Dass das regelmäßige Benutzen von Handy oder Smartphone den Menschen verändert, spürt jeder an sich selbst. Vor allem dann, wenn das Gerät zum wichtigsten Begleiter, zum Minibüro und zum Alter Ego wird. Eine junge Österreicherin will dieses Phänomen der Vereinnahmung näher erforschen, indem sie zur Gegenprobe ansetzt: Was passiert mit Menschen, die einen Monat lang auf sämtliche digitalen Tätigkeiten verzichten? Linda Meixner, 33 Jahre alt, will dieser Frage nachgehen in einem Experiment, das sie „Offtober“ nennt – also den ganzen Oktober lang ohne Social Media.
Meixner stammt aus dem Montafon in Vorarlberg, sie ist Absolventin der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) in Konstanz. Dort erwarb sie auch ihren Master in Kommunikationsdesign. Die Computerwelt war für sie selbstverständlich, nach dem Studium startete sie als Influencerin durch. Zuletzt konnte sie auf 120.000 Follower rechnen. Ihnen erklärte sie Lindas Welt – die Berge des Montafon, das Wandern im Sommer und Skivergnügen im Winter. Wunderbare Motive und ideale Hintergründe für schöne Werbebilder.
„Digital detox“
Doch bereits als Studentin am Bodensee fiel Meixner auf, wie abhängig sie von den kleinen Geräten ist. Also setzte sie zum Selbstversuch an und verzichtete 66 Tage lang auf jede digitale Betätigung. Daraus entstand ihre Masterarbeit. Außer dem Titel gewann sie eine Einsicht: „Das hat mein Leben verändert“, sagt sie. Sie kam damals wieder zurück „ins Hier und Jetzt“, wie sie das nennt. Das war im Herbst 2020.
Sie ist inzwischen selbständig und einen Schritt weiter. Sie hat Probanden gesucht, die während des ganzen Monats Oktober 2022 auf jede Form des Klickens verzichten. Dabei geht es um „Digital detox“, wie sie das nennt, also eine mentale Entgiftung. Ob der digitale Konsum von mehreren Stunden täglich tatsächlich eine Sucht darstellt, soll dabei auch erforscht werden. „Wir werden messen, was objektiv im Körper passiert, wenn Menschen offline gehen“, sagt sie im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Die Ergebnisse werden eines Tages in die Promotion einfließen, die Linda Meixner anstrebt. An der Privatuniversität UMIT (Universität für Medien, Informatik und Technik) im tirolischen Hall will sie ihren Doktortitel erwerben. Der Konstanzer Fachhochschule HTWG bleibt sie weiterhin verbunden, auch dort referiert sie als Mitglied des Alumni-Kreises regelmäßig über ihre Arbeiten.
Mit ihrer empirisch geprägten Analyse will sie weit über den akademischen Raum hinaus wirken. In ihrer Heimat Tschagguns in Vorarlberg gründete sie ein Start-up – das „Offline Institute“. Dort will sie interessierte oder bedürftige Menschen eines Tages im sorgsamen Umgang mit den elektronischen Medien schulen. „Das gibt es bisher nicht“, sagt sie. Ihr Ziel: „Wir haben bisher keine Bedienungsanleitung für den Umgang mit den vielen digitalen Kanälen. Daran will ich arbeiten.“ Ziel sei eine digitale Balance. Natürlich werde man mit diesen Geräten in Zukunft arbeiten und spielen, aber es gehe um das Gleichgewicht zwischen virtuellem Unterwegssein und der realen Welt.