Kommentar

Einheit in Deutschland – und in Korea?

In Südkorea beten Christen regelmäßig für eine Wiedervereinigung mit Nordkorea. Das wirkt absurd. Auch in Deutschland schien eine Einheit bis kurz vor dem Mauerfall unmöglich. Aber Gott hat die Tür der Geschichte geöffnet.
Von Nicolai Franz
Grenze Nord- und Südkorea

Als Christ glaube ich daran, dass Gott in der Geschichte handelt. Natürlich kann man auch meinen, dass Ereignisse wie der Mauerfall 1989 und die Wiedervereinigung 1990 – unblutig, unerwartet, aber umbetet – pure Zufälle waren. Dafür braucht man aber auch einen großen Glauben.

Der damalige Kanzler Helmut Kohl meinte später, die Tür der Geschichte habe sich für einen Moment geöffnet. Ich glaube, dass Gott sie geöffnet hat. Auch wenn es mutige Bürger und Politiker brauchte, die durch diese offene Tür gegangen sind.

34 Jahre nach der Wiedervereinigung haben wir uns längst an das gemeinsame Deutschland gewöhnt, bei allen bleibenden Unterschieden. Den Menschen auf der koreanischen Halbinsel geht es ganz anders, wie ich vergangene Woche in Seoul erlebt habe.

Auf dem vierten Missions-Kongress der Lausanner Bewegung spielte immer wieder auch die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Kirche in Korea eine Rolle. Es wurde deutlich: Die Kluft zwischen dem freien Süden und der kommunistischen Diktatur im Norden könnte größer kaum sein, eine Wiedervereinigung wirkt wie Spinnerei.

Aber es bräuchte keinen Glauben für einen Wunsch, der leicht zu erfüllen wäre. Und so spielte auch das Thema Wiedervereinigung eine Rolle in der südkoreanischen Hauptstadt. Während des Kongresses gab es ein 24/7-Gebet für die Veranstaltung außerhalb des Kongressgeländes, an dem im Schnitt 500 Personen teilnahmen. Am vergangenen Freitag nahmen auch Mitglieder der deutschen Lausanne-Delegation teil, um als Deutsche mit den Koreanern für die Wiedervereinigung zu beten. Am Samstag gab es ein Treffen mit lokalen Gebetsgruppen, die für die koreanische Einheit beten. Man habe sogar gemeinsam „Von guten Mächten“ auf Koreanisch gesungen, wie Bernd Oettinghaus berichtet, der den „Runden Tisch Gebet“ der Lausanner Bewegung in Deutschland leitet.

In der demilitarisierten Zone am 38. Breitengrad, also dem streng gesicherten Grenzgebiet zwischen Nord- und Südkorea, treffen sich wöchentlich Gruppen, um für die Einheit zu beten – und zwar immer montags, wie auch bei den Montagsbeten in der DDR.

Wie in unserem Land ist die Bevölkerung alles andere als einig darüber, ob sie eine Wiedervereinigung überhaupt will. Auch in der Kirche. Doch was, wenn Gott in Südkorea die Tür der Geschichte einen Moment lang öffnet? Ich wünsche mir, dass unsere Geschwister in diesem Land ebenfalls den Mut haben, hindurchzugehen. Trotz aller Schwierigkeiten.

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