Der Sprecher und Schauspieler Rufus Beck hat in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) erklärt, wie er bei der Aufnahme der Bibel als Hörbuch vorgegangen ist. „Flapsig ausgedrückt: Ich könnte mich nach den Aufnahmen im wahrsten Sinne des Wortes ‚His Master’s Voice‘ nennen“ – die Stimme des Meisters. Das Anhören des Werkes sei „eine sinnstiftende, einmalige Gelegenheit, das Buch der Bücher, dieses literarische Jahrtausendwerk, intensiv kennenzulernen und zu interpretieren“. Es sei zunächst einschüchternd gewesen, die Bibel vor sich zu haben. „Ich wage zu behaupten, dass der durchschnittliche Christ von der Bibel nur maximal zehn Prozent kennt.“ Für das Einsprechen habe er sich ein halbes Jahr Zeit genommen, Tag für Tag bereitete er sich auf ein neues Kapitel vor.
Die Aufnahme mit dem Text nach der revidierten Luther-Übersetzung 2017 ist vergangenes Jahr bei der Deutschen Bibelgesellschaft erschienen. Hördauer: 98 Stunden und 19 Minuten. Beck las alle 1.189 Kapitel der Bibel vor, alle 31.171 Verse, 738.765 Wörter, bestehend aus 4,5 Millionen Buchstaben, rechnet die NZZ vor. Das Ergebnis kann man auf CD oder als mp3-Download anhören. Doch für den Schauspieler sei es noch nicht einmal die längste Aufnahme gewesen: ein „Harry Potter“-Buch, von ihm gelesen, bringe es auf 138 CDs mit einer Dauer von 137 Stunden.
Er selbst sei vorher nicht „bibelfest“ gewesen, sagt Beck im Interview. „Natürlich kannte ich vieles aus dem Neuen Testament, aber aus dem Alten waren mir von den fünf Büchern Mose mehr oder weniger nur Genesis und Exodus geläufig. Ich bin völlig areligiös erzogen worden. Trotzdem habe ich die Bibel mit einer großen Neugier gelesen. Ich muss nicht Christ sein, um sie so vorzutragen, dass man sie versteht.“ Der Schauspieler und Sprecher fügt hinzu, er habe eine vorsichtige, neutrale Annäherung versucht, ohne Sendungsbewusstsein, ohne zu drohen und zu ermahnen oder auch sanft Trost zu spenden.
Bibel ohne unterschiedliche Stimmen vorgelesen
Er habe hier nicht mit unterschiedlichen Stimmen agieren wollen, wie er es etwa bei „Harry Potter“ gemacht habe. Daher spreche Gott in dieser Hörbibel auch nicht mit einer besonders „göttlichen“ Stimme. Beck: „Ich sah es als meine Aufgabe an, die Bibel so zu interpretieren, dass man zuallererst die Bilder, die Handlungen, die Gedanken dahinter versteht. Ich habe diese mythischen Geschichten sozusagen mir selbst als naivem Zuhörer vorgelesen.“
Manche Passagen seien ihm besonders nahe gegangen, dazu gehörten das Hohelied Salomons sowie das Hohelied auf die Liebe im ersten Korintherbrief des Apostels Paulus. Andere Stellen, in denen von Gewalt, Krieg und Rache die Rede ist, habe er als erschreckend empfunden, sagt Beck der Zeitung. Vor allem gegenüber den nichtgläubigen Völkern, die mehr als einen Gott anbeteten und nicht den monotheistischen jüdischen Gott, sei da nichts von Toleranz, geschweige denn Gnade zu spüren.
Er habe mit seiner Arbeit den Zuhörern auch ein wenig die Angst vor diesem monumentalen Text nehmen wollen. „Die gesamte Bibel besteht nicht aus großen Sequenzen, sondern aus kleinen Aussageeinheiten. So hat man Zeit, den Sätzen nachzuspüren, ihnen nachzuhören und sie zu verstehen.“
Rufus Beck agierte zunächst als Schauspieler fürs Theater sowie für Film- und Fernsehproduktionen. Beck, der Islamistik, Philosophie und Ethnologie studiert hat, wirkte später als Interpret, Regisseur und Produzent an vielen erfolgreichen Hörbuch-Produktionen mit. Bekannt ist er vor allem als die Stimme von Harry Potter.
Von: Jörn Schumacher