Mit einer sogenannten Ritualagentur möchte die evangelische Nordkirche künftig mehr Menschen dafür gewinnen, sich bei wichtigen Lebensstationen kirchlich begleiten zu lassen. Die Kirche in Hamburg starte dazu ein Pilotprojekt, das den Zugang zu Ritualen wie Taufen, Trauungen oder Trauerfeiern erleichtern soll, wie der Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein am Samstag mitteilte. Anliegen sei, „unkompliziert erreichbar zu sein – vor allem für Menschen, deren Zugang zu Religion und Kirche nicht mehr wie früher über die lokale Kirchengemeinde läuft“, sagte Emilia Handke, Pastorin und Initiatorin des Projekts.
Ab Frühjahr 2022 solle der Service für Taufe, Trauung und Bestattung zur Verfügung stehen. Dabei würden vielfältige Möglichkeiten, lebensbegleitenden Rituale zu feiern, angeboten – „in der Kirche oder an einem ungewöhnlichen Ort, traditionell oder ganz anders, zum Beispiel die Trauung am See oder im Lieblingscafé, die Taufe im Garten oder in der Elbe, die Trauerfeier im Wald“. Die Ritualagentur solle zeigen, wie Glaube und Religion Menschen unter den heutigen gesellschaftlichen Bedingungen für ihr Leben stärken können, hieß es.
Agentur soll „offen sein“ für Menschen
Das Angebot richtet sich nach Angaben der Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft der Hamburger Kirchenkreise Hamburg-West/Südholstein und Hamburg-Ost, Meike Barnahl, in erster Linie an die Kirchenmitglieder, die sich nicht über eine Ortsgemeinde orientieren und kirchliche Angebote an lebensbegleitenden Ritualen, die sogenannten Kasualien, nicht mehr in Anspruch nehmen. Das schließe nicht aus, dass sich auch Menschen angesprochen fühlten, die der verfassten Kirche nicht angehören. „Diese Erfahrungen machen zum Beispiel die Amtshandlungs- und Hochzeitskirchen in Hamburg und Umland schon lange“, erklärte Barnahl auf Anfrage, und weiter: „Die Ritualagentur wird als erkennbare Einrichtung der evangelischen Kirche in Hamburg im Rahmen der Erprobung der Grundlinien kirchlichen Handelns offen sein für die verschiedenen Menschen, die sich an sie richten.“
Aus der Sicht von Barnahl wird sich die verfasste Kirche in der Zukunft mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob Mitgliedschaften fluider sein können. „Es ist nicht auszuschließen, dass die Notwendigkeit, sich dieser Frage zu stellen, durch die Arbeit der Ritualagentur deutlicher als bisher sichtbar wird“, erklärte Barnahl.
Der Begriff Ritualagentur sei „ein vorläufiger Arbeitstitel“ und zeige pragmatisch auf, dass es sowohl um eine Vermittlungstätigkeit geht, als auch um ein Serviceangebot für Kirchenmitglieder. Der Wunsch nach gottesdienstlicher Begleitung und Segen an biografisch bedeutsamen Momenten werde dabei sehr ernst genommen. „Aus eigener pastoraler Erfahrung kann ich sagen, dass die Ernsthaftigkeit des Wunsches nicht gering geschätzt werden sollte“, erklärte Barnahl. Mitwirkende der Ritualagentur verstünden sich als Vermittler auf der geistlichen Ebene: Sie böten Anknüpfungspunkte für die Beziehung der Menschen zur Sache Gottes. „Wie sich die vielgestaltige Kirche als Corpus Sanctorum verwirklicht, bleibt dabei selbstverständlich auch für die Mitwirkenden der Ritualagentur unverfügbar.“