Echte Integration kann nur gelingen, wenn Deutschland Parallelgesellschaften vermeidet. Diese These hat die Soziologin Necla Kelek in einem Online-Vortrag der Friedrich-Naumann-Stiftung vertreten. Darin nahm sie Bezug auf ihr 2019 erschienenes Buch „Die unheilige Familie. Wie die islamische Tradition Frauen und Kinder entrechtet“. Aus ihrer Sicht bleibe zu sehr verborgen, was mit Frauen und Kindern in der islamischen Gemeinschaft passiert.
Zunächst verdeutlichte die Soziologin anhand einiger Beispiele aus ihrem Buch, auf welche Weise Frauen unterdrückt würden. Eine von ihnen habe erst nach Todesdrohungen gegen die eigene Familie der Heirat mit ihrem Cousin zugestimmt: „Viele Frauen schaffen es nicht, sich vom Druck der Familie zu lösen, weil sich die Unterdrückung über Jahrhunderte verfestigt hat“, sagte Kelec. „Deswegen müssen wir uns einmischen, wenn es um die Rechte von Kindern und Frauen geht.“
„Regelmäßige Untersuchungen und ein eigenes Konto“
Die Autorin bezeichnete Familie als Kernzelle einer freien und emanzipierten Gesellschaft. Nicht funktionierende Familien würde von staatlicher Stellen unterstützt. Kelek fragte, ob dieser Schutz der Familie auch gelte, „wenn Familie nicht Familie ist“. Sie engagiere sich dafür, die Rechte von Frauen in muslimischen Ländern zu verbessern. Zu dieser Agenda gehöre es, Zwangsehen zu verbieten. Auch Kinderehen dürften unter keinen Umständen zustandekommen.
Um Genitalverstümmelungen zu vermeiden, seien regelmäßige ärztliche Untersuchungen notwendig. Geflüchtete Frauen bräuchten zudem einen eigenen Aufenthaltsstatus und – „ganz banal“ – ein eigenes Konto, auf dem sie Teile des Kindergeldes gleichberechtigt erhielten. Darüber hinaus wünschte sie sich einen gesetzlichen Rahmen dafür, dass Kinder bis zum 18. Lebensjahr Schulen und öffentliche Einrichtungen nur ohne Kopftuch betreten dürfen.
Junge Menschen sollten selbst herausfinden, dass es Alternativen zu ihrem Status gebe. Mit ihren Büchern wolle sie sich in die Debatte einmischen, Schwierigkeiten bei der Integration thematisieren und helfen, ernsthafte Lösungen zu finden: „Die Integrationschancen haben sich nicht verbessert. Eine Integration in die westliche Welt und Reformen des Familienbildes finden nicht statt. Davor habe ich Angst.“
Keine Unterschiede machen bei dysfunktionalen Familien
Menschen hätten kein Recht dazu, über Leben und Tod ihrer Familienmitglieder zu entscheiden. Der jungen Generation machte sie wenig Vorwürfe: „Wie soll ein junger Muslim in Frage stellen, ob sein Verhalten richtig oder falsch ist, wenn er es gar nicht anders kennt.“ Die Gesellschaft müsse sich um die Familien kümmern, damit die Väter merkten, dass ihr Verhalten nicht in Ordnung sei: „Der Staat darf keine ethnischen und kulturellen Unterschiede machen bei dysfunktionalen Familien.“
Kelek wünschte sich eine ehrliche Analyse der bestehenden Strukturen: „Wo es nötig ist, müssen wir uns einmischen. Sonst wird es nicht besser. Multikulturalität muss nicht nur eine Bereicherung sein, wenn man alles so laufen lässt. Wir müssen das weiterhin kritisch beobachten.“ Die Muslime müssten bereit sein, den eigenen Status zu reflektieren.
Die Politik müsse sich bei diesen Themen rigider einmischen, „sonst verlieren wir wieder eine Generation an Menschen“. Die Alternative für Deutschland (AfD) sei gewachsen, weil sie diese Themen besetzt habe. Die übrigen Parteien seien oft damit beschäftigt, das abzulehnen, was die AfD beantragt habe. Politik müsse deutlich machen, dass das Gesetz keinen Raum für Mehrehen gibt und Menschenrechtsverletzungen klar benennen.
„Der Islam muss sich reformieren, aber die Tradition wird von Imamen und Rechtsgelehrten unterstützt.“ Zu der Online-Veranstaltung hatte die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung eingeladen. Moderiert wurde sie von dem Journalisten Michael Krons.
Von: Johannes Blöcher-Weil