Am Donnerstag machte die Wochenzeitung Die Zeit mit einer großen Geschichte über Mathias Döpfner auf. Der Springer-Chef schrieb allerhand hanebüchenes und manches verletzende Wort in Chatnachrichten, die vermutlich vor allem den damaligen Bild-Redaktionsleiter Julian Reichelt erreichten. Genaueres über den oder die Empfänger ist unklar. Dennoch liegt der Gedanke nahe, dass vor allem der von Springer geschasste Reichelt ein Interesse hatte, der Zeit die Nachrichten zukommen zu lassen.
Presserechtlich grenzwertig?
Die Empörung über Döpfner war noch bis zum Wochenende groß, dann mischten sich andere Töne unter die Rücktrittsforderungen. Als „schlechten, unfairen Journalismus“ etwa bezeichnete die Neue Zürcher Zeitung die Veröffentlichung der Zeit-Redaktion. Sie nehme unreflektiert die Haltung ihrer Quelle ein, private Nachrichten zeichneten nie ein vollständiges Bild, die Figur Döpfner sei komplexer als das, was sie schrieb und die Zeit veröffentlichte.
Der FDP-Politiker und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki erklärte, er halte es für „rechtlich grenzwertig und für moralisch problematisch“, private Nachrichten pressetechnisch zu verwerten. Und nicht zuletzt Döpfner selbst äußerte sich am Samstag in der hauseigenen Bild-Zeitung: „Mir gelingt es nicht immer, private Nachrichten im korrekten Ton zu schreiben.“ Freilich nicht ohne Empörung darüber zu äußern, dass diese Texte ohne sein Wissen weitergegeben wurden. Immerhin seine „Gedankenfreiheit“ habe er noch, so kann man den letzten Satz seines Kommentars interpretieren. Eine klassische Nonpology, wenn man so will. Eine Entschuldigung, die keine ist.
Das kann man blöd finden oder Döpfner zustimmen, eine Frage bleibt aber wichtig und mit der Antwort darauf steht und fällt die Berechtigung der Berichterstattung über Döpfners Chatverkehr. Waren seine Nachrichten eigentlich überhaupt privat?
Zumindest in einem erheblichen Teil der Fälle wird er sie Springer-intern versendet haben, also etwa an Reichelt. Wenn der CEO eines Verlags an seinen Chefredakteur schreibt, dann kann man das selbst mit viel gutem Willen nicht als rein private Angelegenheit verstehen.
Programmwunsch an Mitarbeiter
Und wenn er dann auch noch schreibt, es sei eine patriotische Pflicht, die FDP zu fördern, ja kurz vor der Wahl sogar fragt, ob man nicht „mehr für die FDP machen“ könne, dann ist das nicht mehr als private Nachricht an einen Freund zu verstehen, sondern als Programmwunsch an einen Mitarbeiter.
Es stimmt, der Skandal besteht nicht darin, dass ein bekannter Medienmacher abends spät und in was auch immer für einem mentalen Zustand muslimfeindliche und merkelkritische Äußerungen im Freundeskreis macht. Tatsächlich hätte die Zeit drei Mal überlegen müssen, ob es angebracht und erhellend ist, das zu veröffentlichen.
Doch es geht hier um viel mehr: Döpfner ist offenbar die Art Vorgesetzter, die gegenüber seiner Redaktion Wünsche zur politischen Berichterstattung äußert. Ein No-Go im politischen Journalismus, erst recht für ein Massenblatt wie die Bild-Zeitung. Das ist der eigentliche Aufreger, der zwischen polemischen Kommentaren über Merkel, Muslime und Ostdeutsche irgendwie untergegangen zu sein scheint. Nicht nur die Berichterstattung der Zeit ist berechtigt, die Aufregung über Döpfner ist es auch.