Evangelikaler Investor für schuldig befunden

Einst war er einer der reichsten Evangelikalen Amerikas, nun droht ihm eine lebenslange Haftstrafe: Der Fondsmanager Bill Hwang hatte mit seinem Investmentfonds Schäden in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar verursacht.
Von Jörn Schumacher
Wall Street

Bill Hwang ist nicht nur Mitbegründer der christlichen Hilfsorganisation „Grace and Mercy“, sondern auch bekannter Investment-Banker. Seine Investmentfirma „Archegos“ brach im März 2021 zusammen, das Unternehmen verlor 36 Milliarden Dollar. Banken, die „Archegos“ Kredite gewährt hatten, verloren 10 Milliarden Dollar und etwa 100 Milliarden Dollar an Marktwert verschwanden. Hwangs „Archegos Capital Management“ war bis dato eine christliche Investmentfirma, die nach einem griechischen Wort benannt wurde, das Christus als „Urheber“ unseres Glaubens (Hebräer 12,2) beschreibt.

Die zwölfköpfige Jury eines Bundesgerichts in Manhattan befand Hwang nun wegen der Manipulation des Aktienmarkts und des Betrugs an Banken schuldig. Die Urteilsverkündung wird am 28. Oktober 2024 erwartet. Dem 60-jährigen Hwang droht, den Rest seines Lebens im Gefängnis zu verbringen. Bis zur Urteilsverkündung bleibt er auf freiem Fuß. Wie „Christianity Today“ berichtet, blieb Hwang während der gesamten Verhandlung gelassen. Beim Warten auf das Urteil las er eine Bibelandacht und machte sich Notizen – eine Gewohnheit, die er während des gesamten Prozesses gepflegt hatte.

Auch christliches Engagement war vor Gericht Thema

Die Staatsanwaltschaft argumentierte, dass „Archegos“ unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Milliarden von Dollar von Banken geliehen und dieses Geld dazu verwendet habe, große Anteile an einigen wenigen Unternehmen aufzukaufen und so die Preise künstlich in die Höhe zu treiben. Die Verteidigung argumentierte, dass Hwang aufrichtig an die Unternehmen geglaubt habe, in die er Milliarden investierte, und dass er nicht versucht habe, die Banken zu betrügen, sondern lediglich eine aggressive Handelsstrategie verfolgt habe. Hwangs Verteidiger argumentierten zudem erfolglos, dass der aggressive Handel bei „Archegos“ im Rahmen der normalen Wall-Street-Praxis liege. Doch die Jury befand ihn in 10 von 11 Anklagepunkten für schuldig. In einem Anklagepunkt der Marktmanipulation in Bezug auf eine bestimmte Aktie wurde er für nicht schuldig befunden.

Hwang ist Mitbegründer der christlichen Hilfsorganisation „Grace and Mercy“. Einige Archegos-Mitarbeiter arbeiteten bei beiden Unternehmen und waren dort an Investitionen beteiligt.

„Archegos“ und „Grace and Mercy“ teilten sich eine Etage – mit einem Konferenzraum, in dem regelmäßig mittags Bibelstunden abgehalten wurden, auf Initiative von Hwang. „Grace and Mercy“ ist von dem Urteil nicht betroffen. Seit der Schließung von „Archegos“ läuft der Betrieb normal weiter.

Im Prozess war auch Hwangs christlicher Glaube Thema vor Gericht. So traten unter anderem Mitarbeiter von Hwangs christlicher Stiftung „Grace and Mercy“ als Zeugen auf und es wurde auf seine christliche Philanthropie hingewiesen. Wie „Christianity Today“ berichtet, waren im Gerichtssaal über die acht Wochen des Prozesses hinweg häufig christliche Freunde und Unterstützer Hwangs anwesend. Die Verteidigung versuchte, Hwangs Glauben und seine philanthropischen Tätigkeiten in den Vordergrund zu stellen, dies erschien dem Richter jedoch angesichts des Betrugsvorwurfs als irrelevant.

Die Bibel über Habsucht

Hwang ist Nachkomme eines koreanischen Pastors. 2018 hatte er in einem Video erklärt, er mache Finanzgeschäfte, um Gott zu gefallen und die Welt zu verbessern. Medienberichten zufolge machte Hwang mit seinen Geschäften ein Vermögen. Allerdings hatte er bereits 2008 durch Spekulationen mit Derivaten und „exorbitanten Kredithebeln“ im zweistelligen Milliardenbereich beinahe eine Katastrophe heraufbeschworen. 2012 war Hwang aufgrund von Insidergeschäften in Verruf geraten. Die US-Finanzaufsicht hatte gegen Hwang ermittelt und die Börsenaufsicht SEC untersagte dem Fondsmanager, Anlagekapital für Investoren zu verwalten.

Der Wirtschaftsethiker Harald Bolsinger sagte 2021 im Interview mit PRO, wie er Hwangs Handeln wirtschaftsethisch sieht: „Je mehr fremdes Geld ein Investor benutzt, desto höher ist aus meiner Sicht der Verantwortungsgrad, auch Risiken zu begrenzen und sinnvoll zu managen.“ Marktpotenziale in hohem Maße auszukaufen, sei an sich nicht ungewöhnlich. Doch ab einer gewissen Höhe komme für Christen irgendwann „die Grenze zur Geldliebe, zur Habsucht, ins Spiel“, so Bolsinger. Der Experte für nachhaltige und werteorientierte Unternehmensführung zitierte Timotheus 6,10: „Die Wurzel allen Übels ist die Habsucht“ und er stellte die Frage: „Wer stellt sich auf den Finanzmärkten noch die Frage, ob ein Geschäft wirklich Menschen dient, es ihnen zu Wohlstand verhilft oder zum Segen in der Realwirtschaft mit positiven Auswirkungen gereicht?“

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