Heute ist Muttertag. Endlich mal etwas, wofür es keine Frauenquote braucht. Ein Wunder, dass der Muttertag noch nicht entsorgt wurde, schließlich drehte sich die Debatte der vorigen Wochen von Plasberg bis Parteitag darum, wie dringend die Gesellschaft Frauen in den Führungsetagen von Politik und Wirtschaft braucht. Wie wichtig sie in der Führung von Familien sind, wurde nicht erwähnt.
Frauen sollen nicht auf ein Berufsleben verzichten, nur weil sie Mütter werden. Mädchen soll nicht von vornherein das Jungs-Spielzeug vorenthalten werden, damit sie später die männliche Arbeitswelt aufmischen können und dort dann gleichen Lohn für gleiche Arbeit erhalten. So weit, so richtig. Besorgniserregend ist aber, dass Mutterschaft als der lästige Klotz am Bein behandelt wird, der auch noch irgendwie gestemmt werden muss. Geht die Frau nicht wenigstens stundenweise arbeiten, hat sie es wirklich schlecht getroffen.
Mutterschaft und auch Vaterschaft scheinen immer das weniger Attraktive zu sein bei der Verteilung der Aufgaben, wenn sie den Verzicht aufs Arbeiten für Geld bedeuten. Warum erntet man – wie die ehemalige Familienministerin Kristina Schröder – Mitleid, besorgte Nachfragen oder sogar Missbilligung, wenn man entscheidet, zu Hause zu bleiben bei Kindern und Haushalt, anstatt die Führungsetagen umzukrempeln? Warum braucht es eine Würdigung in Form eines Preises, wenn ein Mann die Entscheidung trifft, sich für eine bestimmte Zeit ganz auf diese scheinbar so unbeliebte Aufgabe zu konzentrieren? Als „Spitzenvater 2019“ zeichnete die Großbäckerei Mestemacher im März Daniel Eich aus. Um Missverständnissen vorzubeugen: Dem Mann von Dr. Insa Thiele-Eich sei der Preis gegönnt, vor allem mit dem Argument, das die sympathische Astronautin in spe für die Annahme des Preises in Frank Plasbergs Show „hart aber fair“ erklärte: Die Auszeichnung helfe, Väter wieder sichtbar zu machen.
Dennoch hat der Preis denselben unangenehmen Effekt wie die Frauenquote: Er lässt den Preisträger genauso inkompetent dastehen wie die Quotenfrau. Hätten die Eichs nicht lieber einen Preis für vorbildliche Partnerschaft erhalten sollen? Warum steckt automatisch derjenige „zurück“, der zu Hause bleibt? Warum hält er dem anderen damit den „Rücken frei“ und muss zusehen, später auch „zum Zuge zu kommen“?
Was Eltern von Tom Sawyer lernen können
Die Antwort ist klar: Der Job des Elternseins genießt zu wenig gesellschaftliche Anerkennung. Am leichtesten wäre sie durch eine angemessene finanzielle Vergütung herzustellen. Die Diskussion darüber ist aber schwierig, wenn der erste zaghafte Schritt in diese Richtung gleich als „Herdprämie“ verteufelt wird. Immerhin hat jüngst die Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen darauf aufmerksam gemacht, dass Frauen deutlich mehr arbeiten als Männer, nur ohne eine Bezahlung für einen Teil ihrer Arbeit zu erhalten.
Zugegeben: Eine Lösung für das Problem liegt nicht gerade auf der Hand. Aber das Finanzielle wäre auch nur ein Teil der Lösung. Der Diskurs über das „Zuhausebleiben“ muss sich ändern. Am besten geht das, wenn Mütter und Väter selbst die wertvolle Arbeit, die sie Tag für Tag vollbringen, mehr schätzen lernten und auch wertschätzender darüber sprechen würden. Sie könnten sich ein Beispiel nehmen am Kinderbuchhelden Tom Sawyer, der die Strafarbeit, den Gartenzaun zu streichen, seinen Lausbuben-Freunden derart schmackhaft macht, bis sie ihn bezahlen, damit sie selbst streichen dürfen. Das gelingt ihm, indem er erklärt, welches Privileg und hohe Verantwortung ihm in der Aufgabe zuteilwurden.
Nun sind Kinder keine Gartenzäune. Aber wenn Tom schon kapiert, dass man das Streichen des Gartenzauns als Privileg und Verantwortung verkaufen kann, wieviel mehr müssten Mütter und Väter verstehen, dass sie in ihren Kindern ein ungleich höheres, nämlich von Gott geschenktes Privileg und Maß an Verantwortung übertragen bekommen haben, sodass es keinerlei Rechtfertigung bedarf, wenn man sich ausschließlich auf deren Fürsorge konzentriert.
Kick statt Knick
Es bleibt gut und richtig, dass Paare wählen können, wie sie als Familie leben wollen (wenn sie denn die Wahl haben): Ob beide arbeiten gehen oder nur einer und wer. Keinesfalls sind berufstätige Eltern schlechtere Eltern. Vor allem aber sind „Gute Eltern bessere Mitarbeiter“, wie der Diplom-Psychologe Joachim E. Lask in seinem Buch gleichen Titels verrät. Das bedeutet, dass Eltern durch die Leistungen des Essen Kochens, Wäsche Waschens, zum Training und in die Musikschule Fahrens, des Tränen Trocknens und Konflikte Vereitelns, Hausaufgaben Betreuens, Termine Einhaltens, 1.000 Kleinigkeiten Erledigens und 2.000 Mal dabei unterbrochen Werdens quasi nebenbei wertvolle Softskills entwickeln. Von wegen der Partner, der zu Hause bleibt, steckt zurück! Er steckt in sich hinein, und zwar eine Aus- oder Weiterbildung in Bereichen, die ein Unternehmen schon mal die Insolvenz kosten können, wenn Personalabteilungen auf diese Kompetenzen verzichten.
Kinder zu bekommen ist keinen Karriereknick. Sie sind der Karrierekick! Jedenfalls wäre es schön, wenn diese Ansicht breite Akzeptanz finden würde – ganz ohne Elternquote, sondern einfach, weil es so ist. Wenn also jemand beschließt, im Studium ein Kind zu bekommen, dann beginnt er im Grunde parallel einen zweiten Ausbildungsweg. Wenn jemand mit dem Studienabschluss in der Hand nicht auf den Arbeitsmarkt drängt, sondern das dritte Kind bekommt, dann ist das kein verschenktes Potential, sondern sich potenzierendes Potential, denn derjenige erarbeitet sich beste Chancen für den Berufseinstieg. Keinesfalls sollte er sich dann unter Wert verkaufen! Leider ist das offenbar in weiten Teilen unserer auf Erwerbsarbeit ausgerichteten Gesellschaft noch nicht angekommen.
Mehr Anerkennung für Eltern
Eltern brauchen kein Mitleid, sie brauchen Anerkennung. Es ist an der Zeit, der Mühe um die Zukunft unserer Gesellschaft den ihr gebührenden Status zu geben. Dazu müsste sich vor allem der gesellschaftliche Diskurs um sie verändern. Vielleicht gelingt das nur von innen nach außen, indem die Eltern selbst damit beginnen. Elternschaft verändert sich dadurch nicht, aber sie stünde endlich in einem besseren Licht.
Tom Sawyer war dieses Kunststück gelungen: Er gab der Mühe um den Gartenzaun einen so hohen Status, dass die Arbeit gern verrichtet wurde. Die Arbeit wurde keine andere, sie wurde nicht leichter und der Zaun nicht kürzer. Aber die Mühe um ihn war angesehen und am Ende war er drei Mal gestrichen worden!
Die Autorin ist verheiratet und hat nach dem Abschluss ihres Master-Studiums ihr drittes Kind bekommen.