Es ist 5 vor 12 für die Ampel

Die EU-Wahl ist eine Klatsche für die Ampel. Wenn sie Populisten verhindern will, muss sie bessere Politik anbieten. Oder Schluss machen.
Von Nicolai Franz
Die Flagge der Europäischen Union

Die Europa-Wahl war und ist wichtig, doch tatsächlich scheren sich viele Wähler kaum um EU-Themen. Vielleicht abgesehen von der Frage, wie Migration geregelt werden soll. 55 Prozent der deutschen Wähler gaben laut Tagesschau denn auch an, die Bundespolitik sei für sie wahlentscheidend gewesen.

Das würde bedeuten: Die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP hat eine heftige Klatsche bekommen. Zusammen haben sie nur 31 Prozent der Stimmen gewinnen können, ein einziger Prozentpunkt mehr als der Wahlsieger, die Union.

Als die Bundesregierung 2021 ins Amt startete, sah das noch ganz anders aus. Von Aufbruch war da die Rede. Und die Ampel nannte ihr Bündnis „Fortschrittskoalition“. Drei Jahre später fragt niemand mehr nach Aufbruch und Fortschritt. Sondern ob die Regierung überhaupt noch bis zur nächsten Bundestagswahl durchhält.

Sicher: Die vergangenen Jahre waren hart. Putin überfiel die Ukraine, die Abhängigkeit von russischem Gas rächte sich bitter. Die Inflation bedroht Wirtschaft und Privathaushalte. Doch selbst angesichts dieser Krisen gibt die Bundesregierung kein gutes Bild ab. Das liegt nicht zuletzt an dem, der die Regierung führen sollte: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Sein als „Besonnenheit“ verkauftes Lavieren in der Frage nach Lieferungen bestimmter Waffen an die Ukraine, nur um binnen Stunden davon wieder abzurücken, hinterlässt einen hilflosen Eindruck. 

Der Bundeskanzler schafft es nicht, seine Ziele und Strategien so zu kommunizieren, dass die Menschen sie überhaupt verstehen. Auch Journalisten mühen sich regelmäßig an der richtigen Scholz-Exegese ab. Für einen Politprofi ist das kein gutes Zeichen. Gerade in einer Koalition mit so unterschiedlichen Partnern muss klare Kommunikation an erster Stelle stehen.

In früheren Zeiten haben sogar bessere Wahlergebnisse zu Rücktritten geführt. Andrea Nahles wurde 2019 als SPD-Chefin geschasst, nachdem ihre Partei bei den Europawahlen 15,8 Prozent erreicht hatte – 1,9 Prozentpunkte mehr als 2024. Die SPD-Führung hingegen versucht, jede Kritik am glücklosen Kanzler im Keim zu ersticken. Die Grünen sackten von 20,5 auf 11,9 Prozent ab. Die FDP verlor von ihren 5,4 Prozent (2019) kaum spürbare 0,2 Prozentpunkte.

Natürlich ist es besorgniserregend, wenn nun radikale Parteien wie die AfD und das neu gegründete „Bündnis Sahra Wagenknecht“ so viele Stimmen holen konnten. Die Reaktion darauf sollte aber nicht Wählerbeschimpfung sein. Sondern bessere Politik. Eine klare Vision. Mut zu unbequemen Entscheidungen. Und Einigkeit, auch wenn es schwierig wird.

In den anstehenden Landtagswahlen könnten AfD und BSW noch deutlich größere Erfolge erzielen. Sollten die Ampelparteien dort in der Bedeutungslosigkeit verschwinden, stellt sich umso mehr die Frage nach dem Ende der Regierungskoalition. Entweder sie reißt sich jetzt zusammen und wagt einen Neustart. Oder sie macht Schluss und ebnet den Weg für Neuwahlen. Es ist 5 vor 12.

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