Geradezu begeistert schreibt der Buchautor Sven Lager für die Tageszeitung Die Welt über die Worte von Papst Franziskus. Mehr praktische Liebe am Nächsten, der Glaube an Übernatürliches und weniger Hierarchie fordert der deutsche Autor und stellt acht Thesen für eine Erneuerung der Kirche auf.
„Was Papst Franziskus da vor wenigen Tagen sagte, klingt so selbstverständlich, und doch klingeln der Kirche wahrscheinlich immer noch die Ohren“, schreibt Sven Lager, der oft als „Popliterat“ bezeichnet wird. Der 48-Jährige zog mit der befreundeten Schriftstellerin Elke Naters vor einigen Jahren nach Südafrika, wo beide sich zum christlichen Glauben bekehrten. Wenn der Papst davon rede, dass Kapitalismus abgeschafft, Besitz geteilt und bedingungslose Nächstenliebe praktiziert werden müsse, dann klinge das Kirchenoberhaupt fast so wie Nelson Mandela, der vor kurzen verstorbene südafrikanische Freiheitskämpfer.„Weck einfach den Franziskus in Dir!“ lautet die Überschrift von Lagers Artikel. Sie ist zugleich der Aufruf zu einer Veränderung der Kirche. „Wozu eine Kirche, wenn sie die Welt nicht verändert? Wozu ein Glauben, wenn er nicht gelebt wird? Fragen, die ich mir schon als junger Ladendieb und Weltverbesserer stellte. Religion und Kirche waren damals für mich überkommene philosophische Systeme, unmodern wie das Dampfrad und voller hütchenspielender Schlitzohren.“
Für ihn selbst stehe fest: „Wenn ich mich mit Asylanten befreunde und mich für sie einsetze, erreiche ich doch mehr als einer, der so etwas nur predigt, oder? (…) Würde jeder Christ leben, was er behauptet zu glauben, die Welt wäre innerhalb eines Tages eine völlig andere, und nach einer Woche wäre sie ein Paradies.“
Glücksforschung verweist auf Selbstlosigkeit
In Südafrika habe er von den Afrikanern unter anderem „den praktischen Glauben“ gelernt, schreibt Lager. Die Glücksforschung habe längst gezeigt, dass Selbstlosigkeit, Großzügigkeit und Bescheidenheit froh und gesund machten. Er stimme Franziskus zu, der sage, ihm sei eine „verbeulte“ Kirche lieber, „die verletzt und schmutzig ist, weil sie auf die Straßen hinausgeht, als eine Kirche, die wegen ihrer Verschlossenheit und Bequemlichkeit krankt und sich an eigenen Sicherheiten verklammert“.
Lager stellt acht „revolutionäre Thesen“ auf – „wie Luther, der sie damals ans Tor genagelt und damit die Kirche erneuert hat“. Als erstes fordert der Autor Freude: „Jeder Mensch ist von Gott geliebt und als einzigartige Schöpfung von ihm bewundert.“ Ein Christ sei „ein Kreativer, der staunt und stets Neues schafft. Deshalb kann die Kirche keine jammerigen, einfallslosen oder schlechtgelaunten Mitglieder haben.“
Außerdem hätten in der Kirche Hierarchien keinen Platz. „Alle Menschen sind gleich, und die Starken leiten nur die Schwachen, damit sie stark werden, um selbst anderen Schwachen aufzuhelfen.“ Weiter schreibt Lager: „Die Kirche muss radikal der Welt entgegengesetzt sein. Der Gier und dem Missbrauch, der Übervorteilung und Versklavung.“ Er gibt wiederum Franziskus Recht, der sagte, Kirche müsse in „permanenter Mission“ sein.
Auch die Liebe komme ihm in der Kirche oft zu kurz: „Eine heilige Kirche ist nicht herablassend oder duldend, also tolerant. Sie ist liebend. Wir Deutsche wollen uns und andere ständig optimieren. Gut für Technik, schlecht fürs Herz. Lieben heißt nicht urteilen.“ Ebenso müsse es erlaubt sein, Kritik an der Kirche zu äußern. „Was ist Glaube, wenn man ihn nicht anzweifeln darf?“
Schließlich lobt er die Aufgeschlossenheit des Papstes gegenüber dem übernatürlichen Wirken Gottes und nennt das Kirchenoberhaupt seinen „Bruder, ohne dass ich Katholik bin“: „Er ehrt auch die Mystiker, denen Trancen, Verzückung, das Fliegen und Teleportationen nicht fremder waren als für Moses, ein Meer zu teilen, oder für Jesus, Wasser in Partywein zu verwandeln. Auch etwas, das wir in Afrika gelernt haben, wo Geister, Dämonen, Engel und Wunder alltäglich sind und so normal wie ein Medizinmann in voller Montur, der mit Kreditkarte im Reformhaus bezahlt.“ (pro)
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