Ex-Erzdiakon: „Putin glaubt nicht an Gott“

Andrej Kurajev wurde wegen seiner Kritik am Krieg in der Ukraine und der Verflechtung der russisch-orthodoxen Kirche mit dem Staat aus dem Priesteramt entlassen. Er ist zum Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel übergetreten und wirkt nun im Ausland als Priester, der Präsident Putin und den Krieg kritisiert.
Von Norbert Schäfer
Andrej Kurajev

Der einstige „Erzdiakon“ der russisch-orthodoxen Kirche (ROK) unter Patriarch Kyrill, Andrej Kurajev, wurde vor einem Jahr wegen kritischer Äußerungen zum Krieg Russlands gegen die Ukraine aus dem Priesteramt entlassen. Der Theologieprofessor ist zum Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel übergetreten. Dessen Oberhaupt, der griechisch-orthodoxe Patriarch, Bartholomaios, setzte Kurajev wieder mit priesterlichem Rang ein. In einem Interview mit „Domradio“ wird der Vorgang als „unüblich, historisch einzigartig“ bezeichnet. Die ROK bestreitet jedoch die Gültigkeit des Amtes.

Nach Kurajevs Angaben gibt es in der Priesterschaft der ROK lediglich eine Minderheit von „15 oder 20 Prozent“, die nicht mit der Unterstützung des Krieges durch die Kirche einverstanden ist. „In der Öffentlichkeit trägt die Mehrheit der Geistlichen den Krieg mit, erst recht, weil der Patriarch ihn als Heiligen Krieg inszeniert“, erklärte Kurajev in dem Gespräch.

Über den russischen Präsidenten Wladimir Putin, der sich gerne in der Öffentlichkeit als religiös darstellt, sagt Kurajev: „Putin glaubt nicht an Gott. Er glaubt an ein Gottlein, also an einen kleinen Gott, der ihn zu seinem auserwählten Werkzeug gemacht hat.“ Putin glaube vermutlich selbst von sich, dass er der Messias sei, der Russland und die ganze Menschheit erlöse.

Kyrill wolle Kirche zum „Sicherheitsapparat“ machen

Dem Interview zufolge hat letztlich eine Kombination von theologischen und politischen Gründen zur Entlassung aus dem Priesterdienst der ROK und zum Übertritt geführt. Als einen Hauptgrund nennt Kurajev seine Kritik an der zunehmenden Verflechtung der russisch-orthodoxen Kirche mit staatlichen Strukturen, insbesondere unter Patriarch Kyrill. Der habe die Kirche in einen „Sicherheitsapparat“ verwandeln wollen.

2011 wandte sich Kurajev gegen die Verschärfung der Anti-Blasphemie-Gesetze, die es erleichterten, Kritiker der Kirche mit Haftstrafen zu belegen. Seine Kritik an dem Gesetz, das 2013 in Kraft trat, und der Auftritt von „Pussy Riot“ hätten den Anfang vom Ende seiner Kirchenkarriere markiert. In der Folge positionierte sich Kurajev zunehmend als Kritiker der russischen Regierung und der Kirche, insbesondere hinsichtlich der kirchlichen Unterstützung für den Krieg in der Ukraine.

2023 wurde Kurajev offiziell aus der russisch-orthodoxen Kirche ausgeschlossen, nachdem er öffentlich den von Patriarch Kyrill inszenierten „heiligen Krieg“ kritisierte. Nachdem Kurajev im Dezember 2023 von der russischen Justiz als ausländischer Agent eingestuft wurde und ihm eine Gefängnisstrafe drohte, verließ er Russland. Seitdem lebt er in Prag und bekleidet von dort aus ein paar Mal im Jahr das Priesteramt in Litauen, weil dort die Orthodoxie der russischen Tradition am nächsten komme.

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