Der Geschäftsführer des Fördervereins Humboldt-Forum, Wilhelm von Boddien, erklärte Mitte Mai, dass die Kuppel des Humboldt-Forums ihre historische Gestalt zurückerhalten sollte, samt Figurenschmuck, goldener Laterne und Kreuz. Doch dagegen gibt es Widerstand. Das Kreuz passe nicht zum offenen, die Kulturen und Religionen der Welt präsentierenden Humboldt-Forum, findet etwa die Stiftung Zukunft Berlin. Eckhardt Barthel und Herbert Wiesner von der Stiftung Zukunft erklärten: „Es soll ein Haus für alle werden. Unterm Kreuz? Das klingt nach 19. Jahrhundert und nach christlicher Leitkultur.“ Ebenso sind der Berliner Senat sowie Vertreter von Grünen und Linkspartei gegen das Kreuz.
Wie der Berliner Tagesspiegel berichtet, sehen Kritiker des Humboldt-Forums in der barocken Hülle des Neubaus den wilhelminischen Geist wiederaufleben, der dem Charakter der Sammlungen und den Intentionen der Stiftung Humboldt-Forum widerspreche. Einer der Namensgeber, Alexander von Humboldt, habe Kolonialismus und die damit einhergehende kulturelle und religiöse Dominanz der europäischen Mächte abgelehnt, argumentieren sie.
Der Zeit-Autor Hanno Rautenberg schrieb in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung, wer das Kreuz ablehne, dürfe eigentlich auch die Kuppel nicht dulden. „Nur wenige hätten es überhaupt bemerkt“, ist Rautenberg überzeugt. Erst nachdem manche protestierten, sei es zum Diskussionsthema geworden. „Was bis eben als dekorativer Bauschmuck galt, erscheint jetzt wie ein heikles Nationalsymbol.“ Viele Befürworter des Humboldt Forums täten derzeit so, als handele es sich bei dem Kreuz nicht um ein christliches Symbol, „sondern bloß um eine bedeutungsneutrale Ausschmückung des Stadtraums“, stellt der Journalist fest.
Die Intendanten der Stiftung Humboldt Forum erklärten gegenüber der Berliner Zeitung: „Das Kreuz muss wie die preußischen Adler an den Fassaden betrachtet werden, die keinen militärischen Bezug mehr bieten. Das sind Aspekte einer historischen Rekonstruktion, die somit ihrer Funktion enthoben sind.“ Erst „das Weglassen des Kreuzes wird dieses religiös politisieren“.
Friedrich Wilhelm IV. wollte Kapelle
Der Historiker Goerd Peschken erinnert, dass das Kreuz von der Zeit des 19. Jahrhunderts zeuge. Damals sollte die barocke Residenz monumentalisiert werden, „in einem Akt monarchischer Selbstfeier“. Entgegen der losbrechenden bürgerlichen Revolution ließ Friedrich Wilhelm IV. „eine große, neue Kapelle bauen, die sein Gottesgnadentum betonen sollte, und diese Kapelle mit einer großen Kuppel das Schloss und die Stadt überragen“.
Rautenberg schreibt: „Wer gegen das Kreuz ist, weil er darin ein Zeichen christlicher Dominanz erblickt, muss erst recht für den Abriss der Kuppel plädieren. Das eine ist ohne die andere nicht zu denken. Wer aber für das Kreuz eintritt, wird nicht umhinkommen, es nicht allein als Zeichen ‚der frohen Botschaft‘ zu deuten, wie der katholische Erzbischof von Berlin, Heiner Koch. Er muss ebenso von der Geschichte dahinter erzählen. Die Kuppel enthält eine freiheitsfeindliche Botschaft, sie kündet davon, wie sich Thron und Altar gegen ein demokratisch gesinntes Bürgertum vereinten.“
„Kreuze gehören zu unserem Land dazu“
Der Philosoph und Theologe Richard Schröder verweist in einem Kommentar in der Zeitung Die Welt darauf, dass der preußische König Wilhelm IV. damals bewusst eine Kapelle errichten wollte. Er stellt fest: „Das Gottesgnadentum, auf das er sich als preußischer König berief, war gegen die Volkssouveränität gerichtet und damit gegen die Demokratie. So war es und so war er, daran können wir auch durch Bilderstürmerei nichts ändern.“ Auch der preußische Adler und Borussia tauchten heutzutage noch überall auf, auch wenn der Alliierte Kontrollrat Preußen aufgelöst habe. Schröder, der 1990 SPD-Fraktionschef in der DDR-Volkskammer und danach Mitglied des Deutschen Bundestages war, schließt: „Es gibt sie, die Beiträge Europas zur Menschheitskultur, die mit christlichen Wurzeln zu tun haben. Auch dafür darf das Kreuz über dem Humboldt-Forum stehen bleiben.“
Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, sagte in einem Interview mit der Welt, er empfinde als Muslim „kein Gefühl der Störung“ beim Kreuz auf der Kuppel. „Kreuze sind Teil unseres kulturellen und historischen Erbes in Deutschland und gehören zu unserem Land dazu, religiös und kulturell.“ Das Kreuz gehöre auf die Schlosskuppel, „weil das Gebäude einen historischen Kontext aufweist, und dieser geschichtliche Zusammenhang hat nun mal mit dem Christentum und mit christlicher Symbolik zu tun“. (pro)
von: js