Die Passionszeit hat begonnen, damit auch die Fastenzeit. Christen, Gesundheitsbewusste und nicht religiöse Menschen besinnen sich auf das, was sie zu sich nehmen, um abzunehmen oder nicht weiter zuzunehmen. Von Aschermittwoch bis zum Ostersonntag wollen sich Dicke und Dünne, Veganer und Genussmenschen, Fromme und Unfromme des Genusses enthalten, um durch Askese Disziplin zu üben.
Da sind die Totalfaster mit Darmreinigung vorab, die sich mit dünnem Tee und einem Apfelschnitz durch den Tag quälen, oder Minimalfaster, die von der Schlachteplatte zum Frühstück zu einem Obst- und Frischkornbrei wechseln möchten, ob als Einzel- oder Gruppenfaster mit Fastenlehrer oder unter ärztlicher Aufsicht.
Ich gebe es ja zu: Zehn Kilo weniger würden mir gut tun. Ich pendele seit 50 Jahren zwischen 85 und 95 Kilo Lebendgewicht und das bei einer Körpergröße von 185 Zentimetern und kräftigem Knochenbau. Meine Frau mahnt mich täglich mit „Hintern hoch, Gewicht runter! Beweg Dich, Alter!“ oder so ähnlich.
Ja, ich gebe ja zu, ein Genussmensch zu sein. Mir fällt viel ein, um mich der täglichen Leibesübung zu entziehen. Ich schiebe es auf meine Parkinsonerkrankung, auf den hohen Tablettenkonsum, aufs Wetter und vor allen Dingen auf Corona. Corona muss jetzt für alles herhalten. Mein E-Mountainbike habe ich auf der Terrasse aufgebockt. Aber ich schone das Gerät mit Sorgfalt. Und im Haus steht der Cross-Trainer, mit einem TV-Monitor gegenüber, auf dem man mit Bibel-TV, Joyce Meyer oder ZDF-Morgenmagazin in den Tag starten könnte.
„Dreimol schlecht gässe isch au g’faschtet“
Volksweisheit aus dem Allgäu
Ich habe irgendwann entschieden, dass statt Biking, Jogging, Swimming, dass mein Favorit das Relaxing ist und bleibt.
Ja, ich esse gern. Aber ich kann auch vielen Versuchungen widerstehen: Rohkost, Magerquark, Tee, Zwieback und Reiskekse zum Beispiel. Da bin ich die fleischgewordene Disziplin.
Nur bei Gebratenem, Süßem und einem Hopfenblütentee aus einer fränkischen Dorfbrauerei, da verzehrt sich meine Widerstandskraft. Für ein Stück „ahle Worscht“ aus meiner nordhessischen Heimat lasse ich jedes Wirsing-Soufflé an Bio-Karöttchen und mit Soja gefüllte Erbsen stehen.
Wie wäre es mit Medienfasten?
Im Ernst: Bereits zur Zeit des Alten und Neuen Testaments wurde in der Bevölkerung gefastet. Die Motivation unterschied sich jedoch von unserer heutigen sehr stark. Um das Fasten als geistliche Übung zu verstehen, liefert uns die Bibel eine Reihe an Erfahrungen, Motivationen und Gründen für ein Fasten um Gottes Willen. Nicht um besser und gesünder zu leben, sondern um die Beziehung zu meinem Schöpfer intakt zu halten. Denn ohne diesen Bezug auf Gott bleibt das Fasten eine Selbstreinigung, ein verkrampfter Kampf um Kalorien und den Yoyo-Effekt, der jedes ernährungsbewusste Fasten im Frust enden lässt.
Wie wäre es mit Medienfasten, mit Schweigezeiten, mit einer Klausur, in der man seine Neigung zum Zorn und zur Ungeduld aufarbeitet, unbefangen unverkrampft sich dem Anspruch und Zuspruch der Bibel stellt.
Ich habe einmal ein Totalfasten nach einer Woche abgebrochen, weil ich in eine Fasteneuphorie geraten bin, die mich in eine Fastenarroganz getrieben hat, in dem ich jeden adipösen Mensch mit Verachtung gestraft habe.
Ich wünsche allen Fastenden eine heilsame Entschlackung des Leibes und der Seele.