FAZ & Co: Kommt die Spaltung der evangelikalen Bewegung?
Unter mehreren einflussreichen Vertretern der evangelikalen Bewegung in Deutschland ist es zu einem öffentlichen Richtungsstreit über Fragen der Homosexualität gekommen. Der Disput mit noch offenem Ende findet nun auch in den säkularen Medien Beachtung.
Ein Riss in der evangelikalen Bewegung ist erkennbar. Ob es zur Spaltung kommt ist jedoch offen
Ein Artikel der Tageszeitung Die Welt und ein Interview des Christlichen Medienmagazins pro, beide im Dezember veröffentlicht, mit dem Vorsitzenden der Deutschen Evangelischen Allianz, Michael Diener, sind Anlass einer Debatte über den Kurs der evangelikalen Bewegung in Deutschland. Diener vertritt die Auffassung, auch praktizierende Homosexuelle könnten in evangelikalen Gemeinden Mitglied und Mitarbeiter sein. Dagegen hat sich der Theologe und langjährige ProChrist-Redner Ulrich Parzany ausgesprochen, weil er darin eine falsche Lehre erkennt. Die Debatte wurde bislang vorwiegend in christlichen Zeitschriften und Internetseiten geführt, seit dieser Woche ist sie auch Thema in den säkularen Medien.
In der aktuellen Ausgabe der Zeit-Beilage Christ & Welt gehen die Autoren Wolfgang Thielmann und Hannes Leitlein in dem Artikel „Im Glauben zerrissen“ der Frage nach, ob sich die evangelikale Bewegung am Samstag spalten könnte. Denn dann wollen sich in Kassel führende evangelikale Christen auf Einladung von Ulrich Parzany treffen und darüber diskutieren, wie den „Irrlehren“, die nach Parzanys Meinung in der evangelischen Kirche vertreten werden, widerstanden werden kann. Der Artikel offenbart zudem einen ambivalenten Aspekt der Debatte: Diener und Parzany sind befreundet, besuchen den gleichen Gottesdienst, kommen aber in der Frage der Homosexualität nicht auf einen Nenner und führen die Debatte über die Differenzen in der Öffentlichkeit.
In Parzany sehen die Christ-und-Welt-Autoren einen „verbitterten alten Mann“, der homosexuelle Handlungen aus der Sicht der Bibel als Sünde werte. Diener verorten die Autoren als Evangelikalen mit „Nähe zur Macht“. Seit November ist der Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz, Michael Diener, auch Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und hatte nach der Wahl den Evangelikalen empfohlen, eine selbstkritischere Haltung einzunehmen. Die Autoren schreiben, dass nach Einschätzung von Kennern der Szene die Hälfte „wahrscheinlich auf Dieners Reformkurs“ liege. Was bedeutet, dass genau so viele Parzanys Ansichten teilen könnten. Der habe nach eigenen Angaben keine Ambitionen, die Bewegung zu spalten. Die „evangelikale Bewegung zerlegt sich“, heißt es in dem Artikel, „einer Spaltung sehen manche Führungskräfte der Evangelischen Allianz inzwischen gelassen ins Auge“.
Bei Heilsfragen ist Spaltung wahrscheinlich
Ebenfalls in Christ und Welt erschienen ist ein Interview der Autoren Jonas Krumbein und Andreas Öhler mit Heinz Bude, der als Soziologe an der Universität Kassel lehrt. Der Artikel mit dem Titel „Entfalten durch spalten?“ beleuchtet Chancen und Risiken von Flügelkämpfen und Spaltungen in Bewegungen, Staaten, Parteien und in den Religionen. „Wenn es um das Heil geht, ist Spaltung wahrscheinlicher als Einigung“, sagt Bude in dem Interview. Die heutigen ideologischen, religiösen und geistigen Spaltungen hätten mit einer Veränderung der Gesellschaft zu tun. „Es ist doch interessant, dass alle Figuren, die ihre eigene Position denkerisch weiterentwickeln, sagen: Wir profitieren doch eigentlich voneinander!“, erklärt Bude. Der Soziologe hält entgegen der Meinung vieler Kollegen Einheit für erstrebenswert. „Ich glaube, dass Einheit große Anstrengungen verdient.“
FAZ berichtet über den „Aufruhr“
Auch ein Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom Donnerstag widmet sich der innerevangelikalen Debatte. In dem Artikel „Aufruhr unter evangelikalen Christen“ schreibt Autor Reinhard Bingener, dass Diener innerhalb des „weiten Spektrums“ der evangelikalen Bewegung „eher liberale Auffassungen“ vertrete, der die „Fokussierung seiner Bewegung auf das Thema Homosexualität“ als „einseitig“ und „wenig zuträglich für das Grundanliegen, Menschen für den Glauben zu gewinnen“, kritisiere.
Parzany trete dafür ein, „dass die Evangelikalen ihre Positionen – Ablehnung homosexueller Praktiken und Beharren auf dem christlichen Missionsanspruch – nicht von sich aus als eine von mehreren Bibelauslegungen relativieren dürften“. Bei dem Richtungsstreit gehe es um „mehr als die symbolisch aufgeladene Frage der Homosexualität, nämlich um die hermeneutische Frage der Bibelauslegung und die kirchenpolitische, wie die Kirche mit ihrer inneren Pluralität umgehen soll“.
Der Artikel thematisiert auch den Konflikt der beiden Ämter, die Diener neben dem Amt als EKD-Ratsmitglied innehat, nämlich den Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes und den Vorsitz der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA). Der Gnadauer Verband hatte Diener das „volle Vertrauen“ ausgesprochen, die DEA habe ebenfalls Unterstützung signalisiert, sich jedoch von den Aussagen Dieners zur Homosexualität distanziert.
Gegenüber der FAZ erklärte Parzany zu dem Treffen am Samstag in Kassel: „Ich hoffe und bete, dass ich nicht irgendwelche Geister aus Flaschen heraus gerufen habe“. Der Artikel kommt zu dem Schluss, dass erst der weitere Verlauf der Diskussionen zeigen wird, „ob sich eine der beiden Seiten inhaltlich durchzusetzen vermag oder ob unter den Evangelikalen organisatorisch eine Bruchlinie entsteht“. (pro)
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