„Es gibt zu wenige Christen in der Politik“

Christen sollen sich in der Politik einbringen. Dazu rief Armin Laschet, stellvertretender CDU-Vorsitzender, bei einer Podiumsdiskussion auf. Christen hätten der Welt die beste Botschaft überhaupt zu bieten.
Von Jonathan Steinert
CDU-Politiker Armin Laschet ist katholisch

Der CDU-Politiker Armin Laschet appellierte bei einer Diskussionsveranstaltung in der Evangelischen Freikirche Köln-Ostheim am Freitag an die Zuhörer, sich politisch einzubringen – entweder aktiv Verantwortung zu übernehmen oder zumindest wählen zu gehen. „In der Politik gibt es zu wenige Christen. Es tut dem gesamten politischen Spektrum gut, dass sich Christen engagieren.“

Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende und Landeschef der Union in Nordrhein-Westfalen verwies darauf, dass vor allem Christen der Katholischen wie der Evangelischen Kirche wesentlich zur friedlichen Revolution in Deutschland wie auch in Polen beigetragen hätten. Christen sollten daher auch heute selbstbewusster auftreten: „Christen sollten viel öfter sagen: Wir haben eine Überzeugung, die sogar Mauern zum Einstürzen bringen kann, wenn wir den Mut dazu haben.“ Die christliche Botschaft sei „das Beste, was wir der Welt anbieten können. Wenn sich daran alle hielten, hätten wir weniger Krieg und anderes auf dieser Erde“.

In der Bibel gibt es keinen Stau

Sein eigenes parteipolitisches Engagement sei die Fortsetzung seines kirchlichen Engagements in der Jugendzeit gewesen, sagte der Katholik. Als Kind besuchte er einen kirchlichen Kindergarten und eine kirchliche Schule, später einen Jugendgruppe. „Die Motivation war, die Welt besser zu machen aus christlicher Überzeugung heraus, so sind Politik und Glaube bei mir zusammengekommen.“

Laschet, der auch Vorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag in Düsseldorf und als Spitzenkandidat seiner Partei Anwärter auf das Amt des Ministerpräsidenten ist, stellte aber auch klar, dass die Bibel nicht zur allgemeinen Lebensregel aller Deutschen gemacht werden könne: „Das Zusammenleben ist geregelt durch das Grundgesetz, nicht durch religiöse Regeln.“ Zudem sei die Bibel kein Handbuch, das Ratschläge für die Tagespolitik gebe. „Die Bibel sagt nichts zum Stau auf der Leverkusener Brücke oder wie genau ein Gesetz gemacht werden soll. Aber das Menschenbild hat man im Kopf, im Herzen, im Glauben – das kann man übertragen.“

Wie das dann bei konkreten Entscheidungen aussieht, darüber müsse gestritten werden. Auch aus christlichen Überzeugungen ließen sich gegensätzliche Meinungen ableiten. Etwa wenn es um den Einsatz des Militärs gehe oder auch um die Aufnahme von Flüchtlingen.

Werte in Politik übersetzen

Laschet machte deutlich, was das christliche Menschenbild bedeutet, auf das sich die CDU bezieht. Er betonte, jeder Mensch sei ein Geschöpf Gottes. Deshalb habe jeder unveräußerliche Rechte, etwa dass er nicht gefoltert werden dürfe. Christliches Menschenbild bedeute zudem, dass jeder als Individuum Verantwortung für sein Leben trage und Freiheitsrechte habe. Dennoch sei ein Mensch immer auf die Gemeinschaft bezogen und benötige ihre solidarische Unterstützung. Gerade am Anfang und Ende seines Lebens sei ein Mensch auf Hilfe angewiesen, auch wenn er in Notlagen gerate. Auf diesem Grundgedanken beruhe die soziale Marktwirtschaft. Konkrete zeige sich dieses Prinzip etwa in der Pflegeversicherung.

Vor dem Hintergrund dieses Menschenbildes habe zudem die Familie eine besondere Bedeutung: „Jeder kann leben wie er will, da schreibt der Staat nichts vor. Aber der Staat stützt Ehe und Familie. Dahinter steht christliches Menschenbild.“

Die Werte, die sich aus dieser Vorstellung heraus ableiten, in die tägliche Politik zu übersetzen, das sei Aufgabe der Christen. Das unterstrich auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Heinrich Zertik, der ebenfalls an der Diskussion teilnahm.

„Ethische Katastrophe“

Stephan Holthaus, Rektor der Freien Theologischen Hochschule in Gießen und Professor für Christliche Ethik und Apologetik, beobachtete jedoch eine gesellschaftliche Tendenz der Verdrossenheit gegenüber dem politischen System und anderen Institutionen. Allerdings sei Politikverdrossenheit gerade in Deutschland „völlig fehl am Platz“. Er sei „dankbar für die deutschen Politiker. Das sind Menschen mit einem hohen Verantwortungsgefühl für unsere Gesellschaft.“ Außerdem gehe es kaum einem anderen Land so gut wie Deutschland. „Wir sollten Gott dafür preisen.“ Gleichzeitig mahnte Holthaus nachdrücklich, für Politiker und deren konkrete Anliegen zu beten.

Stephan Holthaus betonte, Christen hätten die Aufgabe, „der Stadt Bestes“ zu suchen. Das sei in einer Demokratie besonders gut möglich. Foto: pro/Jonathan Steinert
Stephan Holthaus betonte, Christen hätten die Aufgabe, „der Stadt Bestes“ zu suchen. Das sei in einer Demokratie besonders gut möglich.

Beim Thema Abtreibung warf der Ethiker der Politik und insbesondere der CDU eine „Kapitulation vor dem Zeitgeist“ vor. Zwar sei Abtreibung strafbar, aber die tatsächliche Handhabe führe in der Bevölkerung zu dem Eindruck, sie sei legal. „100.000 Abtreibungen im Jahr sind eine ethische Katastrophe. Ich kann von einem politischen System, das sich ein christliches Menschenbild auf die Fahne schreibt, erwarten, dass Leben geschützt wird.“

Bei diesem Thema sei es für ihn „nicht nachvollziehbar, dass die CDU nichts dazu zu sagen hat“. Politiker sollten offener darüber sprechen, dass nur ein kleiner Prozentsatz der Abtreibungen wegen problematischer Schwangerschaften durchgeführt werde. Zudem sollte die Politik Initiativen unterstützen, die Frauen bei Konflikten in der Schwangerschaft begleiten. Laschet konterte, dass sein Bundesland genau das tue – und kritisierte seinerseits, dass die Evangelische Kirche hier selbst keine klare Position beziehe.

Entscheidungen können falsch sein

Politik als etwas Demütiges zu betrachten, dafür plädierte Lothar Theodor Lemper, Honorarprofessor für Verfassungstheorie an der Rheinischen Fachhochschule in Köln. „Es geht darum, zu erkennen, dass politische Verantwortung immer in der Begrenztheit unserer Weisheit steht, immer in dem Bezug, dass es einen Höheren gibt – das nenne ich persönlich Gott –, der die Weisheit besitzt, die wir nicht besitzen.“

Deshalb befürworte er auch, dass die Verfassung sich auf Gott bezieht. Auch religiöse Symbole wie das Kreuz in öffentlichen Gebäuden wie Gerichtssälen findet er gut: „Ich bin dafür, dass die Symbole dieses Gottes an den Orten sichtbar werden, wo Verantwortung getragen und Entscheidungen getroffen werden, weil wir immer dem Risiko ausgeliefert sind, einem Irrtum zu unterliegen.“

Der Ethiker Stephan Holthaus, der Verfassungstheoretiker Lothar Theodor Lemper (CDU), der Bundestagsabgeordnete Heinrich Zernik (CDU) und CDU-Vize, Landes- und Landtagsfraktionsvorsitzender in Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet (v.l.) diskutierten über Christsein und Politik Foto: pro/Jonathan Steinert
Der Ethiker Stephan Holthaus, der Verfassungstheoretiker Lothar Theodor Lemper (CDU), der Bundestagsabgeordnete Heinrich Zernik (CDU) und CDU-Vize, Landes- und Landtagsfraktionsvorsitzender in Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet (v.l.) diskutierten über Christsein und Politik

Die Veranstaltung in der Evangelischen Freikirche Köln-Ostheim am vergangenen Freitagabend stand unter dem Thema „Christ & Demokratie – meine Verantwortung für Politik und Gesellschaft“. (pro)

Von: jst

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