Die Welt mit frischen Augen sehen

Der Schweizer Maler Manuel Dürr schafft mit seiner Kreativität nicht nur Kunst, sondern setzt sich auch mit christlichen Glauben auseinander. Die Bilderflut durch Künstliche Intelligenz sieht er als Chance, sich auf den wahren Schöpfer zu besinnen.
Von Norbert Schäfer
Der Schweizer Künstler Manuel Dürr

Als kreativ gilt, wer neue Ideen und Wege entwickelt, Dinge zu tun oder auszudrücken. Diese schöpferische Fähigkeit ist in der belebten Natur weitestgehend dem Menschen vorbehalten, wobei die Kunst wohl die tiefste Ausdrucksform menschlicher Kreativität ist. Aber auch Computer können mittlerweile mittels Künstlicher Intelligenz (KI) Musik, Bilder und Texte hervorbringen.

Der Schweizer Künstler Manuel Dürr nennt diese Technik eine „statistische Recycling-Maschine“. Seine Meinung über KI ist stark geprägt von seinem christlichen Glauben und dem christlichen Menschenbild. „Der Mensch wurde nach Gottes Ebenbild geschaffen. Diese Würde gilt es, zu achten und zu bewahren.“

Bleibt Gott noch der ultimative Schöpfer, wenn Algorithmen Gemälde, Musik und Literatur wie aus dem Nichts erschaffen? Dürr antwortet darauf nachdenklich: „Wenn KI uns ‚unendlich kreativ‘ macht, dann nur im quantitativen Sinne. Doch Gott offenbart sich uns nicht durch Quantität, sondern durch Qualität. Seine Schöpfung ist einzigartig und nicht reproduzierbar.“ Dürr sieht aber, dass KI in eine gottähnliche Rolle erhoben werden könnte.

Manche Menschen hätten den Fortschritt zu einer anonymen Kraft erhoben, die selbstbestimmt agiert. Doch Technik müsse dem Menschen dienen, nicht umgekehrt. „Sollten wir eines Tages eine allwissende, omnipotente Maschine erschaffen, könnte das eine theologische Krise auslösen. Doch Christen haben Erfahrung im Umgang mit falschen Gottheiten. Vielleicht kann das sogar zu einer Rückbesinnung auf den wahren Schöpfer führen.“

Sehnsucht nach Echtheit

Der Künstler ist durchaus offen für die Möglichkeiten, die sich durch maschinelles Lernen und automatisierte Prozesse ergeben, beispielsweise den Einsatz von KI in der Wissenschaft. Er würde die Technik auch selbst nutzen, um technische Probleme zu lösen – etwa, um Umgebungsgeräusche in Tonaufnahmen zu filtern. Anders, wenn es um kreative Prozesse geht. „Es ist die Aufgabe und die Berufung des Menschen, die Welt dankbar und kritisch zu gestalten.“ Diese gestalterische Verantwortung könne nicht an Maschinen delegiert werden.

Gleichermaßen Wohl und Wehe sieht er in der „Flut von Trash“, die durch KI generiert werden kann. „Wenn alle alles produzieren können, verliert Kunst ihren Wert. Wir werden von einer Masse an Inhalten überschwemmt, die einfach nur noch seelenlos ist.“ Das ist die eine Seite. Die andere, dass „aus dieser Flut ein neues Verlangen nach Echtheit, nach Handarbeit und nach dem Analogen entsteht“. Menschen könnten wieder den Wert von etwas „Schöpfungshaftem“ entdecken, das nicht innerhalb von Millisekunden durch Algorithmen erzeugt werde.

Malerei erfordert Mühe, Fleiß und Hingabe. Dann entsteht eine Beziehung zwischen Künstler, Werk und Betrachter. (Foto: Schwarzfalter GmbH)

Dürrs Arbeit ist nicht nur ein Ausdruck seines christlichen Glaubens, sondern auch ein Dialog mit der Welt. Dabei legt er großen Wert auf echte Begegnungen. Eine Beziehung zwischen ihm, seinem Werk und dem Betrachter sind ihm wichtig. „Die Kunst ist eine Kontaktfläche“, sagt er. Wer sich als Betrachter Zeit nehme und auf ein Werk einlasse, könne so mit einem Künstler kommunikativ in Kontakt treten.

Das in der Malerei Ausgedrückte sei wegen der damit verbundenen Kosten auf jeden Fall „mit einer gewissen Ernsthaftigkeit“ verbunden. Das stehe im Gegensatz zu künstlich generierten digitalen Bildern, die billig produziert und schnell konsumiert würden. Die Malerei erfordere Mühe, Fleiß und Hingabe. „Diese Dimensionen gibt es nicht in KI-generierten Bildern.“

Ein Platz neben den Alten Meistern

Ein Beispiel für Dürrs Hingabe ist sein aktuelles Projekt: ein Kreuzweg für den Petersdom in Rom. Im November 2024 hat Dürr den internationalen Wettbewerb zur Realisierung einer „Via Crucis“ in der Papstbasilika St. Peter im Vatikan gewonnen. An dem Wettbewerb nahmen etwa 1.000 Künstler aus der ganzen Welt teil. Die „Fabbrica di San Pietro“ wählte schließlich Dürrs Entwürfe aufgrund ihrer „herausragenden technischen Qualität, Originalität und ihrer kraftvollen Ausdrucksstärke“.

Dürrs Darstellung der vierzehn Stationen der Via Crucis werden als großformatige Ölgemälde ab dem 18. Februar 2026 wiederkehrend während der Passions- und Osterzeit im zentralen Kirchenschiff der Papstbasilika ausgestellt sein. „Was für eine Ehre, neben Michelangelo und Bernini auszustellen. Und was für ein Schrecken, eigene Werke zu schaffen, die ihren Platz finden sollen, in einem kunst- und kulturhistorisch so bedeutsamen Ort“, sagt er.

Manuel Dürr hat sich in einem internationalen Kunstwettbewerb um einen Auftrag aus dem Vatikan durchgesetzt: die Gestaltung eines Kreuzweges mit 14 großformatigen Gemälden für den Petersdom. Ab Februar 2026 sollen sie dort zu sehen sein. (Foto: Schwarzfalter GmbH)

Bis es so weit ist, hat der Künstler noch viel zu tun. Die Gemälde entstehen parallel, denn die unterschiedlichen Farbschichten müssen nach dem Auftragen trocken, bevor der Künstler weiter an Details arbeiten kann. Dürr hat sich einen genauen Zeitplan zurechtgelegt, damit alles pünktlich fertig wird. Nicht nur künstlerisch und handwerklich ist der Auftrag eine Herausforderung. Für seine Werke musste sich Dürr intensiv mit dem katholischen Glauben, der „spirituellen und künstlerischen Tradition der katholischen Kirche“ auseinandersetzen.

Der Werkauftrag für den Vatikan ist für Dürr nicht nur prestigeträchtig, sondern auch einträglich. Anderen Künstlern setzt die KI wirtschaftlich schwer zu. Agenturen lassen Porträt- und Produktbilder von der KI erstellen und beauftragen nur noch selten einen Fotografen. Was für viele Kreative und Kunstschaffende als Einstiegschance in die Kulturszene galt, drohe, wegzufallen. „Die Revolution durch KI wird in der Kunst die niederste Sphäre der Kulturproduktion mehr oder weniger ersetzen.“

„Wenn wir Aufgaben, die kreative Lösungen erfordern, an Maschinen auslagern, verlieren wir die Fähigkeit, diese Probleme selbst zu lösen“, sagt Dürr. Der drohende Verlust der eigenen „kreativen Muskeln“ bereitet dem Künstler Unbehagen. Die Reizüberflutung durch Informationen – „tausend Gedankenfetzen“, wie er es nennt –, die ihn „über alle möglichen Kanäle erreichten“, hat er gestoppt und den Konsum von Telefon und Computer auf ein Minimum reduziert.

Der Maler unterwirft sich freiwillig einer strengen „Gedanken- und Mediendisziplin“, um der „Zerstörung des eigenen Innenlebens“ durch „Dauerberieselung“ zu entrinnen und nicht zu einem „Duplikat anderer Meinung“ zu werden. Seinen Tag beginnt er deshalb morgens mit Gebet und Bibellektüre, bevor er in sein Atelier geht. „Um die Welt mit frischen Augen zu sehen, brauche ich Ruhe und Askese.“

Der Artikel ist erstmals in der Ausgabe 1/2025 des Christlichen Medienmagazins PRO erschienen. Das Heft können Sie hier kostenlos bestellen.

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