pro: Herr Eißler, die Ditib soll für den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan Anhänger der Gülen-Bewegung ausspioniert haben. Wer kämpft da eigentlich gegen wen?
Friedmann Eißler: Hier werden türkische politische Konflikte auf deutschem Boden ausgetragen. Die Ditib ist mit 900 Moscheen der größte Islamverband hierzulande und pflegt direkte Verbindungen zum türkischen Staat. Das bedeutet: Sie unterstützt aktiv türkische Religionspolitik in Deutschland. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Der türkische Ministerpräsident Erdogan hat seit einigen Jahren Probleme mit dem Prediger Fethullah Gülen. Erdogan vertritt einen politischen Islam, Gülen einen Islam, der auf Bildung und Dialog setzt. Der Streit in der Türkei geht aber eigentlich um Macht. Diesen Machtkampf tragen sie nun auch in Deutschland aus – Erdogan mit Unterstützung der Ditib.
Außerdem sollen Ditib-Imame von Ankara angewiesen worden sein, antichristliche Botschaften zu verbreiten. Was bedeutet das für die Zusammenarbeit der Ditib mit der Bundesrepublik Deutschland?
Die Ditib ist schon lange ein Partner im Dialog mit dem deutschen Staat. Das war solange kein Problem, wie die Beziehungen Deutschlands zur Türkei positiv waren und es in Richtung EU-Beitritt ging. Jetzt aber ist das anders und wir haben es mit einer katastrophalen Situation zu tun. Kirche und Politik müssen stärker darauf dringen, dass die Ditib die Bindung zur Türkei löst. Im Übrigen sind Radikalisierungen sowie antisemitische und antichristliche Äußerungen auch aus Ditib-Moscheen immer wieder bekannt geworden. Ein Interesse des Verbandes an einem echten Dialog wird dadurch untergraben.
Die Ditib ist der größte Islamverband in Deutschland. Wer kann für die Politik islamischer Ansprechpartner sein, wenn nicht er?
Die Verbände sind als Gegenüber schwierig. Ich denke, wir sollten unseren Blick da weiten und verstärkt mit Wissenschaftlern oder anderen Einzelpersonen sprechen. In den meisten Moscheen herrscht ein eher konservativer Islam vor. Es ist auch wichtig, mit Akteuren zu sprechen, die sich als fortschrittliche Muslime verstehen.
Schlagen Sie einen Abbruch der Beziehungen vor?
Nein, das führt nicht zum Ziel. Wir brauchen auch die Moscheeverbände als Gesprächspartner. Zudem sind sie ja bereits als Dialogpartner verankert, etwa beim Islamunterricht in Schulen. Das mag vorschnell gewesen sein, aber einen Weg zurück sehe ich nicht. Andererseits dürfen wir nicht zusehen, wie junge Menschen in Moscheevereinen radikalisiert werden. Die Politik muss in Jugendarbeit und Religionspädagogik investieren. Konzepte dazu könnte man gemeinsam mit den Verbänden ausarbeiten. Das ist gerade jetzt wichtig, denn die Verbände erstarken, bilden Jugendorganisationen und machen neue Angebote an junge Menschen. Abgrenzung ist sicher der falsche Weg, um dem zu begegnen, stattdessen müssen wir in Kontakt bleiben.
Die Ditib gestaltet als Islamverband den muslimischen Bekenntnisunterricht in Schulen mit. Bereitet Ihnen das Sorge?
Der Einfluss der Ditib an unseren Schulen könnte sehr negative Auswirkungen haben, wenn die Konfrontation so weitergeht. Wenn es eine Reißleine gäbe, um diesen Einfluss rückgängig zu machen, würde ich sie ziehen. Ich würde den Bekenntnisunterricht vorläufig durch islamkundlichen Unterricht ersetzen, unterrichtet von Religionspädagogen. Denn das Problem ist ja: Wer soll auf islamischer Seite einen Bekenntnisunterricht gestalten? Wir brauchen ein klares Signal, in welche Richtung der Islamunterricht gehen soll.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Anna Lutz