Die postmoderne Generation mag’s traditionell

Wer sind eigentlich die Deutschen von morgen? Das fragt das Magazin "Der Spiegel" in seiner aktuellen Titelgeschichte "Wir Krisenkinder" und hat darauf eine Antwort, die nicht jedem jungen Deutschen gefallen dürfte: Die heute 20- bis 35-Jährigen gleichen der Nachkriegsgeneration von 1930 fast zum Verwechseln – auch was ihre traditionellen Werte bezüglich Familie und Ehe angeht.
Von PRO

Unpolitisch, fleißig, familienorientiert – so könnte man zusammenfassen, wie der „Spiegel“ die Generation der Zukunft, die heute 20 bis 35-Jährigen, charakterisiert. Sie sind „die Krisenprofis“ oder die „Generation Prekär“, weil die Krise für sie zum ganz normalen Leben dazugehört. Sie sind die Ehrgeizigen, weil der Arbeitsmarkt sie sonst abstößt. Sie sind die „Generation der Rastlosen“, die nur in der Familie noch Halt findet. Und sie sind im Internet zu Hause, weil es ihre einzige „Chance zur Freiheit“ ist. Um zu diesen Ergebnissen zu kommen, hat der „Spiegel“ junge Menschen nach ihren Wünschen, Zielen und ihren Lebensumständen befragt und ist auf eine Generation gestoßen, die das Ungestüme der 68er ablehnt und sich wieder auf traditionelle Werte besinnt.

„Ich sehne mich nach Werten“

Da ist zum Beispiel die 27-jährige Schauspielschülerin Karline Weiss. Dem „Spiegel“ verrät sie: „Ich sehne mich nach Werten, die meine Mutter und Rainer schrecklich finden, Treue, Sicherheit, Familie. Als Kind habe ich mir selbst den Wecker gestellt und bin zur Schule losspaziert. Ohne Frühstück. Meine Mutter lag da noch im Bett. Ich will für meinen Mann kochen, wenn er nach Hause kommt und für meine Kinder da sein. […] Mir ist egal, was andere darüber denken.“ Wie sie empfinden viele junge Menschen: Laut „Spiegel“ finden 81 Prozent Treue gut. 70 Prozent wollen irgendwann heiraten. Über 50 Prozent glauben, die aktuelle Beziehung halte „für immer“.

Ein Grund dafür könnte die Rastlosigkeit dieser „Generation Praktikum“ sein. Krise, so schreibt der „Spiegel“ ist für sie das Normale, keine Krise sei nur die Zeit, die die nächste Krise vorbereite. Damit verbunden sei ein immenser Druck auf dem Arbeitsmarkt. „Arbeit ist Sinngebung, gerade für die Gutausgebildeten dieser Generation“, heißt es in dem Artikel. Zitiert wird unter anderem der Soziologe Ulrich Beck: „Sie sind Selbstunternehmer, Selbstausbeuter, die sich auch noch selbst anklagen, wenn etwas schiefläuft. Große Firmen nutzen das aus.“

Nur den Kopf über Wasser halten

Von seiner Angst vor der Arbeitslosigkeit berichtet auch der 29-jährige Marc Kemper. Weil er während des Studiums zu viel Zeit vertrödelte, fürchtete er, danach keine Arbeit zu finden. „Es kam die Angst. Der Vater wollte nicht mehr zahlen. Rote Zahlen schrieb ich schon lange. Wie alle anderen würde ich arbeiten müssen, fünf Tage die Woche. Das gruselte mich. […] Die Angst vor der Unentschlossenheit wurde immer mehr zur Angst vor der Realität.“ Marc Kemper hat seine Angst letztendlich besiegt, arbeitet heute als Grundschullehrer. „Gerettet habe ich mich nicht. Ich hatte Glück. Und die Liebe der rechten Frau zur rechten Zeit“, sagt er. „Der einzige unbefristete Vertrag, den diese Generation noch ohne Probleme bekommt, ist der Trauschein“, kommentiert der „Spiegel“.

Weil für die „skeptische Generation“, wie der Soziologe Helmut Schelsky die jungen Deutschen nennt, vor allem zählt, den Kopf auf dem Arbeitsmarkt über Wasser zu halten, sind sie laut „Spiegel“ unpolitisch. Nicht etwa, weil sie politisch uninteressiert wären, sondern schlichtweg, weil Politik mit ihrem Leben nichts zu tun habe. 39 Prozent geben laut Artikel an, politisch „stark“ oder „sehr stark“ interessiert zu sein. Nur 16 Prozent sind hingegen Mitglieder einer politisch arbeitenden Organisation. Die Protestbewegungen früherer Generationen gegen die Regierung und den Staat, gibt es nicht mehr. „Sicher ist, dass diese Generation wenig Lust verspürt, das System zu bekämpfen, sie hat große Lust, im System zu funktionieren“, schreibt der „Spiegel“.

Internet: Das Herz der Gesellschaft

Und so sind die „Krisenprofis“, wie sie im Artikel dargestellt sind, letztendlich eine postmoderne Generation. Es gibt keine großen Ideologien mehr. „Diese Generation kennt kein ‚Wir‘, sie kennt nur das ‚Ich'“, heißt es dort. Und doch führen die Autoren am Ende ihres Artikels eine Gemeinsamkeit an: Junge Menschen verwirklichen sich zunehmend durch das Internet. Es sei das „Herz der Gesellschaft“, eine „Chance zur Freiheit“. „Wer im Netz dauernd von 200 Freunden umgeben ist, der fühlt sich niemals allein“, schreibt der „Spiegel“ und: „Ohne Internet, ohne Handy wäre ihr Leben nicht denkbar, könnten sie gar nicht zusammenhalten. Die private E-Mail-Adresse ist das Einzige, was konstant bleibt, während sich Wohnorte dauernd ändern.“

Und dies ist auch der einzige große Unterschied, den die Autoren zur Nachkriegsgeneration von 1930 feststellen. Die postmoderne Jugend gleicht ihren Urgroßeltern zum Verwechseln. Und wie sie sind sie optimistisch, obwohl die Situation für sie bedrückend wirken muss. „Spiegel“ schreibt: „60 Prozent sehen die Zukunft der Gesellschaft ‚düster‘. Ihre eigene Zukunft sehen dagegen 73 Prozent ‚eher positiv‘.“ (PRO)

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