In seinem Buch „Ganz oben, ganz unten“ rechnet Ex-Bundespräsident Christian Wulff mit den Medien ab. Die Verteidigungsschrift trieft vor Selbstmitleid und verletzter Eitelkeit. Ein Kommentar von Moritz Breckner
Christian Wulff und die Medien – hier nach seinem Freispruch im Februar
„Vielen Journalisten ging es nicht um Aufklärung dieses oder jenes Sachverhalts, es ging ihnen darum, mich vorzuführen, mich schwitzen zu sehen, mich lächerlich zu machen“, schreibt Wulff in seinem Buch, in dem er die Umstände, die schließlich zu seinem Rücktritt führten, aufgearbeitet hat. „Ich fühlte mich wie beim Dosenwerfen auf dem Jahrmarkt“, klagt der CDU-Politiker auf 256 Seiten, die am Mittwoch im C.H. Beck-Verlag erschienen sind.
Ins Visier nimmt Wulff in erster Linie die Bild-Zeitung und den Axel Springer-Verlag, zu dem auch die Tageszeitung Die Welt gehört. Auch der Spiegel, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und diverse Fernsehtalkshows hätten sich zu der „raffinierten Inszenierung“, dem „Komplott“ gegen ihn, die Hand gereicht. Schwer lädiert sei er immer wieder auf die Beine gekommen, wenn die Medien „aus allen Rohren gefeuert“ hätten, schreibt Wulff. Allen voran durch die Bild-Zeitung – „aus Gründen, die offenbar in meiner Haltung zum Islam und im persönlichen Ehrgeiz des Chefredakteurs zu suchen waren“ – sei er in ernste Bedrängnis geraten.
Wo Wulff recht hat
Der Deutsche Journalisten-Verband hat die Kritik in Wulffs Buch als übertrieben zurückgewiesen. Von Ausnahmen abgesehen seien die Journalisten in der Affäre Wulff Ungereimtheiten im Zusammenhang mit seiner Amtsführung nachgegangen. Der berühmt-berüchtigte Anruf Wulffs auf der Mailbox von Bild-Chef Kai Diekmann sei als versuchte Einflussnahme auf die Berichterstattung zu bewerten.
Eines muss man Wulff lassen: Er hat recht, wenn er konstatiert, dass die Medien bei ihrer Berichterstattung manchmal unverhältnismäßig und übermäßig dramatisieren, und so in der Lage sind, eine Persönlichkeit regelrecht runterzuschreiben. Und natürlich hat es etwas Abwegiges und beschämend Kleinliches, wenn eine Nation darüber diskutiert, ob ihr Staatsoberhaupt offizielles Briefpapier mit Bundesadler benutzen darf, um sich für ein geschenktes Bobby-Car zu bedanken. Deutschland hat ernstere Probleme und die Öffentlichkeit täte gut daran, entspannter mit „denen da oben“ umzugehen.
Das Problem mit Wulffs Buch und seinem Auftreten ist, dass sich hinter seinem scheinbaren Selbstbewusstsein sehr viel Selbstmitleid verbirgt. Zwar wurde Wulff juristisch von allen Vorwürfen freigesprochen, es wirkt aber dennoch störrisch und säuerlich, wenn er bei der Buchpräsentation in Berlin erklärt, er wäre auch heute noch der richtige Mann im Amt des Bundespräsidenten. Nach allem, was Wulff mit der Öffentlichkeit durchgemacht hat, sollte er wissen, dass solche Töne ihm nicht weiterhelfen. So gewinnt er kaum Sympathien zurück. „Ganz unten“, wie der Buchtitel suggeriert, ist Christian Wulff nebenbei bemerkt nicht angekommen – zu seinem viel diskutierten Ehrensold kommt nun ein Vorschuss vom Verlag dazu, der sich laut Medienberichten auf bis zu 140.000 Euro belaufen dürfte.
Die „Affäre Wulff“ ist eine menschliche Tragödie
Doch selbst sein nach wie vor hochtrabendes Auftreten kann Wulff nicht so recht angelastet werden. In Niedersachsen mag er ein guter Ministerpräsident gewesen sein, wie er sich im Buch selbst bescheinigt. Der Aufstieg und Fall des Christian Wulff zum Bundespräsidenten aber ist die tragische Geschichte eines Mannes, der aus undurchsichtigen Gründen in ein Amt gehoben wurde, mit dem er von Anfang an überfordert war.
Wenn man es gut meint mit Wulff, könnte man sagen: Er wurde ohne sein Zutun ins Schloss Bellevue befördert, und ohne vorsätzliches Verschulden wieder hinausgejagt. Der Mann wusste schlicht nicht, wie ihm geschah. Eigentlich verdient er Mitleid. (pro)
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