Jugendliche können sich ein Leben ohne soziale Medien nicht mehr vorstellen. Aber das Ganze hat auch seine Schattenseiten. „Stimmungsmache, Shitstorm und Ausgrenzung“ war das Thema einer Fachtagung des Fachverbandes für Medienpädagogik und Medienbildung in Bielefeld.
Von PRO
Foto: pro/Johannes Weil
Im Rahmen einer Tagung in Bielefeld diskutierten Experten über die dunkle Seite der Partizipation in sozialen Netzwerken
Im Internet findet vermehrt Stimmungsmache und Hetzte statt. Christina Dimar von der Amadeu-Antonio-Stiftung, bemängelte am Donnerstag im Rahmen der Fachtagung des Fachverbandes für Medienpädagogik und Medienbildung in Bielefeld, dass die Jugendlichen hier oft nicht kompetent begleitet würden. Die Jugendlichen suchten sich in Blogs und auf Internetseiten ihr eigenes Weltbild zusammen: „Sie setzen es sich dabei auch plausibel zusammen.“
Ein bleibendes Problem sei das Thema „Hatespeech“ (Hassrede). Dabei gehe es um die Herabsetzung und Verunglimpfung bestimmter Personen oder Personengruppen. Gerade in der Debatte über die Flüchtlinge würden viele Mythen verbreitet. „Häufig sind dies keine klaren Nazis, sondern Menschen, die im Internet ihre Bedürfnisse formulieren und klare Aussagen treffen.“ Im Bereich Rechtsextremismus seien die sozialen Medien „Propagandainstrument Nummer 1“ mit vielen einfachen und schablonenhaften Argumenten.
Mit Logik, Fakten und Humor gegen Hassrede
„Jugendliche schauen nicht Markus Lanz und andere Fernsehformate, sondern informieren sich über YouTube“, machte Dimar deutlich. In diesem Zusammenhang kritisierte sie den „JuliensBlog“, den YouTube-Kanal eines Rappers, der Hasstiraden verbreite. Eine mögliche Alternative sei die sich entwickelnde Strategie des „Counter Speech“. Diese Gegenrede argumentiere mit Logik, Fakten und Humor, erkläre Zusammenhänge und mache sie transparenter.
Die Amadeu-Antonio-Stiftung gehört zu jenen Gruppen, mit denen Facebook Deutschland gehen „Hasskommentare“ vorgehen will. Die politisch linke Organisation kritisiert auch immer wieder christliche Gruppen wie das Aktionsbündnis „Demo für alle“.
Kaum Medienkompetenz und Quellenkritik
Der Bielefelder Sozialpsychologe Andreas Zick verwies auf Fernsehserien wie „Germany‘s next Topmodel“. Dabei werde in Form von Lästereien Hass ins Netz und in Chat-Gruppen bei WhatsApp gespült. Es bildeten sich „Hassgemeinschaften“ und es komme zu einer kollektiven Identität. „Es ist geil, Teil einer Gruppe zu sein und gegen etwas anzutreten“, formulierte Zick bewusst salopp. „Die kollektive Identität, die sich über den Hass bildet, führt in eine Spirale.“ Der Lehrplan müsse Räume anbieten, in denen nicht nur Medienkompetenz, sondern auch Kommunikations- und psychologische Kompetenz gelehrt würden.
Matthias Felling von der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz sowie Sabine Eder, Vorsitzende der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur, hatten Fundstücke aus dem Internet aufbereitet, wie man mit Hassbotschaften umgehen kann. Ein Beispiel sei das Konzept „HatePoetry“, bei dem beleidigende oder rassistische Leserbriefe an Journalisten unterhaltsam vorgelesen werden.
Insgesamt wurde auf der Tagung klar, dass Nutzer über den Bildschirm deutlich enthemmter kommunizieren als im wahren Leben. „Wenn Menschen nur Facebook-Freunde aus dem Pegida-Umfeld haben, werden sie in ihrem Weltbild bestätigt,“ erklärte Felling. Jugendlichen fehle hier oft die Medienkompetenz und die Quellenkritik. (pro)
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