Natürlich ist Böhmermann kein Rassist
Darin wird der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan auf übelste Weise diffamiert, wobei sich fast alle Beleidigungen unter der Gürtellinie abspielen. Das Publikum lachte nach jedem noch so infantilen Gag, während Böhmermann sich immer wieder bemühte, zu sagen, dass man jetzt nicht lachen oder klatschen dürfe. Natürlich meinte er das alles nicht ernst, natürlich ist Böhmermann weder Rassist noch der Überzeugung, Erdoğan würde Geschlechtsverkehr mit Ziegen haben. Und doch zog das Gedicht Kreise bis ins Kanzleramt. Angela Merkel sah sich genötigt, in einem Telefonat mit Ministerpräsident Davutoğlu darin übereinzustimmen, dass es sich um einen „bewusst verletzenden“ Text gehandelt habe. Die Staatsanwaltschaft ließ laut Tagesspiegel aufgrund von 20 Anzeigen Ermittlungen einleiten. Manche Medien diskutieren sogar darüber, ob der Straftatbestand der Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes nach Paragraf 103, Strafgesetzbuch, erfüllt sei. Das ZDF löschte den Beitrag aus der Mediathek mit der Begründung, er entspreche nicht den Qualitätsansprüchen des ZDF an Satiresendungen.Erdoğan ist ein Feind der Pressefreiheit
Doch hat Böhmermann mit seinem Beitrag aktiv Schmähkritik betrieben? Oder hat er Schmähkritik lediglich parodiert und zitiert, wie seine Unterstützer meinen? Gegen letztere Position würde sprechen, dass der ZDF-Komiker das Gedicht nicht bloß zitiert, sondern inszeniert hat. Mit Türkeifahne im Rücken und säuselnder Nena-Musik im Hintergrund. Zudem ist es fraglich, ob etwas Verbotenes dadurch weniger verboten wird, wenn man vorher sagt, dass es verboten ist. All das wird von Juristen geklärt werden müssen. Es wäre falsch, diese Diskussionen als Miesepetrigkeit oder Anbiederung an den Despoten und Feind der Pressefreiheit Erdoğan zu werten, zu dessen Staatsverständnis es gehört, unliebsame Journalisten unter Druck zu setzen. Dass all diese Fragen diskutiert werden, ist nicht etwa ein Zeichen der Schwäche Deutschlands im Dialog mit der Türkei, von der die EU in der Flüchtlingsfrage abhängig ist. Denn zur Presse-, Kunst- und Meinungsfreiheit gehören auch deren Grenzen. Diese sind in einer Demokratie aber nicht abhängig vom jeweiligen Herrschenden. Sondern von Recht und Gesetz. (pro)
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