Frauen waren genauso in die Kämpfe und das Herrschaftssystem der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) verstrickt wie Männer. Das zeigt eine Dokumentation des syrisch-orthodoxen Christen, Aktivisten und Journalisten Simon Jacob, die diese Woche auf n-tv lief. Mehrere Augenzeugen berichten in dem Film davon, dass auch Frauen getötet und Frauen anderer Religionen, etwa Jesidinnen, als Sklavinnen der Dschihadisten behandelt hätten.
Auch deutsche Frauen und Männer sind in der Zeit in die Region gereist, um für den IS zu kämpfen. Nachdem der IS jedoch weitestgehend besiegt und zahlreiche seiner Anhänger verhaftet wurden, hätten sich vor allem Frauen oft als Opfer ausgegeben, die angeblich nicht an Kämpfen beteiligt gewesen seien, sondern nur in der Küche oder im Büro gearbeitet hätten. Das treffe aber nicht zu, erklärt im Film etwa eine kurdische Aktivistin, die eine der letzten Schlachten erlebt und auch mit deutschen IS-Frauen gesprochen hat.
Augenzeugen wie sie würden jedoch von Gerichten in Deutschland selten angehört, wenn die über IS-Rückkehrer urteilten, da die Zeugen meist weit weg im Ausland lebten. Vor Gericht würde meist mit Informationen aus zweiter Hand gearbeitet, gibt der Anwalt Detlev-Otto Binder zu bedenken. So gut wie nie fänden Ermittlungen vor Ort im Nahen Osten statt, wo die Kämpfe tatsächlich stattfanden.
Gehirnwäsche lässt sich nicht einfach umdrehen
Mit den IS-Rückkehrern stünden derzeit so viele Kriegsteilnehmer wie seit 1946 nicht mehr vor Gericht, heißt es in der Doku. Neben dem Strafgesetzbuch komme etwa auch das Völkerstrafrecht und das Kriegsrecht zur Anwendung. Die Rechtsprechung sei aber bisher nicht einheitlich, was wie als Straftat gewertet und geahndet werden kann. Beweist ein Foto, das die Angeklagte mit einer Kalaschnikow über der Brust zeigt, dass sie Mitglied einer terroristischen Vereinigung ist? Oder diente die Waffe der Selbstverteidigung? Die SPD-Politikerin Sigrid Herrmann-Marschall, die den Prozess in Düsseldorf gegen eine IS-Witwe beobachtete, weist im Film darauf hin, dass auch eine Gefährdung des Kindeswohls vor Gericht in Betracht gezogen werden könnte, wenn eine Mutter mit ihrem Kind ins Kriegsgebiet gereist ist.
Das für IS-Rückkehrer zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte den Filmemachern kein Interview geben wollen. Im Film heißt es weiter, dass die Frauen von Nichtregierungsorganisationen betreut würden, auch diese hätten sich nicht äußern wollen. So bleibe vieles im Dunkeln, wie genau mit den IS-Frauen verfahren wird. Eine „Gehirnwäsche“ der islamistischen Ideologie würden die Rückkehrer jedoch nicht mit einem Kurs in wenigen Monaten ablegen können, sagt der Psychologe Ja Ilhan Kizilhan dem Filmemacher. „Wir brauchen Konzepte, die drei Jahre und länger dauern“, sagt er – und die Hilfe von Ärzten, Therapeuten, Sozialarbeitern, um mit den Rückkehrern neue Beziehungen aufzubauen und ihnen ein Gesellschaftsmodell von Demokratie und Freiheit zu vermitteln.
Der Film „IS-Rückkehrer – Strafe oder Nachsicht“ ist auf der Plattform TV Now zu sehen.
Von: Jonathan Steinert