Herausforderungen begleiten Friederike Fliedner seit ihrer Geburt. Sie kommt im mittelhessischen Braunfels zur Welt und muss als ältestes Kind von sieben Kindern früh Verantwortung übernehmen. Als Erwachsene sorgt Fliedner gemeinsam mit ihrem Mann Theodor dafür, dass vor gut 200 Jahren ledige mit verheirateten Frauen gleichgestellt wurden. Beide wurden zur Pionieren der Diakonie.
Als Jugendliche lebte Fliedner in der kindlichen Hoffnung, dass Gott Unheil an ihr vorüberziehen lässt, wenn sie ihm gegenüber immer gehorsam ist und betet. Das tut sie zwar, aber es kommt anders. Schwere Zeiten und persönliche Rückschläge bleiben nicht aus. Das beschreibt Brigitte Liebelt so eindringlich, dass man sich mitten im Geschehen fühlt und vieles unter die Haut geht.
Tätige Nächstenliebe wird zum Lebensentwurf
Als sie mit 16 Jahren eine Ausbildung zur Krankenpflegerin beginnt, stirbt die Mutter an Typhus. Die junge Dame hat keine andere Wahl. Sie muss ab dann den Haushalt führen und Vater, Großmutter und die Geschwister versorgen. Emotionen sind da fehl am Platz. Doch die tätige Nächstenliebe wird zum Programm, ja schon fast zu ihrem Lebensentwurf.
Theologisch wird sie durch die Erweckungs-Bewegung geprägt und begeistert. Diese hat für ihr weiteres Leben und ihre Pläne einen deutlich größeren Einfluss als die „Herbheit sittenstrenger reformierter Kirchlichkeit“, die sie als Kind erlebte. Der Glaube hilft ihr, an den Schwierigkeiten des Lebens nicht zu zerbrechen. Die sind vielfältig: finanzielle Engpässe in der Familie, innere Nöte, eigenes Versagen und schließlich eine lebensbedrohliche Krankheit.
Die erste Liebe gehört Gott
1823 lernte sie den Pastor Theodor Fliedner kennen, den sie fünf Jahre später heiratet. Er ist Gründer und Sekretär der Rheinisch-Westphälischen Gefängnisgesellschaft. Bereits in seinem schriftlichen Heiratsantrag macht er seiner zukünftigen Frau deutlich, dass seine „erste Liebe dem Herrn“ gehöre. Dafür schont er sich nicht. Und das soll auch für seine Frau gelten.
Bei einer Reise zu den Mennoniten entdeckt Theodor Fliedner, dass es dort noch Diakonissen gibt. Vom Ort seiner Pfarrstelle in Kaiserswerth entwickeln er und seine Frau die Idee des Diakonissen-Mutterhauses. Friederike wird Ausbilderin der Diakonissen. Schon bald übernimmt sie Verantwortung als Vorsteherin.
Dieses Amt fordert sie auch zwischenmenschlich heraus. Darüber hinaus muss sie noch den familiären Alltag bewältigen. Und der ist hart. Friederike Fliedner bringt elf Kinder zur Welt, von denen aber nur drei das Erwachsenenalter erreichen. Trotz etlicher, emotional belastender Tot- und Fehlgeburten strotzt sie vor Tatendrang und Aktivitäten, um ihre Ideen voranzubringen. Die Autorin Liebelt beschreibt die „Mutter der Diakonie“ als Frau, die in allen Lebensphasen ihre eigene Meinung offen und energisch vertritt. Und skizziert eine Frau, der die guten Kontakte zu anderen Frauen ein Herzensanliegen waren. Die Diakonissen waren für Fliedner Dienerinnen Jesu, der Kranken und untereinander: egal, an welchen Orten sie eingesetzt wurden.
Elend der Umwelt im Blick
Bei allen eigenen Herausforderungen und eng getakteten Abläufen hat Friederike Fliedner immer noch das Elend ihrer Umwelt im Blick. Das sind mal die aus der Haft entlassene Frauen, die wieder in der Gesellschaft Fuß fassen wollen, ein anderes Mal die Verbesserung der schulischen Bildung von Kleinkindern.
Nicht nur im zwischenmenschlichen Bereich, auch finanziell stoßen die Fliedners mit der wachsenden Arbeit an ihre Grenzen. Gleichzeitig erleben sie Wunder und erfahren, wie Gott in ausweglosen Situationen für sie sorgt.
Brigitte Liebelt: „Im Dienst der Hoffnung“, 352 Seiten, Gerth Medien, 20 Euro, ISBN 9783957349170
Das Ehepaar Fliedner – mit seinen Mitarbeitern – konnte in den Einrichtungen viel menschliches Elend lindern. Aber das Leben als Vorsteherin war auch mit persönlichen Enttäuschungen und Niederlagen verbunden – auch davon erzählt das Buch. Bereits kurz nachdem Theodor wieder eines seiner Kinder beerdigen muss – es ist einer dieser Gänsehaut-Momente des Buches – fehlt auch Friederike Fliedner ihre Lebenskraft.
Ihr Körper machte nicht mehr mit. Friederike Fliedner starb bei der Geburt des letzten Kindes im Jahr 1842. Aus den anfänglichen Ideen von Theodor und Friederike Fliedner ist die Kaiserswerther Diakonie entstanden. Mit mehr als 2.500 Beschäftigten zählt sie heute zu den großen diakonischen Einrichtungen Deutschlands. Auch zahlreiche Pflegeeinrichtungen tragen den Namen einer Frau, die im Dienst der Hoffnung unterwegs war und die vermittelt hat, in allen ihren Situationen, so schwer sie auch waren, Gott dankbar zu sein. Um deren Geschichte bekannt zu machen ist das Buch ein wertvoller Beitrag.
2 Antworten
„Als Jugendliche lebte Fliedner in der kindlichen Hoffnung, dass Gott Unheil an ihr vorüberziehen lässt, wenn sie ihm gegenüber immer gehorsam ist und betet. Das tut sie zwar, aber es kommt anders.“
Dann hat sie wohl nicht genug gebetet sonst hätte sie Gott doch erhört.
Unser Plan muß nicht Gottes Plan sein aber wir sind seine Geschöpfe.
So kann ein Töpfer mit seinen Geschöpfen machen wie er will,
nämlich nicht unser Wille geschehe sondern Gottes.
So stehts zumindest im „Vater Unser“ (Mt.6, 9- 13)