Fair, aber vielleicht zu hart: Greencard für Deutschland?

In Amerika und Kanada sorgen strenge Einwanderungsregelungen dafür, dass hauptsächlich gut ausgebildete Menschen die Staatsangehörigkeit erlangen. Sollte man auch in Deutschland eine "Greencard" einführen und manche türkische Immigranten ablehnen? In der ARD-Sendung "Hart aber fair" haben die Gäste am Mittwoch über die Frage diskutiert: Welche Zuwanderer brauchen wir?
Von PRO

Die amerikanischstämmige Journalistin Heather De Lisle erinnerte in der Sendung daran, dass in den USA und in Kanada strikte Regeln gelten, wer einwandern darf, und wer nicht. In den USA benötigt man die "Greencard", in Kanada wird die Einwanderungsmöglichkeit nach einem Punktesystem entschieden; dabei werden die Bewerber aufgrund bestimmter Bildungsnachweise und Sprachkenntnisse in Englisch oder Französisch bewertet. Unter viel Beifall fügte De Lisle hinzu: "In Deutschland kann man so etwas nicht fordern, weil man dann sofort als Nazi abgestempelt wird."

Für sie sei "Populismus" kein Schimpfwort, sondern zunächst einmal ein Ausdruck für "die Stimme des Volkes". De Lisle zeigte sich überzeugt: "Man kann hier Themen wie Ausländerfeindlichkeit oder Einwanderung aus einer konservativen Sicht nur sehr schwer ansprechen, denn man wird sehr schnell als Faschist diffamiert."

Anlass der Sendung mit Moderator Frank Plasberg war die umstrittene Forderung des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer nach einer Zuzugsbeschränkung für Türken und Araber am Samstag. Seehofer müsse sich entschuldigen, forderte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit in "Hart aber fair". Er finde die Debatte um Imigrationsprobleme "sehr undifferenziert" und wünsche sich eine Versachlichung. "In Deutschland arbeiten Tausende Menschen daran, Probleme mit der Integration zu lösen. Da braucht man nicht erst ein Buch von Herrn Sarrazin, damit man über diese Probleme diskutiert", sagte Wowereit in Bezug auf das Buch "Deutschland schafft sich ab" des ehemaligen Bundesbankvorstandes Thilo Sarrazin.

Nachdem ein Einspieler zeigte, dass bereits deutsche Einwanderer in Amerika im 18. Jahrhundert mit Argwohn betrachtet wurden, stellte Wowereit fest, die Geschichte zeige, dass sich Menschen, die fremd in einer anderen Kultur waren, als Gruppe zusammengetan und Ablehnung erfahren hätten. "Wir müssen dafür sorgen, dass in Deutschland niemand diskriminiert wird, nur weil er anders ist", so Wowereit. Der SPD-Politiker fügte hinzu: "Aber selbstverständlich muss sich auch jemand integrieren lassen wollen."

"Wahrheit diffamiert nicht"

Der CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte: "Wir haben keine Integrationsprobleme mit Italienern, Griechen, Spaniern oder Polen. Aber wir haben die größten Integrationsprobleme mit muslimischen oder türkischstämmigen Menschen, die zu uns gekommen sind. Darunter sind auch die größten Integrationsverweigerer." Den Vorwurf, Seehofer habe mit seiner Äußerung Volksgruppen diffamiert, lässt er nicht gelten. "Wahrheit diffamiert nicht."

Auch Kenan Kolat, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, sorgte sich um den Ton der aktuellen Debatte. Er fühle sich an die Asyldebatte und an die Zeit von Anschlägen auf Asylbewerberheime erinnert. "Ich habe wirklich Angst bekommen. Wo geht die Bundesrepublik hin?" Er forderte ebenfalls eine Entschuldigung von Seehofer, plädierte aber gleichzeitig dafür, das Thema Integration offen anzusprechen.

 Nathanael Liminski, Mitglied der Jungen Union und engagierter Katholik, gestand, Angst davor zu haben, irgendwann im eigenen Land fremd zu werden. Auch er kritisierte die Debatte über Integrationsprobleme in Deutschland und sagte: "Inwieweit uns das weiter bringt bei der Frage, wie wir Menschen mit Migrationshintergrund integrieren können, bleibt da weiter schleierhaft." Wenn die Probleme, etwa mangelnde Deutschkenntnisse unter Immigranten, nicht angegangen würden, "werden wir Situationen erleben, wo wir Lager und Milieus haben, die sich sprachlos gegenüberstehen, und das macht mir Sorge". Seehofer habe in dem längeren Interview Fragen und Probleme zur Zukunft Deutschlands angesprochen, sei jedoch anschließend auf eine einzige Aussage reduziert worden. Das zeige, dass es fast nicht mehr möglich sei, in Deutschland sachlich über solche Themen zu sprechen, so Liminski. (pro)

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