Wir haben uns alle sehr an die Annehmlichkeiten einer technisierten Welt gewöhnt. Was, wenn das mit einem Mal fort ist? Es reicht eigentlich schon ein lang anhaltender Stromausfall. Der Film „Homestead“ (zu Deutsch „Heimstatt“) des amerikanischen Vertriebsunternehmens für christliche Filme „Angel Studios“ spielt die Frage durch: Was tun, wenn die Zivilisation zusammenbricht und jeder auf sich allein gestellt ist? Eine christliche Botschaft geht bei „Homestead“ unter einem übergroßen Haufen von Handfeuerwaffen aber verloren.
Der Kühlschrank fällt aus, der Fernseher, der Computer und das Handy. Auf einmal verliert eine luxuriöse Wohnung (eine Heimstatt) womöglich seine Bedeutung. Vielleicht ist es wichtiger, sich zu bewaffnen und gegen Angreifer zu wehren? Amerika, das Land, das sich größtenteils für einen freien Waffenbesitz entschieden hat, hat die Frage längst beantwortet. Und auch den Film „Homestead“ bestimmen Waffen vom Anfang bis zum Ende. Kleine Messer, kleine Pistolen, große Gewehre, Militärfahrzeuge, schusssichere Westen, Helme und Zielfeuerwaffen in den Händen breitschultriger Ex-Soldaten – hier wird quasi alles aufgefahren, was der Waffennarr kennt und liebt.
Der Film „Homestead“ macht deutlich, wie unterschiedlich die Herangehensweise an eine Apokalypse und ein (Zusammen-)Leben danach aussehen kann. Der reiche Farmer Ian Ross hat auf seinem Anwesen eine Festung errichtet, er und seine Familie sowie enge Freunde können sich hier einige Monate über Wasser halten. Eine private Klein-Armee schützt ihn mit Waffengewalt vor den Plünderern, die vor dem Gittertor auf Einlass oder wenigstens ein paar Spenden warten.
Amerikanisches Waffenverständnis: Wer jemanden erschießt, ist nicht selbst schuld
Der Film wirft einige Fragen auf, einige davon schwerwiegend, andere weniger. Manchmal geht der Film diese Fragen jedoch erschreckend naiv an. Ist ein Tesla wirklich praktisch in einer Apokalypse? Warum hilft eine über den Kopf geworfene Wolldecke davor, vergiftete Luft zu atmen? Ist die Luft in einem parkenden Auto wirklich besser als die außerhalb des Autos? Ist es wirklich ok, das Auto von jemandem zu stehlen, weil das eigene Auto nicht mehr fährt? In „Homestead“ hat der Mann, dem das Auto von der weißen, privilegierten Mutter von drei Kindern entwendet wird, allerdings dunkle Haut und sieht auch sonst sehr ausländisch und unprivilegiert aus, vielleicht ist es da moralisch nachvollziehbarer? Und schließlich die Frage: Hat die Waffen-Lobby diesen Film gesponsert?
Moralisch bewegt sich der Film hin und wieder auf sehr dünnem Eis. „Prepper“ – also Menschen, die sich auf den Weltuntergang vorbereiten – und Besitzer von großen Autos und Waffen, von denen es in den USA überdurchschnittlich viele gibt, dürften hier feuchte Augen bekommen. Aber einmal abgesehen von den vielen Waffen: Der Teenager Abe Eriksson erschießt einen völlig unschuldigen Mann. Einfach, weil man ihm wie selbstverständlich ein Gewehr ausgehändigt hat. Er ist verzweifelt. „Es ist meine Schuld“, stellt er weinend fest. Doch wie um ihn zu trösten, sagt seine Mutter zu ihm: „Nein, es ist nicht deine Schuld.“ Was ist da los? Alles, was mit dem problematischen Waffenbesitz falsch läuft in Amerika, ist hier in einem einzigen Satz konzentriert. In dieses Kammerspiel mit mittelmäßigen Schauspielern werden dann noch eine kleine Teenager-Romanze, ein böses Kevin Spacey-Lookalike und eine Pseudo-Mystery-Geschichte um eine die Zukunft sehende Tochter gequetscht.
Am Ende gibt es keine christliche Botschaft, allerdings bemüht der Film auf den letzten Minuten in aller Hast einen viel zu zaghaften Versuch, die Überbetonung von Waffen abzumildern. In einer Szene betet die Farmer-Tochter kontextlos mit Abe, der sie dabei anschmachtet. Sie sei herzkrank gewesen, sagt sie, habe das Herz eines anderen transplantiert bekommen. Und man ahnt, dass nun ein kleiner Exkurs mit christlicher Analogie folgt. „Manchmal fühle ich mich auch so, als hätte ich ihm sein Leben genommen.“ Das ist natürlich Schwachsinn, doch für sie ist klar: „Er starb, damit ich leben kann.“ Nein. Der Organspender war ohnehin gestorben. Wenn das ein Hinweis auf Jesus sein soll, der tatsächlich sein Leben für andere gab, geht dieser explizit nach hinten los. So wie der ganze Film. „Homestead“ hat leider nicht sehr viel mehr zu bieten als eine endlos erscheinende Weltuntergangsgeschichte ohne Sinn und Ziel.