Die Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD hat im Positionspapier „Nichtinvasive Pränataldiagnostik“ einen evangelischen „Beitrag zur ethischen Urteilsbildung und zur politischen Gestaltung“ geliefert. Der Vorsitzende der Kammer, der Theologieprofessor Reiner Anselm, und Martin Dutzmann, Bevollmächtigter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, erläuterten die Thesen der EKD am Freitag in einem Pressegespräch.
Anlass für die Stellungnahme ist ein laufendes Methodenbewertungsverfahren. Aktuell gibt es Bluttests, mit deren Hilfe Trisomien erkannt werden können. Die EKD möchte dieses Thema gesellschaftlich verankern. Dies bedeutet aus EKD-Sicht auch, dass die Form der Pränataldiagnostik künftig in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen wird.
Umfassende ethische und psychosoziale Beratung
„Die Materie ist kompliziert und sensibel. Die Beratung der Schwangeren und ihrer Partner muss gestärkt werden, damit sie eine verantwortete Entscheidung treffen können“, erläuterte Anselm. Das Angebot einer umfassenden ethischen und psychosozialen Beratung soll Bestandteil der gemeinschaftlich finanzierten Mutterschaftsvorsorge werden. Schwangere könnten so eine eigenständige, abgewogene Entscheidung treffen, die unabhängig von finanziellen Erwägungen oder medizinischen Risiken ist.
„Wir wollen Ängste nehmen, Schwangere unterstützen und so gemeinsam mit ihnen das gesellschaftliche Klima verbessern. Dabei soll der jeweilige Einzelfall in den Blick genommen werden“, wünscht sich Anselm. Die Kosten einer solchen Beratung, die die besondere Verantwortung der Gesellschaft für den Lebensschutz zum Ausdruck bringen soll, seien ebenfalls von der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen.
Dem Kampf des Marktes entziehen
Wenn die gesetzliche Krankenkasse für den Test aufkomme, würde er der Logik und dem Kampf des Marktes entzogen und von der Allgemeinheit finanziert. Die Sorgen der Eltern würden dann nicht kommerziell ausgenutzt. Frauen, die eine Pränataldiagnostik durchführen lassen wollen, sollen nicht länger auf Fruchtwasseruntersuchungen angewiesen sein, die nicht selten zu medizinischen Komplikationen führen und das Leben des Fötus gefährden. Die EKD hofft, dass werdende Eltern im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen früh auf die Möglichkeit einer ethischen Beratung hingewiesen werden.
Auf diese Weise sollen Schwangere die Möglichkeit erhalten, sich unabhängig von der gynäkologischen Betreuung über die Konsequenzen einer solchen Diagnostik klar zu werden, Ängste und Sorgen zu äußern, von Unterstützungsmaßnahmen zu erfahren und eine abgewogene Entscheidung zu treffen, heißt es in der Pressemitteilung der EKD.
Für die EKD-Kammer sei Pränataldiagnostik keine erlaubte oder gar sozial erwünschte Praxis, um die Geburt von Kindern mit bestimmten Merkmalen oder Trisomien zu verhindern. Indem es in das Solidarsystem der Gesetzlichen Krankenkassen eingebettet ist, könnten die werdenden Eltern diese diagnostische Maßnahme in Anspruch nehmen. „Wir möchten den betroffenen Schwangeren die Möglichkeit geben, dass sie eine informierte, verantwortliche und für ihre jeweilige Situation angemessene Entscheidung treffen können. Verantwortlich bedeutet dabei, auch die gesellschaftlichen Auswirkungen, insbesondere für geborene Menschen mit Behinderungen mitzubedenken“, betont Reiner Anselm.
Ökumenische Differenzen aushalten
In dem Pressegespräch verdeutlichten Dutzmann und Anselm, dass für solch ein Angebot die etablierten Beratungsstellen zur Verfügung stehen könnten. Natürlich seien dafür Ressourcen und Fortbildungen notwendig. „Im Optimalfall erfahren sie sehr früh durch den Arzt von diesem Angebot, damit kein unnötiger Zeitdruck entsteht“, machte Dutzmann deutlich. Das Thema gehöre in die Wartezimmer der Fachärzte. In Berlin selbst finde dazu am 29. November um 19 Uhr ein Parlamentarischer Abend statt. Zudem sollten weitere Formate für Fachleute und Fachärzte entwickelt werden. Auch die ökumenischen Differenzen zur Auffassung der katholischen Kirche gelte es auszuhalten.
Die EKD begrüße zudem, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), der über die Aufnahme der Nichtinvasiven Pränataldiagnostik in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen entscheiden wird, zu einem gesellschaftlichen Diskurs über diese Frage aufgerufen hat und sieht diese Empfehlung als ihren Beitrag zu diesem Diskurs.
Von: Johannes Blöcher-Weil