Meinung

Ein Film über Feminismus, Rassismus und Glaube: „Respect“

Der Film „Respect“ über Aretha Franklin ist erzählt von der Befreiung aus geistlichen und sozialen Zwängen. Die Soul-Sängerin würde am 25. März 80 Jahre.
Von Jörn Schumacher
Aretha Franklin, Film "Respect"

Kaum jemand kennt sie nicht: Die starke Soul-Stimme hinter Hits wie „Natural Woman“, „I Say a Little Prayer“, „Think“ und „Respect“. Aretha Franklins Stimme gilt als eine der kraftvollsten aller Zeiten, ihre Songs gehören zum amerikanischen Musikkanon: Klassiker, die den Widerstand der schwarzen Bevölkerung während der Bürgerrechtsbewegung, der Black-Power-Bewegung und der Frauenbewegung definierten.

Die Regisseurin Liesl Tommy setzte der „Queen of Soul“ mit dem Film „Respect“ ein Denkmal – einer Frau, die in einer Kirchengemeinde groß wurde und die wie selbstverständlich auch über den christlichen Glauben sang.

Regisseurin Tommy, die selbst gläubig ist, sagte gegenüber der Presse: „Wenn man über die Queen of Soul spricht, wenn man über ihre Spiritualität spricht, dann darf man ihr politisches Engagement und ihren Glauben nicht verschweigen.

Ihre Kirche war eine Kirche des Bürgerrechtsaktivismus.“ Soul verarbeitet Einflüsse wie die Sklaverei, die Emanzipationsproklamation und die Entstehung der schwarzen Mittelschicht. Die Musikrichtung ist dabei inspiriert von Spirituals und daher durchdrungen einerseits vom Trauma der Sklaverei, andererseits aber auch von Optimismus und einem unerschütterlichem Glauben.

Franklins Vater war Mentor von Martin Luther King Jr.

Franklins Geschichte bekommt gerade vor dem Hintergrund der „Black Lives Matter“-Bewegung eine tiefe Bedeutung. In der Ankündigung zum Film heißt es: „Die (schwarzen) Menschen sind der weißen Vorherrschaft, des Patriarchats und der Hypermaskulinität überdrüssig. Mehr und mehr entdecken sie ihre eigene Freiheit, wollen gesehen, gehört und respektiert werden.“ Und so handelt der Spielfilm „Respect“, der in dieser Woche in den Kinos startete, von einer dreifachen Befreiung im Leben der bekannten Soulsängerin.

Franklins Mutter war Klavierspielerin und Sängerin, ihr Vater war bekannter Baptisten-Pastor. Der Schauspieler Forest Whitaker, der Reverend C.L. Franklin spielt und selbst tief gläubig ist, sagte: „Ihr Vater war der erste Prediger, der auf Tournee ging, um vor riesigen Menschenmengen in Arenen und Zelten zu predigen.“ Er war Mentor des jungen Martin Luther King Jr., Franklin tourte gemeinsam mit ihm und der Southern Christian Leadership Conference (SCLC) durch das Land, um Spendenaktionen zu unterstützen und Menschen zu ermutigen, an den Kundgebungen teilzunehmen.

„Niemandem gehört deine Stimme. Nur Gott.“

Der Film begleitet die Entwicklung des braven, frommen Mädchens Franklin hin zu einer erwachsenen Frau, die sich gegen Bevormundung wehren muss und dabei so einige Brücken zu ihrem alten Leben einreißt. Ihre Mutter übte nicht nur Gesang mit der jungen Franklin, sondern gibt ihr im Film die zwei wichtigen Lektionen mit, die später zu einer zentralen Botschaft des Films werden. „Wenn du einmal nicht singen willst, tu es nicht“, sagt sie, und: „Niemandem gehört deine Stimme. Nur Gott.“

Die erste Lektion muss Franklin bei ihrem ersten Mann, Ted White, lernen, der zugleich ihr Manager ist. Anstatt ihr ihre Freiheit zu lassen, bestimmt er über ihr Leben und ihre Karriere. So wie ihr Vater sieht auch er in Franklin vor allem ein gewinnbringendes Kapital, über das man bestimmen kann. Franklin emanzipiert sich sowohl von ihrem strengen Vater, als auch von Männern überhaupt, die ihr sagen wollen, was sie tun und lassen soll. Im Gegensatz zu den meisten (schwarzen) Frauen ihrer Zeit war ihr das vielleicht nur wegen ihres großen Erfolges möglich.

Gespielt wird Franklin von der Oscar- und Grammy-Gewinnerin Jennifer Hudson („Dreamgirls“), die mit Franklin befreundet war und bei ihr im Vorprogramm auf trat. Hudson wuchs ebenfalls in einer Kirchengemeinde auf und sagt über Franklin, sie sei auch die „First Lady der Kirche“ gewesen.

Die Loslösung von der Kirche ging für Franklin auch einher mit einer Abwendung von christlicher Musik, mit der sie groß wurde. Diese Abnabelung führte sie in eine neue Freiheit, um am Ende dann zu einer Versöhnung mit Gott und der Kirche zu werden. Und auch die christliche Musik bekommt eine zweite Chance; ihr Gospel-Album sollte sogar ihre erfolgreichste Platte werden.

So ist „Respect“ auch eine Geschichte darüber, was viele Männer lernen müssen: Frauen nicht zu bevormunden, weil sie genau so freie Menschen sind wie sie selbst, kurz: Respekt. Waren und sind Schwarze ohnehin in der Gesellschaft unterdrückt, sind gerade schwarze Frauen besonders betroffen von Bevormundung und Gewalt. Der Mann als Manager – nicht nur im Leben einer schwarzen Soul-Sängerin ein Thema.

Nur ein kleines Gebet

Dem schreit Franklin im Film irgendwann endlich ein befreiendes „Nein“ entgegen, und dieses Nein des Feminismus ist selten so klar im Kino artikuliert worden. Ihrem Vater, der zwar Pastor ist, aber kein Heiliger, sagt Franklin: „Ich respektiere dich natürlich. Aber ich muss meinen Überzeugungen folgen.“ Die „Dämonen“, die mehrere Figuren im Film „befallen“, wie es ausgedrückt wird, packen auch Franklin selbst irgendwann. Da heißt es mit den Worten eines ihrer berühmtesten Songs nur noch: „Say a little prayer“.

Am Tiefpunkt, allein und verlassen und dem Alkohol verfallen, betet sie nach vielen Jahren selbst wieder. Und Gott begegnet ihr mit der Liebe einer Mutter, die ihr Kind tröstet. Am Ende wird zu den Klängen von „Amazing Grace“ klar: Bei Gott ist der einzige Ort, an dem man sicher ist. Wovon das bekannte Gospellied handelt, hat Artetha selbst erlebt: Sie hat vielleicht Gott verlassen. Aber Gott hat sie nicht verlassen.

„Respect“ ist ein empfehlenswerter, sehr emotionaler Film mit viel guter, handgemachter Musik, der von Feminismus, Rassismus und Glaube handelt. Rührend sind im Abspann die Einblendungen von Fotos und Originalaufnahmen aus der echten Karriere der „Queen of Soul“.

Da singt etwa die bereits betagte Franklin vor Barack und Michelle Obama, sie steht allein auf einer Bühne und irgendwann streift sie, einfach so, ihren schweren Pelzmantel ab und lässt ihn zu Boden gleiten. So als entledige sie sich einer schweren Last, und es erinnert daran, dass sie, die schwarze Tochter eines Pastors, sich einiger Unterdrückungen entledigen musste, um Freiheit, und ja: Respekt zu bekommen.

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2 Antworten

  1. Klingt, als interpretiere der Film Aretha Franklins wirkliches Leben sehr entlang den Denkschablonen und Narrativen des Postmodernismus.

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  2. Ein großartiger Film mit einer ganz unglaublichen und stimmgewaltigen Jennifer Hudson!

    P.S. Was das Ganze mit Postmodernismus zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht. Der Begriff hat in der Architekturtheorie eine sehr genau umrissene Bedeutung. In Literatur und Philosophie war es eher eine vage Mode, die längst vorbei ist. Und wenn ein Begriff dann wirklich nicht mehr taugt, kommt er in Evangelikalien an, um als bedeutungsarmer Bashing-Marker zu fungieren! Was soll`s!

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