Die türkische Bannmeile



Die Türkei will bestimmte Wörter und Inhalte aus dem Internet verbannen. Dies sieht ein Plan der Regierung des gerade im Amt bestätigten Premierministers Recep Tayyip Erdogan vor. Betroffen sind auch religiöse Seiten.
Von PRO

EU-Politiker sehen durch diesen Online-Filter die türkische Demokratie
in Gefahr. Tausende Bürger protestierten gegen das Vorhaben und
prangerten den "Tod des Internets" an. Wie "Spiegel Online" meldet,
müssen Internetnutzer bis Ende August eines von vier Paketen buchen:
"Kinder", "Familie", "Inland" oder "Standard". Die türkische
Telekommunikationsbehörde BTK und deren Wächter sortieren in der Folge
alles Unliebsame aus.


"Bei den Paketen ‚Kinder‘ und ‚Familie‘ sind das Seiten, die der Staat als ‚unanständig‘ oder ‚unmoralisch‘ einstuft, bei ‚Inland‘ werden alle ausländischen Seiten geblockt. ‚Standard‘ sieht die wenigsten Einschränkungen vor, auch wenn die Einzelheiten noch offen sind", heißt es dazu auf "Spiegel Online".



Nur auf eigenen Wunsch aktiviert



Bereits im April hatte die BTK eine Liste mit 138 Wörtern veröffentlicht, die künftig für Internetadressen verboten sind. Während auch in Deutschland Web-Filter im Rahmen des Jugendschutzes entwickelt werden, kritisieren die EU-Beobachter die "türkische Variante" als "Einschränkung der Meinungsfreiheit" und "Gefahr für die Demokratie". Regierungsvertreter verteidigten das Gesetz. "Wenn es um die Verbreitung unanständiger Inhalte geht, ist ein Filter notwendig", sagt Premier Erdogan. Der Chef der Internetbehörde BTK, Tayfun Acarer, fügt hinzu, dass die Filter nur auf Wunsch der Nutzer aktiviert würden.

Die Gegner des Vorhabens fürchten, dass durch den Filter die Regierung Internetzugriffe protokollieren und steuern könne. Aus Sicht von "Spiegel Online" werde in dieser Debatte die Diskrepanz der Türkei in Sachen Computer deutlich. Einerseits lasse sie Computer in Schulen aufstellen und preise die Möglichkeiten des Netzes für Wirtschaft und Gesellschaft, andererseits höre bei der Meinungsfreiheit das Verständnis auf. So war in der Türkei auch die Videoplattform "YouTube" aufgrund staatlicher Gesetze lange nicht zugänglich.



Insgesamt seien die Hürden für einen Website-Bann gering. Jeder, der sich beleidigt fühlt, könne vor Gericht beantragen, eine Seite sperren zu lassen – und jeder Richter hat die Befugnis, das zu veranlassen. So setzte ein islamistischer Gegner der Evolutionstheorie durch, dass die Website des britischen Wissenschaftlers und Autors Richard Dawkins ("Der Gotteswahn") gesperrt wurde. Aus Sicht des britischen EU-Abgeordneten Richard Howitt sei es an der Zeit "für Europa, klare Worte zu finden". (pro)

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