Kommentar

„Die Passion“: Pop, Promis, Predigt

Der Fernsehsender RTL hat am Mittwochabend die Leidensgeschichte von Jesus in einem Live-Event in Kassel inszeniert. Dort waren tiefgläubige Menschen unterwegs, die manchen theologischen Vollprofis in den Kirchen einiges voraus haben.
Von Nicolai Franz
Die Passion in Kassel

„Kassel ist unser Jerusalem“, ruft Hannes Jaenicke in die Menge, und zumindest für diesen Abend ist das so. Die Stadt dient als Kulisse für die Neuauflage von „Die Passion“. Das RTL-Spektakel interpretiert die Leidensgeschichte Jesu neu, mit modernen Motiven und bekannten Pop-Songs.

Ben Blümel als Jesus, der auf dem Weg nach „Jerusalem“ am Bahnhof noch eben die blinde Jenny Elvers heilt, nimmt vor allem Petrus (Timur Ülker, „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“) und Judas (Jimi Blue Ochsenknecht) in den Blick: Der eine verrät ihn, der andere verleugnet ihn, trotzdem will Jesus auf ihm „seine Gemeinde bauen“.

Überragend dabei: Nadja Benaissa, ehemals Mitglied der „No Angels“, in der Rolle von Maria, der Mutter Jesu. Als diese so wichtige Gestalt der Kirchengeschichte plötzlich ein Helene-Fischer-Lied („Phänomen“) anstimmte, dürften die Feuilletonisten der Leitmedien dieses Landes wohl bestenfalls in Fremdscham versunken sein. Sollen sie doch.

Passionsgeschichte sei kein Märchen

Aber: Für diese Menschen ist „Die Passion“ nicht gemacht, sondern für die breite Masse. Und die scheint damit wirklich angesprochen worden zu sein, als sie diese Zeilen aus dem Munde von Maria hörten:

„Du hast ein Herz aus Gold

Das für andere brennt

Du, bist ein Phänomen

Du, kannst die Erde drehen“

Immerhin 2,23 Millionen Zuschauer haben eingeschaltet. 2022 waren es fast drei Millionen, dennoch ein ordentlicher Wert. Amtsträger der Großkirchen quittierten „Die Passion“ wie vor zwei Jahren öffentlich vor allem mit Schweigen, auch wenn lokale Kirchengemeinden das Event begleiteten. In einer Werbepause luden zwei Kirchenmitarbeiter sogar in eine nahe gelegene Kirche ein, boten Segen und Gebet an. 

Doch schon beim Einstieg war klar, dass „Die Passion“ weit mehr ist als ein irgendwie christliches Musikprojekt mit Promis aus Pop, TV und Trash-Entertainment. Die Passionsgeschichte, das sei kein Märchen, sondern genauso – oder so ähnlich – geschehen, sagte Hannes Jaenicke. Und: Es geht um uns. „Diese Geschichte ist unser aller Geschichte.“

„Die Passion“ in Luthers Tradition

Auf dem Friedrichsplatz in Kassel harrten die 8.000 Zuschauer im kalten Dauerregen tapfer aus. Die Videoleinwand zeigte die Lebensberichte der Menschen, die das riesige weiße Lichtkreuz trugen. Zuvor konnten sich Interessierte mit ihrer Geschichte bewerben, es waren hier also keine Schauspieler, sondern echte Menschen, die etwas mit Gott erlebt haben. 

Kevin etwa erzählte von seiner Bekehrung, von einem „Übergabegebet“ im Jahr 2013, und wie er sich heute für Obdachlose in Kassel einsetzt und für einen Kältebus kämpft. Auch die anderen Zeugnisse vom Lichtkreuz machten klar: Hier sind tiefgläubige Menschen unterwegs, die konkret sagen können, was der Glaube ihnen bedeutet. Und damit haben sie – diese Spitze sei erlaubt – manchen theologischen Vollprofis in den Kirchen einiges voraus.

„Die Passion“ hat geschafft, was seit Luther als „dem Volk aufs Maul schauen“ bezeichnet wird. Die Sprache der Menschen sprechen, die klare Botschaft vom Kreuz auf zeitgemäße Weise so zu kommunizieren, dass sie Köpfe und Herzen erreicht. Dass RTL diesem Event erneut einen Sendeplatz zur Primetime eingeräumt hat, dafür können Christen nur dankbar sein. 

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