Elmar Theveßen: „Setzen Sie uns massiv unter Druck!“
Berichten die Medien ausgewogen und unabhängig? Ja, sagte Elmar Theveßen am Mittwoch auf einer Diskussionsveranstaltung in Gießen. Der ZDF-Mann richtete einen unerwarteten Appell an die Zuschauer.
Von PRO
Foto: pro / Nicolai Franz
Theveßen (rechts) verteidigte auch die Rundfunkgebühr gegen Kritik. Die öffentlich-rechtlichen Beiträge seien wichtig für die Presselandschaft. Links: Matthias Matussek, Tobias Essinger
Gerade den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern wird zunehmend vorgeworfen, in der Flüchtlingsfrage nicht ausgewogen zu berichten. Elmar Theveßen wies solche Vorwürfe am Mittwoch zurück. Als Leiter der ZDF-Hauptredaktion Aktuelles ist er auch zuständig für die heute-Nachrichten. Neben den Journalisten Matthias Matussek, Klaus Kelle, Mirko Drotschmann und dem Direktor der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen, Jürgen Brautmeier, war Theveßen im E-Café, einer Talkshow aus Gießen, zu Gast.
Durchschnittlicher heute-Zuschauer 70 Jahre alt
Die Runde diskutierte darüber, wie unabhängig und ausgewogen die Medien berichten. Es stimme beispielsweise schlicht nicht, dass das Fernsehen keine jungen, männlichen Flüchtlinge zeige, sondern nur Frauen, sagte Theveßen. Das ZDF liefere durchaus hintergründige, auch kritische Berichte zu dieser Thematik, die allerdings geringe Quoten erzielten. Auch den häufigen Vorwurf der Staatsnähe wies Theveßen zurück. Er habe in seiner ganzen Amtszeit nur zwei Anrufe von Politikern bekommen, von denen einer gar in der Folge seinen Posten verloren habe.Laut Theveßen ist der durchschnittliche ZDF-Zuschauer 62 Jahre alt, während das Publikum der heute-Sendungen 70 Jahre alt ist. Der Youtuber Drotschmann, der auch für die ZDF-logo-Nachrichten arbeitet, beklagte, es gebe kaum Nachrichtenangebote für junge Leute. Journalisten sollten nicht mehr die Welterklärer sein, die sie früher einmal waren. Wichtig sei heute, „auf Augenhöhe“ mit dem Zuschauer zu kommunizieren. Drotschmann erreicht mit seiner Youtube-Sendung „Wissen2Go“ weit über 200.000 Abonnenten.
„Vom Saalschutz der Konsensdemokratie nach draußen eskortiert“
Klaus Kelle machte den zunehmenden Medienverdruss daran fest, dass sich viele Menschen mit ihren Meinungen weder in der Politik noch in den Medien repräsentiert sähen. Von den 22 Tatort-Ermittlern gebe es keinen einzigen, der verheiratet sei, während 80 Prozent der Kinder in Deutschland in klassischen Familien lebten: „Manche Menschen fragen sich: Wo komme ich denn überhaupt noch vor?“ Echte Diskussionen würde es kaum noch geben, überall sei Konsens gefragt.
Der ehemalige Welt- und Spiegel-Journalist Matthias Matussek stimmte dem zu und sprach vom „Saalschutz der Konsensdemokratie“ im Zeitalter des Internets, der Menschen mit abweichenden Meinungen nach draußen eskortiere. Matussek selbst wurde kürzlich ein Facebook-Post zum Verhängnis, in dem er die Anschläge in Paris mit der Flüchtlingskrise in Verbindung setzte – und ungeschickterweise mit einem Smiley garnierte. Natürlich habe er damit in keiner Weise Freude über das Leid der Terroropfer ausdrücken wollen. Das lachende Emoticon änderte er wenig später in ein trauriges. Trotzdem kündigte die Tageszeitung Die Welt die Zusammenarbeit mit Matussek. Einen Bericht des Branchendienstes Meedia, wonach Matussek Chefredakteur Jan-Eric Peters und dessen Vize Ulf Poschardt beschimpft haben soll, hatte der Anwalt des Journalisten dementiert.
Für den Direktor der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen, Jürgen Brautmeier, ist auch die zunehmende Geschwindigkeit der Medien schuld am Vertrauensverlust der Menschen. Dadurch bleibe immer weniger Zeit, in der Tiefe zu recherchieren.
Der ZDF-Mann Theveßen attestiert der Bundesrepublik allerdings immer noch eine hervorragende Medienlandschaft, in der Pressefreiheit gewährleistet ist – während diese in Ländern wie Polen und der Türkei zunehmend bedroht ist. Dennoch rief er die Zuschauer dazu auf, im Dialog mit den Medien zu bleiben: „Fordern Sie uns, indem Sie uns massiv unter Druck setzen, kritisieren, uns Ideen liefern und Anregungen, gegen den Strich zu bürsten!“ (pro)
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