem Nichts entstehen könne und vertrat stattdessen die Steady-State-Theorie, nach der permanent im gesamten Raum neue Materie erzeugt wird.

Lemaitre erwidert, man könne den Begriff „Schöpfung“ auch ganz ohne philosophische oder religiöse Verbindung benutzen. Wenn etwa im Weltall Wasserstoff auftauche, dann sei das in gewisser Weise „gespenstisch“, denn es entstehe ja anscheinend aus dem Nichts. Die moderne Physik erkenne immer mehr, dass es im Universum unveränderliche und universelle Gesetze gibt, und dies könne manchen dazu veranlassen, von einem ein „Design“, also einem Plan, für das Universum zu sprechen.

Kein Gottesbeweis

Auf die Frage, ob er auch religiöse Schlüsse aus der Urknall-Theorie ziehe, antwortet Lemaitre, ihm sei klar, dass beim Wort „Schöpfung“ immer die religiöse Konnotation mit anklinge. Die Welt entstand offenbar aus dem Nichts, und über das, was vorher gewesen sein könnte, könne niemand etwas sagen. „Dieser Anfang ist für uns nicht vorstellbar und völlig anders als das, was wir aus unserer Welt kennen“, so der Astronom. Gläubige Menschen „propagierten“ hier die Vorstellung, dass die Welt von Gott erschaffen wurde. Doch Gott könne nicht bewiesen werden.

1934 erhielt Lemaitre die höchste wissenschaftliche Auszeichnung Belgiens, den Francqui-Preis, zwei Jahre später den französischen Astronomenpreis Prix Jules-Janssen. Der Priester hat nie den Nobelpreis erhalten. Erst 2018 wurde das Gesetz von Hubble, das besagt, dass sich Galaxien ungefähr proportional zu ihrer Entfernung voneinander entfernen, offiziell in Hubble-Lemaitre-Gesetz umbenannt. Der britische Astronom Edwin Hubble formulierte seine Theorie erst zwei Jahre nach Lemaitre.

Im Jahr 1940 wurde Lemaitre aufgrund seiner wissenschaftlichen Leistungen in die Päpstliche Akademie der Wissenschaften berufen. 1960 wurde Lemaitre Präsident der Akademie. Dieses Amt hatte er bis zu seinem Tode im Jahr 1966 inne.

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

5 Antworten

  1. Lemaitre entwickelte eine Theorie und machte damit eigentlich keine tatsächliche Entdeckung.
    Es gibt keinen echten Beweis für den Urknall.
    Und so lange das so ist, bleibt es eine Theorie, die stimmen kann, aber nicht stimmen muss.

    Ein historisches Beispiel ist, dass Galileo die Theorie hatte, dass die Erde sich um die Sonne dreht, aber dafür keinen Beweis hatte (dieses aber behauptete, weshalb es zu den berühmten und oft falsch wiedergegebenen Konflikt kam). Erst ca. 300 Jahre später wurde der Beweis durch die Relativitätstheorie und die Raumfahrt erbracht.

    Doch heute erhebt man leider zu gern Theorien in den Stand von tatsächlichen Wahrheiten und schadet damit der Wissenschaft mehr als man ihr nützt.

    8
    2
    1. „Echte Beweise“ gibt es eigentlich nur in der Mathematik. Ist die kosmische Hintergrundstrahlung kein Argument?

      1
      0
  2. Aus einem „Urknall“ kann nur Chaos entstehen, aber keine Ordnung, keine Genialität, wie sie nur der Schöpfer des Menschen und der Natur, z.B., hineinlegen konnte, sodass selbst die Wissenschaft(en) bis heute
    die Komplexität und die Zusammenhänge nur bruchteilhaft erklären konnten. Dass aus einer Urexplosion, wie sie behauptet wird, niemals Ordnung resultieren kann, verstehen selbst 10-jährige Kinder.

    11
    2
    1. zunächst einmal ist eine Theorie eine fiktive Vorstellung. Heute wird gerade mit der Evolutionstheorie so umgegangen als sei es Fakt was es aber auch bei ständiger Wiederholung nicht wird!

      0
      0

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen