Kaum ein Brite kann sich an eine Zeit ohne Queen Elizabeth II. erinnern. Sie stand für Kontinuität in einem Land, das seit ihrer Thronbesteigung 1952 vieles verkraften musste, darunter den konfliktreichen Zerfall des Empires und zuletzt den Brexit. Am Donnerstag starb die Monarchin im Alter von 96 Jahren auf ihrem schottischen Landsitz Schloss Balmoral.
Bis 1936 hatte niemand damit gerechnet, dass Elizabeth einmal Königin werden könnte. Erst als ihr Onkel König Edward VIII. in diesem Jahr nach nur elf Monaten abdankte und ihrem Vater die Krone überließ, rückte sie mit zehn Jahren an die erste Stelle der Thronfolge. In ihrer ersten Rundfunkansprache 1940 sprach sie zusammen mit ihrer vier Jahre jüngeren Schwester Margaret kriegsevakuierten Kindern Mut zu. An ihrem 21. Geburtstag, am 21. April 1947, während einer Südafrikareise mit ihren Eltern, wandte sie sich von Kapstadt aus an die Bürger des Empire und des Commonwealth. Live im Radio versprach sie, ihr ganzes Leben, „es sei lang oder kurz“, dem Dienst an ihnen zu widmen.
Im selben Jahr heiratete sie Prinz Philip von Griechenland und Dänemark, der väterlicherseits schleswig-holsteinischem und mütterlicherseits hessischem Adel entstammte und mit dem Elizabeth über die gemeinsame Ururgroßmutter Queen Viktoria weitläufig verwandt war. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor: Charles, Anne, Andrew und Edward. Kurz vor ihrem Tod hatte Elizabeth acht Enkel und zwölf Urenkel.
Das Ansehen der Monarchie und ihre moralische Autorität musste sich die Queen immer wieder hart erarbeiten. Viele empfanden sie als unterkühlt. Die Ehekrisen ihrer Kinder Andrew, Anne und Charles sorgten seit Anfang der 1990er Jahre immer wieder für schlechte Presse. Kritiker warfen ihr vor, ihre Mutterrolle zu vernachlässigen. Einen neuen Tiefpunkt erreichte ihre Popularität, als sie nach dem Tod von Prinzessin Diana 1997 zunächst schwieg.
Auch in den vergangenen Jahren geriet das Haus Windsor immer wieder in die Defensive. So erhoben Enkel Harry und seine Ehefrau Meghan 2021 im US-Fernsehen Rassismus-Vorwürfe gegen den Palast. Die Zurückhaltung, mit der die Queen auf solchen Ärger stets reagierte, hatten ihr die Kommentatoren längst als Professionalität ausgelegt. Auch in Umfragen erreichten ihre Popularität zuletzt Höchstwerte. Noch im Sommer 2022 gaben 75 Prozent der Briten an, eine gute Meinung von Elizabeth II. zu haben. Ihre Beliebtheit zeigte sich auch im Juni, als sich London und das Königreich anlässlich des Platin-Thronjubiläums in große Partymeilen verwandelte.
„Lehre Christi hat mich geleitet“
Insbesondere ältere Briten sind überzeugt, dass die Queen entscheidend zum moralischen Zusammenhalt der Nation beigetragen hat, etwa über ihre Fernsehansprachen. In ihrer Weihnachtsrede im Dezember 2020 dankte sie allen, die an der Bewältigung der Pandemie mitarbeiteten, und fand tröstende Worte für die Trauernden und die Einsamen. Die Kraft dafür zog sie immer auch aus ihrem Glauben, wie sie nicht nur in dieser Rede betonte. „Mein ganzes Leben lang haben mich die Botschaft und die Lehren Christi geleitet, und in ihnen finde ich Hoffnung“, sagte Elizabeth Anfang August in einer Botschaft an die Bischöfinnen und Bischöfen der anglikanischen Kirchengemeinschaft.
Im April vergangenen Jahres jedoch war sie es, die Trost suchte. Das Bild der Königin, die beim Begräbnis ihres Mannes Prinz Philip allein in der Kirchenbank trauert, ging um die Welt und löste eine Welle des Mitgefühls aus. Noch einsamer wurde es um sie, als im Dezember zwei Weggefährtinnen starben, mit denen sie jahrzehntelange Freundschaft verbunden hatte.
Zwölf Premierminister und drei Premierministerinnen regierten unter der Königin, die noch am Dienstag Liz Truss zur neuen Regierungschefin ernannt hatte. Den Rekord ihrer Ururgroßmutter Queen Victoria von 63 Regierungsjahren hatte die Monarchin schon 2015 gebrochen. Bis zu ihrem Tod war sie das älteste und das am längsten gegenwärtig amtierende Staatsoberhaupt der Welt. Als die am längsten regierende Monarchin in der Geschichte Großbritanniens hat sie die Monarchie von der Nachkriegszeit ins 21. Jahrhundert geführt. Mit ihrem Tod endet eine Ära.