FDP-Generalsekretärin: „Ich glaube an Gott. Punkt.“

Nicola Beer setzt sich als FDP-Generalsekretärin für die großen politischen Ziele ihrer Partei im hessischen Landtag ein. Doch auch im Kleinen kümmert sie sich – beispielsweise bei der Integration von zwei Flüchtlingen. Deren Taufe hat Folgen für ihr Leben.
Von PRO
Nicola Beer sieht die Dinge positiv: „Für mich ist ein Glas immer halb voll und der Rest kann organisiert werden.“

Ob das Treffen mit Nicola Beer überhaupt zustande kommt, ist zwölf Stunden vor dem vereinbarten Termin noch nicht absehbar. Ausgemacht ist der Termin zwar schon länger, aber aus zahlreichen Medien ist zu entnehmen, dass die FDP-Generalsekretärin am späten Vorabend des geplanten Gesprächs noch in Berlin weilt [d. Red.: Treffen fand Ende 2017 vor dem Ende der Jamaika-Sondierungsgespräche statt]. Dort ist sie nicht zu Besuch, dort ist sie mittendrin in den heißen Sondierungsgesprächen zwischen FDP, Grünen und CDU. Sollte es tatsächlich zu einer Jamaika-Koalition kommen, könnte Beer in der neuen Legislaturperiode eine größere Rolle in der Bundespolitik spielen.

Aber schließlich kommt Beer doch durch die Eingangstür in das edle Traditionscafé in der Nähe des Frankfurter Palmengartens, den ausgemachten Treffpunkt. Für einen großen Teil ihres Wahlkreises sind Tee, Kaffee und Kuchen an diesem Ort zu kostspielig. Ehe sie sich an den Tisch setzt, begrüßt sie hier und da einige sehr fein gekleidete Gäste mit einem freudigen „Hallo“. Unbekannt scheint sie hier nicht zu sein. Aber die anderen scheinen auch ihr wiederum nicht fremd zu sein.

Beers Wahlkreis, Frankfurt am Main I, ist der multikulturellste in Deutschland und einer, wo Arm und Reich aufeinandertreffen. Das wohlhabende Frankfurter Westend zählt genauso dazu wie das sozial schwächere Gallusviertel und das sowohl gefürchtete als auch hippe Bahnhofsviertel. Gewonnen hat sie das Direktmandat im September nicht. Der Wahlsieg zu Hause ging an den CDU-Kandidaten Matthias Zimmer. Aber in den Bundestag wurde sie trotzdem gewählt – als FDP-Generalsekretärin stand sie auf Platz eins der Landesliste der hessischen FDP. Nun steht sie mit ihrem etwas hemdsärmeligen Kollegen Christian Lindner an der Spitze ihrer Partei auf Bundesebene. Deswegen ist sie in Berlin, deswegen ist ihr Terminkalender voller als je zuvor.

Taufkurs für Flüchtlinge gesucht

Hatte die FDP lange an dem Image gefeilt, eine Partei der Unternehmer und der Wirtschaft zu sein, sollte sich spätestens nach der verlorenen Bundestagswahl 2013 etwas ändern. Die FDP müsse wieder „näher bei den Menschen“ sein, verkündete Beer damals. Zu Hause in Frankfurt versucht die Politikerin das auch seither. Ihre politischen Gedanken und Ideen speisen sich auch aus dem, was Menschen an sie herantragen – etwa bei Diskussionen um eine Obergrenze für Flüchtlinge, die für die FDP politisch keine Option ist.

Beer ist in dieser Frage auch von einer persönlichen Erfahrung geprägt: Vor über einem Jahr fragten Freunde sie, ob sie und ihr Lebensgefährte sich um zwei Flüchtlinge aus Afghanistan kümmern könnten. Bei den beiden Afghanen kam der Wunsch auf, zum christlichen Glauben zu wechseln. „Das hat mich schon beeindruckt“, erzählt Beer, „weil sie gesagt haben: Wir kommen aus einer komplett muslimischen Welt und uns erzählt man immer, wie schlimm die Christen sind. Aber wir kommen hierher und werden von Menschen, die gar nicht unseren Glauben haben, unheimlich liebevoll und mit offenen Armen aufgenommen.“ Weil die beiden jungen Afghanen Teil dieser Gemeinschaft werden wollten, haben Beer und ihr Lebenspartner, der Jurist ist, nach Kirchengemeinden gesucht, die Glaubens- und Taufkurse für Flüchtlinge anbieten.

Gefunden haben sie schließlich die Nord-Ost-Gemeinde, eine Personalkirchengemeinde in Frankfurt. Dort wird der Gottesdienst auf Deutsch gefeiert, aber in Farsi übersetzt. Die beiden Afghanen fanden schnell Anschluss über die jungen Menschen in der Gemeinde und ließen sich dort nach einem einjährigen Glaubenskurs an Pfingsten taufen.

Taufe mit Folgen

Deswegen kaufte Beer den beiden Afghanen schicke Kleidung. Turnschuhe und Jeans fand sie nicht feierlich genug für den Anlass. „Die Taufe sollte ja ein besonderer Tag sein“, findet Beer, die als Kind in Berlin getauft worden ist. Ihre Bekannte Katherine Fuerstenberg-Raettig, mit der sie zusammen die Flüchtlinge betreut, kümmerte sich um ein Restaurant, um die Taufe anschließend zu feiern. Beers ganze Familie kam mit. „Ich denke, das hat den beiden Afghanen auch nochmal gezeigt, dass es eben kein Gottesdienst von vielen war“, sagt Beer, „sondern ein bisschen was Besonderes.“

Mit der Betreuung der Flüchtlinge fanden auch Beer und ihr Lebensgefährte Anschluss in der Frankfurter Kirche. Seit Oktober sind sie Mitglieder der Nord-Ost-Gemeinde. „Ich war sehr beeindruckt von der Lebendigkeit dieser Kirche. Das hat inzwischen nicht mehr jede Gemeinde“, sagt Beer. Und sie kennt einige, immerhin hat sie bedingt durch Umzüge vom Kindergottesdienst über die Konfirmation bis zur Jungschar verschiedene Kirchen kennengelernt. Und die Pfarrer auch sie. Im Konfirmandenunterricht forderte sie Pfarrerin Waltraud Frodien heraus, die im Jahr 1980 zur Dekanin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) gewählt wurde und damit deutschlandweit die erste Frau in kirchlicher Führungsposition war. „Sie hatte es mit mir sicherlich nicht ganz leicht“, sagt Beer und lacht. Im Unterricht sollten die Konfirmanden, darunter Beer, aus dem Glaubensbekenntnis alles herausstreichen, was sie nicht glaubten, und sich auf das Wesentliche konzentrieren. „Frodien war ziemlich geschockt, weil bei mir übrig blieb: Ich glaube an Gott. Punkt.“

Als Jugendliche liebäugelte Beer mit dem Journalismus: „Meine Neugier an Menschen, fremden Kulturen und anderen Lebensweisen konnte ich auf einmal an einen Berufswunsch koppeln.“ Foto: pro/Anne Klotz
Als Jugendliche liebäugelte Beer mit dem Journalismus: „Meine Neugier an Menschen, fremden Kulturen und anderen Lebensweisen konnte ich auf einmal an einen Berufswunsch koppeln.“

Der Sonntag ist für sie meistens Arbeitstag. Denn viele Veranstaltungen und Termine, bei denen sie präsent sein muss, fallen auf das Wochenende. In den Gottesdienst schafft sie es derzeit nur selten. Aber wenn, zieht sie viel Energie aus den Predigten, sagt sie. „Ich mag es, dass Predigten in unserer Gemeinde nicht überpolitisiert sind.“ Und: „Häufig stört mich in Gottesdiensten der hiesigen hessischen evangelischen Kirche, dass sie mehr Politik und weniger Evangelium sind.“

Beer ist zielstrebig und kann manchmal unbequem werden. Deswegen hat sie dem Kirchenpräsidenten der EKHN, Volker Jung, wie auch dem Beauftragten der EKHN am Sitz der Landesregierung, Jörn Dulige, ihre Kritik mitgeteilt. Es sei in der Vergangenheit vorgekommen, dass sich die Kirche zu sehr in die Politik eingemischt habe, findet die Frankfurterin, etwa wenn sie Partei ergriffen habe für bestimmte politische Konstellationen. „Manch einer beschließt dann, auszutreten“, sagt Beer. „Das mache ich nicht, aber ich suche dann das Gespräch.“ Gegenüber pro streitet die EKHN die Vorwürfe der parteipolitischen Einflussnahme ab. Lediglich eine evangelische Kirchengemeinde in Frankfurt habe im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 gegen die FDP aufgerufen. Dies sei jedoch nicht in Absprache mit der Landeskirche geschehen.

Journalisten sind Getriebene

Beer ist Politikerin durch und durch. Schon in ihrer Jugend waren ihr freiheitlich-demokratische Werte wichtig. Deswegen trat sie mit 18 den Jungen Liberalen bei, drei Jahre später schließlich der FDP und mit 22 Jahren wurde sie bereits in den Kreisvorstand der Frankfurter FDP gewählt. Ihr Studium der Rechtswissenschaft schloss sie mit Prädikat ab. Doch ob des beruflichen Wegs herrschte für die Juristin keineswegs immer Klarheit. Als Schülerin war die ARD-Korrespondentin Gabriele Krone-Schmalz ihr großes Vorbild, die von 1987 bis 1992 im Moskauer ARD-Studio arbeitete. Russland war Beer fremd, aber deswegen umso spannender. „Meine Neugier an Menschen, fremden Kulturen und anderen Lebensweisen konnte ich auf einmal an einen Berufswunsch koppeln und wollte Journalistin werden“, erzählt Beer. Aus diesem Grund setzte sie sich als Schülerin freiwillig nachmittags an den Schreibtisch, um Russisch zu lernen.

„Nun bin ich allerdings auf der Seite gelandet, die Journalismus beobachtet, kommentiert und bewertet“, sagt die Politikerin lachend. Für sie spielen Medien eine wichtige Rolle in der Demokratie, gerade in Zeiten von Internet, Twitter und Facebook. „Berichterstattung hat sich demokratisiert“, stellt Beer fest. „Jeder kann sein eigener Journalist sein, jeder kann seine Selbstdarstellung posten, seine Meinung wesentlich größeren Leser- und Zuhörerschaften direkt kundtun.“ Das sei früher nur über Radio, Zeitung und Fernsehen möglich gewesen, welche für die eine oder andere Botschaft aber ein „Filter“ gewesen seien.

„Es ist die große Zeit des Qualitätsjournalismus“, findet Beer. „In der Welt ist vieles so kompliziert und vielschichtig geworden, was eine enorme Masse an Informationen zur Folge hat. Das macht es umso nötiger, dass Journalisten aussortieren, bewerten, beschreiben und analysieren. Aber leider leistet das nicht jedes Medium.“ Ihrer Ansicht nach seien Journalisten häufig Getriebene. Recherche könnten sie meist nur beschränkt betreiben, die Nachrichten würden immer effekthaschender aufbereitet. „Gerade mit der Debatte um Fake News und Hate Speech im Hintergrund wäre es Aufgabe von Zeitungen, von Fernsehen und von Rundfunk, dem entgegenzutreten.“

Optimistisch trotz Kritik

Beer will überzeugen. Das durften ihre Kollegen bereits in den Zweitausendern spüren, als sie Parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag war. Vielen kämpfte sie zu hartnäckig, zu zielgerichtet und zu ungeduldig um Posten. Doch mit Erfolg, denn schnell besetzte sie Ämter wie das der Staatssekretärin für Europaangelegenheiten im Hessischen Ministerium der Justiz, für Integration und ab 2012 das der hessischen Kultusministerin. In dieser Zeit führte sie in Zusammenarbeit mit dem Moscheenverband Ditib den islamischen Religionsunterricht ein. Noch heute steht das in der Kritik. Im Zuge des derzeit angespannten Verhältnisses zur Türkei befürchten Kritiker, dass Erdogan über den Religionsunterricht Einfluss auf die Bildung nehmen könnte.

„Man muss einfach akzeptieren, dass man mit den eigenen Ideen nicht immer und nicht zu jeder Zeit auch Mehrheiten organisieren kann“, sagt Beer. „Das ist wie im Leben. Das Schöne ist aber, dass man immer wieder in der Diskussion, im Argumentieren überzeugen und neu ansetzen kann.“ Für die bislang im Ausgang unsicheren Sondierungsgespräche sicher eine gute Panzerung. Denn wie die FDP im Bundestagswahlkampf 2013 erfahren hat, gehört Scheitern zum politischen Geschäft – im Großen wie im Kleinen. Doch Beer, so scheint es, macht das nicht viel. Es gibt kaum Fotos von ihr, auf denen sie nicht zumindest lächelt. Viele Bilder zeigen sie gar strahlend. „Ich bin von der Grundeinstellung her ein optimistischer Typ“, sagt Beer von sich. „Für mich ist ein Glas immer halb voll und der Rest kann organisiert werden.“

Einer guten Organisation bedarf es auch im Familienleben. Ohne die Unterstützung ihres Lebensgefährten hätte sie solch einen Karriereweg nicht einschlagen können. Für die gebürtige Wiesbadenerin ist die Familie ein Ort, um zur Ruhe zu kommen. Bei einer großen Patchwork-Familie mit sechs Kindern – zwei davon sind aus ihrer ersten Ehe, vier brachte ihr Lebensgefährte mit in die Beziehung – ist das schwer vorstellbar. „Aber ich genieße es trotzdem sehr“, sagt Beer. Auch wenn sie am Ende eines jeden Sommerurlaubs, zu dem nicht selten auch die Großeltern anreisen, den Wunsch nach „drei Tagen Urlaub vom Urlaub“ verspüre. Doch entspannen kann sie trotzdem, zum Beispiel bei einem ausgedehnten Familienfrühstück, oder, wenn ihr alles mal zu viel wird, bei einem Kurzurlaub in Frankreich bei einer alten Schulfreundin, oder sonntags im Gottesdienst.

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe 6/2017 des Christlichen Medienmagazins pro. Bestellen Sie pro kostenlos und unverbindlich unter Telefon 06441-915-151, per E-Mail an info@kep.de oder online.

Von: Anne Klotz

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Eine Antwort

  1. Ich hätte gewettet,dass Sie Verteidigungsministerin werden. Niemand sonst könnte dieses schwierige Amt besser führen.
    Freundliche Grüße

    Peter Huber

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