Seine Filme sind oft klassische Roadmovies, bei denen ein Deutscher versucht, die Freiheit und die Suche in den Weiten Amerikas in Filme zu packen, die sonst eher von Amerikanern gemacht werden. Dabei ist sein Blick unweigerlich dann doch geprägt von der europäischen, kritischeren Sicht, auch wenn Wenders für 15 Jahre selbst nach Amerika zog. Besonders seine frühen Filme handeln häufig von Personen, die in der ganzen Welt unterwegs sind, sich treiben lassen und auf der Suche sind. Viel gesprochen wird in den Filmen nicht, und wenn, dann sind die Dialoge kurz und prägnant, tieftragend und poetisch. Ein wenig so, wie wenn Wenders selbst spricht, wenn er Interviews gibt.
Er selbst sieht sich in erster Linie ebenfalls als ein „Reisender und dann erst als Regisseur oder Fotograf“, wie er einmal sagte. Eine Hauptrolle spielen dabei immer auch die Landschaften und Orte, heruntergekommene Hotels und abrissreife Häuser. Regisseur sei er geworden, weil er all das, was ihn interessiere, in einem Beruf zusammenfassen konnte, wie er bei einer Präsentation der Papst-Dokumentation „Franziskus – Ein Mann seines Wortes“ 2018 in Würzburg sagte: Das Schreiben, das Malen, das Fotografieren, das Reisen und das Menschen-Treffen.
Katholisch erzogen
Wim Wenders wurde am 14. August 1945 als Wilhelm Ernst Wenders in Düsseldorf geboren. Sein Vater war Chirurg und wuchs nach eigenen Angaben in einem konservativen katholischen Elternhaus auf. Wenders wollte als Teenager Priester werden, studierte dann aber Medizin, Philosophie und Soziologie, allerdings ohne Abschluss. Er begann zu malen und zog nach Paris. 1967 wurde er an der gerade gegründeten Hochschule für Fernsehen und Film in München aufgenommen. Als Abschlussfilm gab er 1970 den zweieinhalbstündigen „Summer in the City“ ab. Wenders gründete im Jahr darauf mit anderen Autorenfilmern des Neuen Deutschen Films den „Filmverlag der Autoren“. Mit „Alice in den Städten“, in dem ein Mann ziellos mit einem kleinen Mädchen durch verschiedene Großstädte zieht, gelang ihm 1973 der künstlerische Durchbruch. Mit „Der amerikanische Freund“ wurde er auch in den USA bekannt. Im Jahr 1976 gründete er die eigene Produktionsfirma „Road Movies Filmproduktion“ in Berlin. Das Erste zeigt derzeit in seiner Mediathek eine Werkschau des Künstlers.
Der Film „Paris, Texas“ (1984), der bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes die Goldene Palme erhielt, machte ihn international bekannter und wurde zu einem Kultfilm. Es war neben „Der Himmel über Berlin“ (1987) mit Peter Falk in einer Nebenrolle einer der kommerziell erfolgreichsten Filme von Wenders. Es folgten 1989 das ambitionierte und sehr teure Science-Fiction-Projekt „Bis ans Ende der Welt“, und mit „In weiter Ferne, so nah!“ (1993) ein Nachfolger des Berlin-Klassikers „Der Himmel über Berlin“. Von 1991 bis 1996 war Wenders Vorsitzender der Europäischen Filmakademie. Von 2002 bis 2017 war er Professor für Film an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Seit 1993 hat Wenders eine Honorarprofessur an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) in München.
Musik als Hauptperson
Immer wieder war Musik zentraler Bestandteil der Filme von Wenders. Die Dokumentation „Buena Vista Social Club“ (1999) begleitete kubanische Musiker und löste einen Boom kubanischer Musik auf der Welt aus. In „Pina – tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren“ (2011) versuchte sich Wenders im 3D-Film und brachte das Tanztheater von Pina Bausch in Wuppertal einem größeren Publikum näher. Der Film war 2012 für den Oscar als beste Dokumentation nominiert. Daraufhin drehte Wenders seinen ersten Spielfilm in 3D-Technik: „Every Thing Will Be Fine“ lief 2015 bei den 65. Internationalen Filmfestspielen von Berlin. Die Idee für seinen Film „The Million Dollar Hotel“ (2000) hatte Bono, Frontman der Band U2. Die Gruppe spielte auch den Soundtrack ein und ist selbst kurz im Film zu sehen. In dem Film über gescheiterte Lebenskünstler, Romantiker und Träumer in einem heruntergekommenen Hotel in Los Angeles spielte in der Hauptrolle Mel Gibson einen FBI-Agenten. Den Sänger der Düsseldorfer Band Die Toten Hosen, Campino, setzte Wenders 2008 als Hauptfigur im Film „Palermo Shooting“ ein. Mit diesem Film war Wenders zum neunten Mal im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes vertreten. Und auch mit „Viel passiert – Der BAP Film“ widmete sich Wenders einem musikalischen Thema.
In „Das Salz der Erde“ (2014) dokumentierte Wenders Werk und Leben des brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado. Der Film gewann bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes einen Spezialpreis. Im Jahr 2012 gründete Wenders die Wim Wenders Stiftung in Düsseldorf, die einerseits das Lebenswerk des Filmemachers für die Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich machen soll und andererseits junge Filmemacher unterstützt. In seiner Geburtsstadt Düsseldorf wurde 2018 ein Gymnasium nach Wim Wenders benannt.
„Ich bin ein gläubiger Mensch“
Wenders führte am 8. Dezember 2015 Regie bei der Direktübertragung der Eröffnungsfeierlichkeiten des außerordentlichen Heiligen Jahres der Barmherzigkeit vom Petersplatz und dem Petersdom mit der Öffnung der Heiligen Pforte. Wim Wenders selbst trat 1968 aus der Katholischen Kirche aus und konvertierte in den 80er Jahren zum Protestantismus. Er bezeichnet sich heute selbst als gläubigen Menschen und als „ökumenischen Christen“. Er ist seit 1993 in dritter Ehe mit der Fotografin Donata Wenders verheiratet und lebt vorwiegend in Los Angeles und in Berlin.
Vor zwei Jahren überraschte Wenders mit der sehr persönlichen Dokumentation „Franziskus – Ein Mann seines Wortes“ über den aktuellen Papst. Anlässlich der Premiere sprach Wenders in einem Interview mit dem YouTube-Filmkritiker Robert Hofmann auch über seinen eigenen Glauben. Religion sei derzeit „nicht besonders sexy“, sagte Wenders, das liege wohl unter anderem an der Selbstzentriertheit des Menschen. „Wir sind kaum noch umgeben von Natur, also sozusagen mit Schöpfung, sondern nur noch von Sachen, die wir als Menschen selbst gemacht haben. Wir halten uns für die Beherrscher des Ganzen. Religion ist für viele Leute aber eine Alternative, dass wir nicht immer so im Mittelpunkt stehen müssen.“ Während die Gesellschaft einen immer mehr dazu verleite, alles nur für sich selbst und für die eigene Befriedigung zu tun, führe einen die Religion dazu, etwas für andere zu tun. Wenders fügte hinzu: „Wir sind ja einsamer als je zuvor. Die Sozialen Medien machen uns einsamer. Religion ist eine ziemlich tolle Alternative, um aus diesem Zirkus soziosus herauszukommen.“
Bei der Präsentation seiner Dokumentation über Papst Franziskus in Würzburg 2018 sagte Wenders vor Vertretern der Katholischen Kirche, er gehe regelmäßig in Gottesdienste, sowohl in katholische und evangelische. „Ich bin manchmal etwas unentschlossen. In Amerika war ich in einer Presbyterianischen Gemeinde.“ Gegenüber der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) sagte Wenders im April auf die Frage, welche Rolle Glaube und Spiritualität in seinem Leben spiele: „Wenn einem in seinem Leben Gott wichtig, ja eine Realität geworden ist, dann wirkt sich das auf alles aus, was man tut. Und wenn man wirklich felsenfest überzeugt ist, dass man Dunkelheit nicht mit Dunkelheit bekämpfen kann, sondern nur mit Licht, dann hat das Konsequenzen.“
Von: Jörn Schumacher