Drei Ethikratsmitglieder warnen vor Schnellschuss beim Abtreibungsrecht

Mitglieder des Ethikrates kritisieren in der FAZ den Gesetzentwurf zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs. Eine übereilte Entscheidung ohne breiten Dialog gefährde den gesellschaftlichen Konsens und ignoriere verfassungsrechtliche Grundsätze.
Von Norbert Schäfer
Bundestag

Drei Mitglieder des Deutschen Ethikrates – Winfried Hardinghaus, Frauke Rostalski und Gregor Thüsing – kritisieren in einem Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) das Vorhaben einer Parlamentariergruppe, einen Gesetzentwurf zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs noch in dieser Wahlperiode zu verabschieden. Die Mitglieder des Ethikrates halten das Vorgehen als unvereinbar mit dem bisherigen parlamentarischen Konsens, bei ethisch komplexen Fragestellungen ausreichend Zeit für die Beratungen im Bundestag einzuplanen.

Hintergrund: Am Mittwoch berät der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages in nichtöffentlicher Sitzung über „die Durchführung und Terminierung einer öffentlichen Anhörung“ zum „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs“. Der Ausschuss befindet darüber, ob der Gesetzentwurf zur Liberalisierung des Abtreibungsrechtes im Ausschuss und unter Zuziehung von Experten weiter diskutiert wird, oder zurück ans Parlament und damit zur Beschlussfassung überstellt wird. Der Gruppenantrag von Abgeordneten der SPD, Grünen, Linken- und BSW-Mitgliedern war am 5. Dezember erstmals im Bundestag beraten und dann an die Ausschüsse überstellt worden.

Der Gesetzentwurf der Parlamentariergruppe basiere auf Empfehlungen einer einseitig besetzten Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung, schreiben die Ethikratsmitglieder in dem „FAZ“-Beitrag. „In der ersten Lesung bezeichnete eine der Antragsautorinnen das Gremium fälschlich, aber doch dekuvrierend und in der Sache nachvollziehbar als ‚Unabhängige Kommission zur Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs‘, schreiben die Autoren in ihrem Gastbeitrag vom Montag. Obwohl die Parlamentarier gemäßigtere Vorschläge als die Kommission gemacht hätten, bliebe der Kern ihres Vorhabens radikal und stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dieses betone, dass der Staat verpflichtet sei, das ungeborene Leben zu schützen, während die Grundrechte der Frau nur in Ausnahmefällen eine Abwägung erfordern.

Hardinghaus, Rostalski und Thüsing widersprechen dem Gesetzentwurf, der sich auf internationale Standards und europäische Vergleiche beruft. Die Ethikratsmitglieder sprechen gar vom Bemühen „allerlei Narrative“, die jedoch keine verbindliche Rechtsgrundlage böten. „Empfehlungen von UN-Ausschüssen oder der Weltgesundheitsorganisation, auf die verwiesen wird, haben keine Verbindlichkeit für das nationale Recht und betreffen durchweg nicht die Frage der Rechtswidrigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen“, heißt es in dem FAZ-Beitrag. Weder UN-Empfehlungen noch Vergleiche mit anderen Ländern seien überzeugende Argumente für eine grundlegende Änderung der Rechtslage.

Thema Abtreibung im Wahlkampf nicht emotionalisieren

Ein weiterer Punkt sei die Behauptung, Ärzte würden aufgrund rechtlicher Unsicherheiten Schwangerschaftsabbrüche ablehnen. Dem widerspreche jedoch die Bundesärztekammer, die die aktuelle Fristenregelung bis zur zwölften Woche befürworte und die Möglichkeit eines Abbruchs bei medizinischer Indikation zu jedem Zeitpunkt betone.

Die Mitglieder des Ethikrates warnen im Gastbeitrag vor einer Emotionalisierung des Themas im Wahlkampf, die den gesellschaftlichen Dialog erschwere und bestehende Konflikte – die Rede ist von „bereits aufgebrochenen Kulturkämpfen“ – vertiefe. „Gerade eine so relevante Entscheidung wie die Regulierung des Schwangerschaftsabbruchs sollte nicht übers Knie gebrochen werden“, schreiben Hardinghaus, Rostalski und Thüsing, und weiter: „Gute Lösungen brauchen Zeit – für einen echten gesellschaftlichen Dialog unter angemessenen Bedingungen.“

Statt das Strafrecht zu reformieren, müsse der Fokus auf die sozialen Ursachen gelegt werden, die Schwangere zu einem Abbruch bewegten. Dazu gehörten Armutsrisiken alleinerziehender Mütter, mangelnde Rentenabsicherung für Care-Arbeit und unzureichende Kinderbetreuungsmöglichkeiten.

Der Rechtsausschuss solle sich nicht unter Druck setzen lassen, da eine übereilte Entscheidung kurz vor der Wahl weder zu einer Lösung führe noch zu einem gesellschaftlichen Konsens beitrage. Veränderungen sollten in einem breiten, zeitintensiven Dialog diskutiert werden, der alle relevanten Aspekte einbeziehe. Die Autoren kommen zu dem Schluss: „Auf den letzten Metern einer Wahlperiode in legislativem Hauruckverfahren eine gesellschaftlich so kontroverse, verfassungsrechtlich so sensible und in ihren faktischen Auswirkungen so ungewisse Regelung durchzudrücken, leistet auch den Apologeten des Wandels keinen Dienst.“

Hinweis: Wir haben die ursprüngliche Überschrift („Ethikrat warnt vor Schnellschuss beim Abtreibungsrecht“) geändert, da sie suggerierte, der gesamte Ethikrat habe sich geäußert, tatsächlich waren es aber drei seiner Mitglieder. Wir bitten, die Unschärfe zu entschuldigen.

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