Seit mehr als drei Jahrzehnten sind die Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in einem regelmäßigen Austausch. Mit einer gemeinsamen Erklärung zur Predigtgemeinschaft – freikirchliche Pastoren predigen auch in Landeskirchen, Pfarrer der Landeskirchen predigen auch in Freikirchen – wollen EKD und VEF ab September die bestehende Zusammenarbeit zwischen den evangelischen Landes- und Freikirchen in Deutschland vertiefen und sichtbar machen.
„Neu ist eine offizielle Vereinbarung zwischen der EKD und der VEF. Diese ist ein Schritt, den es so in den letzten 30 Jahren bisher nicht gab“, erklärt Marc Brenner, Präses der Evangelischen Freikirche „Gemeinde Gottes“ in Deutschland und VEF-Präsident, auf Anfrage von PRO. Die Initiative zu der Erklärung ist nach Brenners Angaben aus regelmäßigen Treffen zwischen Vertretern der EKD und der VEF heraus entstanden. „Wir haben beschlossen, die Predigtgemeinschaft schriftlich zu fixieren, um der gewachsenen Beziehung Ausdruck zu verleihen.“
Wechselseitiges Vertrauen
EKD und VEF wollen mit der Erklärung, die im September in Berlin unterzeichnet werden soll, die grundlegende Übereinstimmung im Verständnis des Evangeliums gemäß der Leuenberger Konkordie von 1973 bekräftigen. Die Konkordie – auch bekannt als „Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa“, gilt als ein bedeutendes kirchliches Dokument und Meilenstein in der ökumenischen Bewegung unter den protestantischen Kirchen in Europa. Es zielt darauf ab, eine vollständige Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen den verschiedenen protestantischen Konfessionen zu etablieren.
Die Erklärung zwischen EKD und VEF will nun die Praxis der gegenseitigen Einladung zur Predigt zwischen EKD und VEF weiter fördern und unterstreicht das wechselseitige Vertrauen in die Ausbildung und Berufung zum Predigtamt innerhalb der Kirchen. Im Wortlaut heißt es: „Kirchen tragen durch Ausbildung und Berufung zum Predigtamt Sorge dafür, dass das Evangelium rein gepredigt wird. Das ausgesprochene Vertrauen ist damit auch ein grundsätzliches Vertrauen darin, dass Ausbildung und Berufung zum Predigtamt in der jeweils anderen Kirche dem kirchlichen Auftrag der Verkündigung des Evangeliums Jesu Christi angemessen geschehen.“
Die Erklärung zur Predigtgemeinschaft zwischen EKD und VEF könnte durchaus Auswirkungen auf die Ausbildung von theologischem Nachwuchs in beiden Kirchenverbänden haben. Denn sowohl den EKD-Gliedkirchen als auch den Freikirchen geht das theologische Personal aus. Die Studentenzahlen der theologischen Fakultäten an den Universitäten und vieler freikirchlicher Studieneinrichtungen sind seit Jahren rückläufig.
Ausbildungswege vorerst weiter getrennt
Der Frage, ob die Erklärung der gemeinsamen Ausbildung von theologischem Nachwuchs die Bahn ebnen soll, erteilt Brenner eine vorläufige, aber keine endgültige Absage. „Nein, das ist jetzt nicht die direkte Intention“, erklärt Brenner. „Aber es könnte eine zukünftige mögliche Entwicklung sein.“ Durch die mangelnden Bewerber auf Pfarr- und Pastorenstellen gebe es „zunehmenden Druck, auch über neue Formen der Zusammenarbeit nachzudenken“. Brenner: „Ich würde sagen, die VEF und die ihr angeschlossenen Ausbildungsstätten sind da zu vielem bereit. Aber wie sich dieser Weg zukünftig gestaltet, das kann ich nicht sagen.“
Die Erklärung zwischen EKD und VEF könnte also durchaus dazu beitragen, dass die Ausbildungen der jeweiligen Kirchen um Inhalte erweitert werden, die die theologischen Perspektiven und Praktiken der jeweils anderen Kirchenverbände stärker berücksichtigen. Dies würde den zukünftigen Geistlichen helfen, ein tieferes Verständnis und Wertschätzung für die Unterschiede und Gemeinsamkeiten innerhalb des evangelischen Spektrums und ökumenische Sensibilisierung zu entwickeln sowie direkte Einblicke in jeweils andere Gottesdienststile und Gemeindearbeit zu erhalten.
Bedeutet das, dass ein landeskirchlicher Pfarrer in naher Zukunft FeG-Pastor werden könnte? Oder ein freikirchlicher Pastor auch Pfarrer einer Ortsgemeinde der evangelischen Landeskirche? „Das ist natürlich den jeweiligen Kirchen überlassen, wie sie die Zulassungen und Wege gestalten. Da hat die VEF keinen Einfluss“, stellt Brenner klar.
Unterschiedliche Traditionen respektieren
Soweit ist es noch nicht. Die Erklärung schreibt die Gastpredigten als etabliert fest und ruft dazu auf, diese Praxis auszuweiten. Doch wie soll man mit theologischen Differenzen umgehen? Die Erklärung hält sich in dieser Frage weitgehend bedeckt. „Sie betont den respektvollen und sensiblen Umgang miteinander. Es geht darum, Gemeinsamkeiten zu betonen und Unterschiede respektvoll zu behandeln“, erklärt Brenner, der weiter auführt: „Es ist wichtig, dass alle Beteiligten sich ihrer unterschiedlichen Traditionen bewusst sind und diese respektieren. Konflikte entstehen, wenn diese Unterschiede missachtet werden.“
Seinen Angaben zufolge will die EKD mittels einer Studie die Auswirkungen und Erfahrungen mit der Kanzelgemeinschaft analysieren. Brenner kann sich gut vorstellen, dass der eingeschlagene Weg einmal zu einer vollständigen Kirchengemeinschaft einzelner VEF-Kirchen mit der EKD führt, einschließlich Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft. Er könne hier jedoch nicht für die einzelnen Kirchen sprechen. „Dazu müssen wir weiterhin gemeinsam auf Vertrauen bauen und unsere Zusammenarbeit vertiefen.“ Der nächste logische Schritt wäre die Einbeziehung der Abendmahlsgemeinschaft.