Eine Stimme in der Wüste

Immer weniger Menschen in Deutschland können etwas mit dem christlichen Glauben anfangen. Dass Jesus Gottes Sohn ist, glauben noch 28 Prozent, zeigt eine repräsentative Studie im Auftrag von PRO.
Von Jonathan Steinert
Wüste

Wenn die christlich-kirchliche Landschaft in Deutschland eine Vegetationszone wäre, dürfte es nur noch eine Frage weniger Jahre zu sein, bis hier wüstenähnliche Zustände herrschen. Der Trend geht in eine eindeutige Richtung: Christlicher Glaube ist nicht mehr angesagt. Für eine Organisation wie die Christliche Medieninitiative pro, die sich zum Ziel gesetzt hat, das Evangelium in den Medien und in einer von Medien geprägten Öffentlichkeit zu fördern, eine Steilvorlage. Als die Organisation als „Konferenz evangelikaler Publizisten“, kurz KEP, 1975 gegründet wurde, waren in der Bundesrepublik noch 88 Prozent der Bevölkerung Mitglied der Kirche. Heute sind es ziemlich genau halb so viele. Es wird nicht noch einmal 50 Jahre dauern, um den Wert erneut zu halbieren.

Im Februar hat das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag von PRO 1.321 Menschen in Deutschland gefragt, woran sie glauben und welche Rollen Medien dabei spielen. Die Studie ist repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 16 Jahren. 28 Prozent der Deutschen glauben, dass Jesus Christus Gottes Sohn ist. Dass Gott die Welt geschaffen hat, sagt insgesamt noch etwa jeder Vierte, andere Punkte wie die Dreieinigkeit, die Auferstehung der Toten und das Jüngste Gericht finden jeweils bei weniger als 20 Prozent Zustimmung. Vor allem die Aussagen über Jesus und den Schöpfer haben in den vergangenen Jahren drastisch an Boden verloren: etwa 20 Prozentpunkte in 20 Jahren. Selbst bei Kirchenmitgliedern sind christliche Kerninhalte nicht mehr mehrheitsfähig. Von den Protestanten sagen gut 43 Prozent, dass Jesus Gottes Sohn ist, bei den Katholiken immerhin noch jeder Zweite.

Mit unspezifischeren Inhalten wie „einer überirdischen Macht“ oder „Gott“ können mehr Menschen etwas anfangen, wenngleich auch sie weniger werden. An die Stelle christlicher Inhalte ist die „Kraft der Natur“ getreten, an die mehr als zwei Drittel der Bevölkerung glauben. Allerdings bezeichnet sich nur ein Drittel selbst als religiös. Auch dieser Wert lag vor 20 Jahren um ebensoviele Prozentpunkte höher. Das bedeutet: Innerhalb der vergangenen zwei Jahrzehnte hat sich der Rückzugstrend des Christlichen dramatisch beschleunigt.

Positives, aber blasses Image

Auch das Image des Christentums wird schwächer. Die Menschen verbinden es nach wie vor zu einem bedeutenden Teil mit positiven Werten wie Nächstenliebe (59 Prozent), Wohltätigkeit (52 Prozent) oder Vergebung (50 Prozent). In der Summe überwiegen die negativen Einschätzungen, die das Christentum mit Missbrauch (50 Prozent) oder starrem Festhalten an althergebrachten Glaubenssätzen (51 Prozent) verbinden.

Doch die positiven Zuschreibungen haben in den vergangenen Jahren stetig abgenommen, während die negativen leicht gestiegen sind. Thomas Petersen vom Allensbacher Institut kennt dieses Muster aus der Marktforschung: „Es ist, als ob sich ein Grauschleier über die Marke legt. Sie verblasst. Die Menschen haben eine schwächere Vorstellung davon, was Christentum bedeutet.“

Abgenommen hat die Einschätzung, dass Christen mit missionarischem Eifer auftreten. Für Petersen ein möglicher Hinweis darauf, dass Christen öffentlich in der Defensive sind und auch an Selbstbewusstsein verloren haben. Etwa jeder fünfte Befragte, der sich selbst als religiös einschätzt, behält das lieber für sich. Zwar geht eine große Mehrheit von ihnen offen damit um, aber sie sind bei dem Thema deutlich zurückhaltender als nichtreligiöse Menschen in Bezug auf ihre Nichtreligiösität – obwohl nur sehr wenige Religiöse schlechte Erfahrungen mit ihrem Bekenntnis gemacht haben.

Auffällig ist, dass der christliche Glaube heute sehr viel stärker als vor zwei Jahrzehnten mit der Benachteiligung von Frauen in Verbindung gebracht wird. Auch halten mehr Menschen das Christliche jetzt stärker für konservativ und rückwärtsgewandt. Dass Frauen in der katholischen Kirche nicht die Priesterweihe empfangen dürfen, dürfte dazu beitragen. Ebenso schlägt sich offenbar die hohe Bedeutung nieder, die etwa die Gleichstellung der Geschlechter und vielfältigere Lebensmodelle im gesellschaftlichen und medialen Diskurs haben.

Religion spielt in Medien kaum eine Rolle

Wie stark Medien das Bild des Christentums prägen, lässt sich anhand der Daten nicht sagen. Analysen der Medieninhalte zeigen, dass Journalisten religiöse und kirchliche Themen vor allem zu bestimmten Anlässen aufgreifen. Etwa wenn es besondere Trauergottesdienste nach einem Unglück gibt oder neue Mitgliederstatistiken vorgestellt werden, erklärt Matthias Vollbracht vom Analyseinstitut „Media Tenor“.

Besonders häufig wurde in den vergangenen Jahren dann berichtet, wenn es schlechte Nachrichten gab: über den Islam etwa im Zusammenhang mit Terrorismus und über die katholische Kirche rund ums Thema Missbrauch. Wobei sich das Medienimage der beiden Kirchen im vorigen Jahr auf einem insgesamt ausgewogenen Niveau eingependelt hat.

Im Jahresdurchschnitt ist der Anteil von Religion und Kirche an der Gesamtberichterstattung der großen bundesweiten Nachrichtenmedien allerdings so klein, dass diese Themen die „Wahrnehmungsschwelle“ nicht überschreiten – mit abnehmender Tendenz, wie die Daten zeigen. Daher dürften Medien einen begrenzten Einfluss darauf haben, wie die Menschen über Kirche und Glauben denken. Insofern tragen Medien eher dazu bei, dass die Wahrnehmung des Christlichen verblasst, indem es kaum Beachtung findet. Der abnehmende Stellenwert, den der Glaube in der Gesellschaft hat, spiegelt sich in der geringen medialen Aufmerksamkeit wider.

Interessant aus Sicht der Christlichen Medieninitiative pro: Immerhin sagt dennoch fast jeder Dritte, dass ihm in den Medien zumindest gelegentlich Beiträge begegnen, die sich mit Fragen nach Sinn und Glauben beschäftigen. In Verkaufszeitungen wie der „Bild“ häufiger als im privaten Rundfunk oder in sozialen Medien. Doch diese Unterschiede sind gering. Nur die Plattform „X“, vormals „Twitter“, schneidet in Bezug auf solche Inhalte schlechter ab. Von denen, die solche Themen wahrnehmen, sagt jedoch nur jeder Vierte, dass er sich auch dafür interessiert.

Können die Befragten aus einigen fiktiven Schlagzeilen auswählen, welchen Beitrag sie lesen oder anschauen würden, landen jene mit christlichem Bezug auf den hintersten Plätzen. Am besten schneidet noch das Thema ab: „Welche Zukunft haben die christlichen Kirchen?“ Das würde jeden Fünften interessieren. Auffällig ist demgegnüber der Befund: Wenn sich aber Prominente in den Medien zu ihrem Glauben bekennen, finden das 40 Prozent sympathisch.

Schaut man sich genauer an, wer für diese Themen offen ist und wem sie in den Medien begegnen, so sind es vor allem diejenigen, die sich selbst als religiös einschätzen oder einer Konfession angehören – und ältere Menschen eher als jüngere. Es braucht also ein gewisses Interesse an Themen rund um Glaube und Religion, um Medieninhalte dazu wahrzunehmen. Wer sich dafür nicht interessiert, wird sie eher übersehen. Doch wer sucht, wird durchaus fündig.

Die christliche Tradition bricht ab

Der christliche Glaube ist auf dem Rückzug. Das zeigt auch der Blick darauf, wie die verschiedenen Altersgruppen sich dazu äußern. Den unter 30-jährigen begegnen weniger Inhalte, die mit Sinn- und Glaubensfragen zu tun haben, und sie interessieren sich auch weniger dafür. Diese Altersgruppe findet es am ehesten befremdlich, wenn sich Prominente in den Medien zu ihrem Glauben bekennen. Sie bezeichnen sich selber häufiger als andere als nicht religiös, wobei der Anteil an überzeugten Atheisten in der nächsthöheren Altersgruppe am größten ist.

Tendenziell interessieren sich die Menschen mit zunehmendem Alter mehr für Glaubensthemen in den Medien, sind selbst religiöser und gehen auch offener damit um. Allein aus diesen Daten lässt sich nicht ableiten, ob das auf das Lebensalter zurückzuführen ist und Menschen im Alter generell religiöser sind, oder ob es Kennzeichen der verschiedenen Generationen sind. Für das zweite spricht: Bei Glaubensinhalten, die nicht eindeutig christlich sind (etwa „eine überirdische Macht“) oder damit gar nichts zu tun haben (wie „die Kraft der Natur“), unterscheiden sich unter 30-Jährige nicht von anderen Altersgruppen.

Eindeutig christlichen Inhalten stimmen aber weniger junge Menschen zu als im Durchschnitt. Das dürfte in hohem Maße etwas damit zu tun haben, ob der Glaube und christliche Traditionen in der Familie weitergegeben und vermittelt werden oder ob Eltern es fördern, dass Kinder etwa in den Kindergottesdienst gehen. Bereits seit einigen Jahren beobachten Forscher einen Traditionsabbruch. Die demographische Entwicklung, dass die religiösen Älteren irgendwann sterben, und der Trend, dass der Glaube nicht mehr an die nachfolgende Generation weitergegeben wird, wird die Entchristlichung der Gesellschaft beschleunigen.

Die Wüste lebt

Thomas Petersen vom Allensbacher Institut sieht in den Trends einen Zeitgeist am Wirken, der dem christlichen Glauben gegenüber immer gleichgültiger wird. Denn er vollzieht sich quer durch die gesamte Gesellschaft. Anders, als es viele Christen selbst wahrnehmen, sind es weniger direkte Angriffe, die das Christentum hierzulande schwächen. Es sei eher eine „Aushöhlung von innen“, wie Petersen sagt.

„Gerade den großen Kirchen gelingt es nicht, überzeugend zu vermitteln, wozu der Glaube an Jesus Christus heute noch gut sein soll“, sagt Christoph Irion, Geschäftsführer der Christlichen Medieninitaitive pro. „Zugespitzt formuliert: Christen sind mitverantwortlich dafür, dass ihr Glaube immer weniger wahrgenommen wird.“

Oder um das Bild der Wüste noch einmal aufzugreifen: Die christlich-kirchliche Landschaft in Deutschland wie auch in anderen westlichen Ländern erlebt eine Versteppung, sie entwickelt sich Richtung Wüste.

Aber auch in einer Wüste gibt es Leben. Und in Oasen finden Menschen und Tiere überlebenswichtige Zuflucht, wo ringsum nur trockenes Land ist. Der Prophet Jesaja weist im Alten Testament darauf hin, dass Gott, der Herr, durch die Wüste kommt. Jesaja weiß von einer Stimme, die ruft: „Bahnt in der Wüste einen Weg für den Herrn! Ebnet unserem Gott in der Steppe eine Straße!“ (Jesaja 40,2). Später sagt der Wüstenprediger Johannes, der Täufer, dass er diese Stimme ist. Er ruft die Menschen dazu auf, sich für die Ankunft von Jesus, dem Gottessohn, bereit zu machen. In der Wüste wird Jesus versucht, getauft und von Gott als sein Sohn bestätigt.

Christen müssen vor der Wüste nicht resignieren. Gerade dort haben sie einen wichtigen Platz. Die Christliche Medieninitiative pro wird auch in Zukunft Christen unterstützen, eine Stimme in der Wüste zu sein. Sie will dazu beitragen, dass das Evangelium in den Medien immer wieder neu hörbar wird und Menschen erfahren, wo sie in den Wüsten ihres Lebens und den Verwüstungen dieser Zeit Oasen für ihre Seele finden. Getragen von dem festen Glauben, dass Jesus durch die Wüste kommt und sie zum Blühen bringen kann – und wird.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Ausgabe 2/2025 des Christlichen Medienmagazins PRO. Hier können Sie das Heft kostenlos bestellen oder online lesen.

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