Meinung

„Fall Schlesinger“: So wichtig ist Journalismus

Die Affäre um rbb-Intendantin Patricia Schlesinger stürzt den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in eine Krise. Das könnte auch dem Vertrauen in etablierte Medien insgesamt schaden. Dabei zeigt der Fall, wie wichtig Journalismus ist.
Von Jonathan Steinert
Patricia Schlesinger

Am Sonntag ist Patricia Schlesinger als Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) zurückgetreten. Bereits am Donnerstag hatte sie ihr Amt als Vorsitzende der Sendergemeinschaft ARD niedergelegt. 2016 hatte Schlesinger die Leitung des rbb übernommen – einer Rundfunkanstalt mit derzeit mehr als 2.000 festangestellten Mitarbeitern, sieben Radio-, einem Fernsehsender sowie verschiedenen Web-Angeboten.

Seit Ende Juni ist die 61-jährige Schlesinger mit Vorwürfen konfrontiert, die sich kurz zusammen fassen lassen mit Stichworten wie Vetternwirtschaft und unverhältnismäßige Ausgaben auf Kosten des Senders – und damit der Gebührenzahler. Vor allem der Business Insider, die Bild-Zeitung und B.Z., die zum Springer-Verlag gehören, deckten immer mehr fragwürdige Einzelheiten auf – von Berater-Verträgen über Luxus-Renovierungen des Büros über die private Nutzung von Dienstwagen bis hin zu möglicherweise nicht korrekt abgerechneten Abendessen. (Lesen Sie hier eine Chronik der Enthüllungen).

Kaum ein Medium, das sich nicht mit den Anschuldigungen beschäftigte. Geklärt sind sie längst noch nicht. Der rbb hat eine Kanzlei damit beauftragt, sie zu untersuchen. Darüber hinaus haben der Sender und vor allem Schlesinger selbst bisher wenig Klarheit geschaffen. Transparenz sieht anders aus. Jetzt ermittelt laut Tagesspiegel auch die Staatsanwaltschaft wegen Verdachts auf Untreue und Vorteilsnahme gegen Schlesinger, ihren Ehemann, den Ex-Spiegel-Journalisten Gerhard Spörl sowie rbb-Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf, der sein Amt wegen der Enthüllungen ebenfalls ruhen ließ.

Wo gehen die Gebühren hin?

Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist das ein Fiasko. Denn viele Deutsche sehen es ohnehin nicht ein, dass sie ihn über eine verpflichtende Gebühr mitfinanzieren müssen, unabhängig davon, ob sie die Angebote nutzen oder gut finden. 42 Prozent der Bürger würden nicht freiwillig zahlen, ergab eine Umfrage 2018. Etwa ebenso viele sagten vor vier Jahren, der damalige Beitrag von monatlich 17,50 Euro sei zu hoch. Als er zum Beginn des Jahres 2021 um 86 Cent erhöht wurde, fanden das mehr als 60 Prozent der Bürger falsch.

Dass dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die im Jahr 2021 aus Gebühren eingenommenen 8,4 Milliarden Euro nicht ausreichen, ist dem Gebührenzahler kaum zu vermitteln. Vor allem dann nicht, wenn die meisten Intendanten der behördenmäßig organisierten Rundfunkanstalten mehr als 300.000 Euro im Jahr als Grundvergütung erhalten. Das bewegt sich auf dem Niveau des Bundeskanzler-Gehalts. Bei allem Respekt vor ihrer Arbeit und Verantwortung: Als Nutzer wünschte man sich, dass Gebühren vor allem in die Angebote fließen und in das Personal, das diese erstellt.

Von Kritik an Inhalten und Ausrichtung soll hier gar keine Rede sein. Das unbeliebte Finanzierungsmodell hat das Zeug, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Ganzes infrage zu stellen. Wenn dann auch noch offenbar wird, dass Senderverantwortliche unverantwortlich mit den Gebühren umgehen, zerstört dies unweigerlich Vertrauen in das System. Das hängt im Fall von Schlesinger nicht nur an ihrer Person und der des Verwaltungsrats-Chefs. Sondern es stellt sich auch die Frage, warum Kontrollmechanismen einen Missbrauch von Macht und Geld nicht verhindern konnten.

Journalismus ist umso wichtiger

Bei alledem ist es jedoch wichtig zu unterscheiden zwischen Missständen in der Organisation und Führung der Medienanstalt einerseits und den Inhalten andererseits. Das, was das Publikum, die Gebührenzahler, von den Sendern wahrnehmen, sind ihre Programme. Es sind Journalisten und andere Kreative, die sie entwickeln und umsetzen, die recherchieren und gestalten. Ihnen – oder gar „den Medien“ insgesamt – wegen der Anfragen ans System der Öffentlich-Rechtlichen das Vertrauen zu entziehen, wäre gerade jetzt fatal.

Denn es waren Journalisten, die das mutmaßliche Fehlverhalten aufgedeckt haben. Und auch im rbb selbst beschäftigen sich Journalisten natürlich mit dem Fall an der Spitze ihres Hauses. Denn davon sind sie ja ganz unmittelbar betroffen, etwa wenn im Intendantinnen-Büro Luxus-Fußboden eingebaut, aber für die Programme Mittel gestrichen wurden, wie der Medienjournalist Jörg Wagner im rbb erklärt.

Auch sei die Compliance-Stelle des Hauses nicht ausreichend mit Budget und Kapazitäten ausgestattet. In seinem Podcast auf radioeins, einem der rbb-Sender, begleitete er die Enthüllungen schon in den vergangenen Wochen kritisch. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei durch die Affäre in seine „stärkste Krise“ geraten: Sie habe das Potenzial, die Akzeptanz für einen beitragsfinanzierten Rundfunk auf lange Zeit „extrem zu senken“.

Der Sinn eines öffentlich-rechtlichen Medienangebots, einer umfassenden Grundversorgung mit Informationen, steht damit nicht infrage. Auch wäre es nicht angemessen, den rbb oder den öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt wegen des Fehlverhaltens an der Spitze eines Hauses an den Pranger zu stellen. Aber es ist dringend nötig, ihn so zu organisieren, dass das verfügbare Geld in hochwertige Inhalte geht und nicht in intransparenten Strukturen und Super-Chef-Gehältern versackt.

Ein Vertrauensverlust in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk könnte am Ende auch dem Journalismus insgesamt schaden, weil ARD und Co. eben auch das Bild prägen, das die Menschen von Medien haben. Dabei ist Journalismus nicht nur in einem Fall wie diesem unerlässlich.

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12 Antworten

  1. Nette Ablenkung vom wesentlichen: dass Geld verbraten wird passiert an vielen Orten. Das Hauptproblem ist doch aber der Umgang der Medien mit der Berichterstattung, die unglaubwürdig ist. Beispiel Corona: noch vor Monaten wurden Impffolgen als Verschwörungstheorie abgetan. Nun rudern die ÖR zurück. Wenn wir eine vernünftige Berichterstattung hätten würde für und wider betrachtet und nicht nur Regierungsmeldungen nachgebetet. Ähnlich ist es bei der Ukraine: Die Ukraine und wir sind die guten und Russland die bösen. Dass aber in den Pandora Papers Selensky steht und dass auch die Ukraine vor dem Krieg auch nicht sehr freundlich mit Russen umgegangen ist gehört aber zur Wahrheit dazu. Ich will von den Medien nicht Bevormundung sondern mir selbst meine Meinung bilden können. Daran krankt es an allen Ecken und Enden und der Fall Schlesinger ist damit nur ein tolles Ablenkungsmanöver

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    1. Erstaunlich dieser Kommentar oder eben nicht:
      Die konstatierte Vetternwirtschaft im konkreten Fall sei nur ein Oberflächenphänomen gegenüber dem grundlegenden Manko des ÖRR staatstragenden und deshalb inhaltlich unzuverlässigen Journalismus zu betreiben. Das sehe man insbesondere an der Coronaberichterstattung und neuerlich bei der einseitigen Parteinahme für die Ukraine.
      Dieses Narrativ, das Matze hier bedient, entspricht exakt der Desinformationspolitik, die aus Moskau professionell zur Destabilisierung des Westens betrieben wird. Diejenigen, die diesem Propagandanarrativ folgen, halten sich für objektiv informiert im Gegensatz zu all den „Schlafschafen“, die naiv dem Mainstream folgen. Das nennt man in der Wahrnehmungspsychologie – wenn ich recht erinnere – Verzerrungsblindheit!
      Wie weit diese reicht, sieht man bei den „alternativen“ Medien, die angesichts des Überfalls Russlands und der ungeheuerlichen Kriegsverbrechen eine Art Restvernunft mobilisieren konnten, wie bspw. Reitschuster oder Achgut. Denn dort sahen sich die Schreiber im redaktionellen Teil, die in Bezug auf die Ukraine einen klaren Kopf gezeigt haben, einem Shitstorm im Kommentarteil konfrontiert, wo ein verzerungsblinder Mob nicht von der liebgewonnenen Propagandaerzählung ablassen konnte.

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    2. Dass wir den örR brauchen, sehen wir schon daran, dass es in Russland eben keine Medien gibt, die den Prunk und Protz von Herrn Putin in seinen Schlössern und Datschen anklagen können. In Deutschland ist es dank der freien Presse aufgedeckt worden. Doch statt den Artikel von Herrn Steinert zu loben, (Danke Herr Steinert!) werden von Herrn Matze die alten russischen Verunsicherungsmythen gepflegt. Schade!

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      1. Kritik, auch an den ÖR muss erlaubt sein. Wer diese Kritik als nicht notwendig ansieht hat ein demokratisches Gemeinwesen nicht verstanden und ist in der Gefahr, falls der ÖR mal Propaganda verbreitet eben derselbigen aufzusitzen. Beispiele von staatlichen Sendern in diese Richtung gab und gibt es genug…..

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      2. Der örR kommt leider immer zu spät. Wir müssen uns von anderen Quellen informieren und dann selbst denken lernen. Was hat der Kanzler in seiner damaligen Funktion in Hamburg angerichtet? Ein Abdanken wäre sofort richtig. Das Rechtssystem ist auch schon zwei geteilt. Es ist alles so widersprüchlich. Wie lange wollen wir uns das noch bieten lassen? Wir wollen mehr Demokratie!!!

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  2. Ein Vertrauensverlust ist bei mir gar nicht mehr möglich, denn ich hatte auch vorher schon kein Vertrauen mehr in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

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  3. Wer Vertrauen mißbraucht gehört vom „Hof“ gejagt. Dazu gehören die Spitzen von ARD und ZDF, dIe die Bevölkerung an der Nase herumführen. Wer jetzt noch meint, den Journalismus schonen zu müssen, macht sich ebenfalls der Filzokratie verdächtig.

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  4. Die Berichterstattung ist einseitig, Meinungen sind nicht vielfältig vertreten. Im Radio (SWR) hören wir es täglich. Was mehrere Umfragen ergaben, empfinden auch wir: große Übermacht an „grünen“ Überzeugungen und viel zu viel Regierungsnähe. Auch wenn ich die AfD verabscheue, müssten Fernsehen und Radio doch fair mit ihnen umgehen. Ja, auch ich bin „für“ die Ukraine, aber was wir derzeit an blau-gelber Propaganda sehen und hören, ist übermäßig. Kann man bei Corona, Kernenergie, Geschlechterthemen und allem anderen nicht Pro und Contra ausgewogen zu Wort kommen lassen??
    Betrachte ich all das, so ist es empörend, dass wir es auch noch bezahlen müssen! Und wenn man sich über Programmpunkte beschwert, so ist es praktisch immer nutzlos.

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  5. Mir war noch nie klar, warum es öffentlich-rechtlichen Rundfund und Fernsehen gibt, aber keine öffentlich-rechtliche Zeitung.
    Wenn man sagt, es gäbe genug private gute Zeitungen, dann könnte man dasselbe für Privatfunk sagen. Wenn man sagt, die privaten Zeitungen sind für unser Land nicht gut genug, dann müsste man auch für eine öffentlich-rechtliche Zeitung sein, für die man Pflichtgebühren bezahlen muss.

    Früher war Rundfunk und Fernsehen finanziell alleine von der Infrastruktur her sehr kosten aufwendig und das wollte man wohl nicht den Superreichen überlassen.

    Heutzutage kann von der Technik her jeder Hirsel Rundfunk und Fernsehen machen und es über das Internet vertreiben. Dieser Grund gilt also auch nicht mehr.

    Also warum öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Fernsehen?

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  6. Guter Journalismus ist in der Tat nicht mit Gold aufzuwiegen.
    – Umso schärfer aber muss Korruption, ideologische Einseitigkeit und mangelnde Wahrhaftigkeit im ÖRR bekämpft werden.

    Unser ÖRR sieht sich bedauerlicherweise auch zunehmend als ideologische Instanz, die ihre „Untertanen“ auf Linie bringen will.
    Das beginnt schon damit, dass statt in unserer gemeinsamen Sprache Argumente auszutauschen, schon vor dem ersten Argument zwanghaft Genderisten-Begriffe aufgenötigt werden: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/gendern-in-rundfunk-und-fernsehen-undemokratische-umerziehung-18232949.html

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  7. Ich sehe im Journalismus keinen grundsätzlichen systemischen Fehler, sondern denke, dass viel zu viele Journalisten viel zu links sind. Es gibt da keine Ausgewogenheit. Wo findet man denn in den ÖRR noch rechts-konservative Journalisten? Wenn der ÖRR aber fast nur grün und links ist, dann hat das nichts mit Demokratie zu tun. (Beispielsweise bei Themen wie Geschlecht, Homosexualität, Abtreibung, Glaubensthemen, Islam, Einwanderung, innere Sicherheit, Familie, …) Außerdem leben sie dann in ihrer Blase, die sich gegenseitig immer bestätigt und verstärkt. Sie werden kaum herausgefordert von anderen Ansichten und vor allem Argumenten und glauben dann, was sie denken und gutheißen, ist die Realität und das einzig Richtige. Und das verteidigen und verbreiten sie dann wie unerbittliche Glaubenskrieger und Missionare in Zeitschriften, Fernsehen und Radio. (Beispielsweise bei Themen wie Geschlecht, Homosexualität, Abtreibung, Glaubensthemen, Islam, Einwanderung, innere Sicherheit, Familie, …)

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  8. Journalismus?
    Was ist das in Wahrheit?
    Mit welchem Gewissen, berichtet der/die J.?
    Wieviel % Verantwortung übernimmt der/die J. für das Berichtete?

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