„Ein Wunder wär jetzt nicht schlecht“

Schriftsteller Gideon Böss verarbeitet die Bibel in einem Roman. Jede Woche gibt es eine neue Folge. PRO hat er verraten, was ihn dazu antreibt.
Von Swanhild Brenneke

PRO: Sie schreiben die Bibel als Fortsetzungsroman unter dem Titel „Ein Wunder wär‘ jetzt nicht schlecht“. Wie kamen Sie auf die Idee und wie lange machen Sie das schon?

Gideon Böss: Ich hatte mit „Deutschland, Deine Götter“ schon ein Buch über die religiöse Vielfalt im Land veröffentlicht und folgte damals dem Ziel, dass es kurzweilig zu lesen sein sollte. Dieser Zugang zum Thema kam sowohl bei religiösen wie nichtreligiösen Lesern gut an. Das Bibelprojekt verfolge ich jetzt schon seit Juli 2021 und es wird mich noch eine ganze Weile begleiten – aktuelle stecke ich gerade tief im babylonischen Exil fest.

Wie gehen Sie beim Schreiben vor, also woher kommt Ihre Inspiration, wie Sie das entsprechende Kapitel aufbereiten?

Ich lese mir das Kapitel durch und mache mir Notizen zu den Dingen, die ich erwähnenswert finde. Und dann fasse ich die Ereignisse in meinen Worten zusammen, wobei ich womöglich manchen Ereignissen mehr Aufmerksamkeit schenke, als es in der Bibel der Fall ist und umgekehrt. Dass Gott beispielsweise so große Erwartungen in Noah hat, nur damit er ihn nach der Sintflut als erstes betrunken und nackt auf dem Boden findet, ist doch tragisch komisch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott da nicht einen Moment zweifelte, ob er wirklich auf den richtigen Mann gesetzt hat. Oder wenn Moses die Juden aus Ägypten führt, nur damit schon kurz darauf die ersten Klagen laut werden, dass es in Ägypten doch gar nicht so schlimm war. Wie fühlt man sich, wenn man sich denkt: Habt ihr eine Ahnung, was ich alles durchgemacht habe, damit wir gehen konnten?

„Wäre die Bibel ein normales Buch, würde ich sagen: Es hätte nicht geschadet, wenn ein guter Lektor da und dort ein wenig gekürzt hätte.“

Inwiefern halten Sie sich genau an die biblische Grundlage und inwiefern ist Ihr Text „freier“ gestaltet? 

Ich halte mich an das, was in der Bibel steht. Frei ist nur, dass ich womöglich andere Schwerpunkte setze. Aber wer meine Beiträge liest, verfolgt die gleichen Ereignisse, die auch in der Bibel selbst stehen. 

Halten Sie sich bei den Kapiteln auch an die entsprechenden Bibelkapitel oder gestalten Sie die Einteilung freier?

Ich gehe Kapitel für Kapitel vor. Auch wenn es zwischendurch dann und wann wirklich nicht besonders interessant ist. Wäre die Bibel ein normales Buch, würde ich sagen: Es hätte nicht geschadet, wenn ein guter Lektor da und dort ein wenig gekürzt hätte.

Welche Teile der Bibel fallen leichter in einen Roman „umzuschreiben“ und was ist besonders herausfordernd?

Es gibt ziemlich spannende Geschichten in der Bibel, die einen echten Spannungsbogen haben. Etwa der Aufstieg Josefs in Ägypten, der ja wirklich vom Sklaven zum zweitmächtigsten Mann im Land wurde. Insgesamt sind die Kapitel, in denen Menschen und ihre Herausforderungen im Mittelpunkt stehen, die interessantesten. Ob nun Abraham, Josef, Moses oder auch Daniel, Hiob oder Jesaja. Herausfordernd sind natürlich die Kapitel, in denen vor allem Reliquien beschrieben oder Ahnengalerien aufgestellt werden. Ein Stammbaum ist ein Stammbaum, da gibt es nicht viel Bedarf, diesen noch mal in eigenen Worten wiederzugeben.

Warum machen Sie sich diese Mühe, denn da steckt ja viel Arbeit drin, wöchentlich eine „Folge“ zu produzieren?

Zum einen, weil ich selbst die Bibel lesen wollte. Das einflussreichste Buch der Weltgeschichte, ohne welches es unsere abendländische Kultur nicht geben würde. Auch ist in ihr das Menschenbild angelegt, das später zur Etablierung der Menschenrechte führte. Es war also Neugierde und das Füllen einer kulturellen Wissenslücke – die ich allerdings mit fast jedem in diesem Land geteilt habe. Wer hat denn tatsächlich die Bibel ganz gelesen? Das dürfte mittlerweile eine überschaubare Zahl sein. Und als ich entschied, dass ich die Bibel lesen will, dachte ich mir: Ich lasse andere an dieser Reise teilhaben. Und so fing ich an, jeden Sonntag ein weiteres Kapitel zu veröffentlichen.

Wie sind die Rückmeldungen zu dem Projekt und wen erreichen Sie damit?

Die Rückmeldungen zu „Ein Wunder wär jetzt nicht schlecht – Die Bibel als Fortsetzungsroman“ sind erfreulicherweise sehr positiv. Der Stil gefällt auch gläubigen Menschen. Gerade, weil er zum Teil einen ganz anderen Schwerpunkt setzt. Darum gibt es Juden, Christen und auch Moslems, die regelmäßig mitlesen. Daneben finden sich aber auch viele Atheisten und Agnostiker, die diesen Zugang zur Bibel spannend finden, aber die eigentliche Bibel nicht lesen würden.

Zur Person

Gideon Böss ist Schriftsteller und veröffentlichte unter anderem das Buch „Deutschland, Deine Götter – Eine Reise zu Kirchen, Tempeln, Hexenhäusern“. In diesem Jahr folgt mit „Weihnachten, ein Fest packt aus – Die Autobiografie des Weihnachtsfestes“ eine kurzweilige Geschichte des berühmtesten Festes der Welt. Böss lebt in Berlin. Sein Bibelprojekt „Ein Wunder wär jetzt nicht schlecht – Die Bibel als Fortsetzungsroman“ erscheint Sonntag für Sonntag auf seiner Homepage www.gideonboess.de.

Was motiviert Sie dranzubleiben, denn bis zum Ende der Bibel haben Sie ja noch einiges vor sich?

Zum einen eben die Reaktionen der Leser und zum anderen meine Neugierde darauf, was noch kommt. So wie ich das verstehe, taucht zum Ende der Bibel hin noch jemand auf, der predigt, heilt und Jünger um sich schart. Da bin ich sehr gespannt drauf. 

Gibt es Ideen dazu, das gesamte Projekt irgendwann mal als Buch zu veröffentlichen oder Ähnliches?

Ich hatte die Idee, das auch als Buch herauszubringen, reduziert auf die wichtigsten Kapitel. Aber bislang haben alle Verlage abgewunken. In einer freundlichen Absage hieß es, dass eine solche Formulierung zu provokant sei: „Von den ersten vier Menschen verbannte Gott gleich drei aus zwei verschiedenen Orten und der Einzige, der nicht vertrieben wurde, wurde ermordet. Das hatten sich vermutlich alle etwas anders vorgestellt.“ Ich glaube nicht, dass das zu provokant ist und das entspricht auch nicht den Reaktionen, die ich von den Lesern erhalten habe. Aber gut, es ist, wie es ist. Die Wege Gottes und die der Verlage sind unergründlich. Mein Bibelprojekt werde ich ohnehin so oder so zu Ende bringen.

Herr Böss, vielen Dank für das Gespräch!

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