Es war einer der großen Streitpunkte bei den Verhandlungen um eine Große Koalition und ist zudem eines der für die Kirchen wichtigsten politischen Herzensanliegen: Der Familiennachzug von Flüchtlingen. Nun haben SPD und Union sich überraschend schnell auf einen Kompromiss geeinigt. Bis zum 31. Juli soll der Nachzug ausgesetzt bleiben, anschließend soll er auf 1.000 Menschen pro Monat begrenzt werden, ergänzt um eine bereits bestehende Härtefallregelung, wie die Deutsche Presse-Agentur am Dienstagmorgen berichtete.
Das Thema war auch deshalb besonders brisant, weil die derzeitige Aussetzung des Familiennachzugs Mitte März ausläuft. Nun soll der Bundestag eine Fortführung der derzeitigen Regelung bis Sommer beschließen – dann treten, sollte es zu einer Großen Koalition kommen, die neuen Pläne in Kraft.
Erfolg für die SPD
SPD und Union hatten den Familiennachzug, also die Möglichkeit, enge Familienangehörige wie Ehegatten oder Kinder nach Deutschland zu holen, im März 2016 für Flüchtlinge mit sogenanntem subsidiären Schutz ausgesetzt. So bezeichnet man Menschen, die nicht auf Basis der Genfer Flüchtlingskonvention in Deutschland anerkannt sind – also nicht deswegen, weil sie aufgrund ihrer Religion, politischen Überzeugung oder Rasse in ihrer Heimat gefährdet sind, sondern weil sie anderweitig bedroht sind und ihr Land deshalb verlassen. Das gilt zum Beispiel für Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien, die zwar keine systematische Verfolgung, wohl aber die gefährliche Lage in ihrer Heimat zur Flucht treibt.
Während die CDU noch auf Nachfrage im vergangenen Jahr immer wieder betonte, den Familiennachzug weiter aussetzen zu wollen, und die Schwesterpartei CSU sich schon im Wahlprogramm gegen die Wiedereinsetzung des Familiennachzugs aussprach, warb die SPD in ihrem Programm: „Familiennachzug und das Zusammenleben in der Familie tragen zu einer guten Integration bei. Deshalb werden wir die temporäre Aussetzung des Familiennachzugs nicht verlängern.“ Im aktuellen Sondierungspapier von Union und SPD hieß es bereits, der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus solle sehr eng auf 1.000 Menschen im Monat begrenzt werden. Die jetzige Einigung kann also vor allem als Erfolg für die Sozialdemokraten gelten.
Kirchen fordern: Familiennachzug ermöglichen
Protestanten wie Katholiken in Deutschland forderten derweil eine Wiedereinführung des Familiennachzugs. Es sei schlecht für die Integration der Menschen, wenn sie sich die ganze Zeit über Sorgen um ihre Verwandten in der Heimat machen müssten, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, im Dezember dem NDR. Berlins Erzbischof Heiner Koch, der zugleich Leiter einer katholischen Kommission zum Thema Ehe und Familie ist, erklärte im Tagesspiegel, er halte den Familiennachzug für unbedingt notwendig, denn: „Integration ohne Familie wird nicht gelingen“.
Von: Anna Lutz