„Die Öffentlichkeit kann sogar Hinrichtungen verhindern“

Am Mittwoch ist der Weltverfolgungsindex von "Open Doors" erschienen und noch nie hat er ein solches Presseecho ausgelöst, wie in diesem Jahr. Deutschlandfunk und Heute-Journal haben darüber berichtet, die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hat das Thema aufgegriffen, RTL will es noch thematisieren. pro hat den Leiter von "Open Doors Deutschland", Markus Rode, gefragt, wie seine Organisation mit dem Presserummel umgeht und was die breite Berichterstattung für verfolgte Christen bedeutet.

Von PRO

pro: Für sie war diese Woche wohl recht stressig, Herr Rode…

Markus Rode: Ich liebe Stress, wenn er verfolgten Christen hilft. Wir haben in diesem Jahr eine so große Presseresonanz gehabt, wie nie zuvor. Wir haben einen solch gewaltigen Ansturm auf unsere Webseite erlebt, dass sowohl bei uns, als auch bei "Open Doors" in den Niederlanden, der Server vorübergehend zusammengebrochen ist. Bekannte, überregionale Medien, TV- und Radiosender haben sich nicht nur auf unsere Seite geklickt, sondern auch gezielt in unserem Büro nachgefragt, wie die Situation der Christen etwa im Irak oder in Nordkorea ist und wie ihnen geholfen werden kann. In diesem Jahr wurde nicht nur über die Veröffentlichung des neuen Index berichtet, sondern die Nachfrage und Recherche von Journalisten zum Thema Christenverfolgung ging tiefer als in den Jahren zuvor. Das ZDF Heute-Journal hat in einem 9-minütigen Beitrag über die weltweite Christenverfolgung berichtet und dabei auf den "Open Doors"-Weltverfolgungsindex verwiesen und sogar einen O-Ton von mir eingebracht. Das ist großartig! Und ebenfalls sehr erfreulich ist: Größen aus Politik, Medien und Kirche haben reagiert und unter Bezug auf den Index zum Schutz von verfolgten Christen aufgerufen.

War Christenverfolgung in den vergangenen Jahren ein Randthema?

Wir haben in den vergangenen Jahren kontinuierlich und offensiv Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Als ich vor acht Jahren in diesen Dienst berufen wurde und erfahren habe, wie dramatisch die Situation verfolgter Christen ist, war mein erster Gedanke: Das muss in Deutschland ganz oben stehen. Wir müssen das Thema ganz dringend bekannt machen und zwar so, dass jede Kirchengemeinde und jeder Christ nicht nur davon weiß, sondern sich auch dafür verantwortlich fühlt. Bevor ich bei "Open Doors" angefangen habe, war mir selbst das Thema kaum bekannt. Deshalb wollte ich, dass Christenverfolgung zum Gesprächsthema wird. In den vergangenen vier Jahren wurden Interviews und Berichte häufiger. Das wiederum haben andere aufgegriffen und das Thema hat sich multipliziert. Mittlerweile hat diese Multiplikation eine solche Dynamik entwickelt, dass ich nun darauf hoffe, dass Deutschland sich immer mehr mit der Frage auseinandersetzt: Wie können wir verfolgten Christen helfen?

Wie hilft dieses starke Medienecho verfolgten Christen?

Wenn bekannt wird, wo Christen verfolgt werden, hat das einen Einfluss auf die internationale Politik. Denken Sie an die Medienresonanz zum Fall Asia Bibi, die hat auch Auswirkungen auf das Verhalten der pakistanischen Regierung. Durch politischen Druck können sogar Hinrichtungen verhindert werden, auch wenn das im Fall von Asia noch nicht sicher ist. Aber viele Fälle verfolgter Christen werden gar nicht erst bekannt. So sehen wir uns als verlängerter Arm dieser unbekannten Leidenden. Wir versuchen, ihre Fälle öffentlich zu machen. Doch auch hier gilt: Ohne finanzielle Unterstützung können wir unsere dringenden Hilfsprojekte für verfolgte Christen nicht umsetzen. Und ohne Gebet werden die Christen vor Ort nicht gestärkt. PR, Finanzen und Gebet – das alles gehört zur konkreten Hilfe für verfolgte Christen.

An der populären Berichterstattung über Christenverfolgung haben mehrere Medien bereits Kritik geübt. Die Tageszeitung (taz) bezeichnete sie als eine Art Propaganda für evangelikale Christen, die sich selbst als Opfer darstellten…

Solche Kritiker wissen nicht ausreichend, worüber sie reden. Ich empfehle ihnen, einmal selbst in die Länder zu reisen, in denen Christen verfolgt werden und mit den Opfern zu sprechen. Etwa mit einer Witwe in Nigeria, deren Mann – ein Pastor – gezielt von islamischen Extremisten gejagt und schließlich grausam umgebracht wurde. Er wurde vor ihren Augen mit einer Machete in Stücke geschlagen, und das ist kein Einzelfall. Wenn die Kritiker zu den 50.000 Christen in Indien gereist sind, die aus Orissa vertrieben wurden, wenn sie sich mal angeschaut haben, wie Christen in Pakistan von der Fluthilfe ausgeschlossen wurden – ich bin sicher, dann kommen sie völlig verändert zurück. Diese Verfolgung hat nichts mit evangelikalen Gruppen zu tun, sondern damit, dass Christen in islamischen Ländern, in denen die Scharia umgesetzt werden soll, immer Diskriminierte sind und aus dieser Diskriminierung blitzschnell harte Verfolgung werden kann. Wenn Kritiker das alles selbst gesehen haben, bin ich bereit mit ihnen über ihre Vorwürfe zu sprechen, aber ich glaube, diese werden sich dann in Wohlgefallen aufgelöst haben.

Das Presseecho auf den Weltverfolgungsindex dürfte auch deshalb so groß gewesen sein, weil das Schicksal der Kopten in Ägypten derzeit die Welt bewegt. Der ägyptische Botschafter in Deutschland, Ramzy Ezzeldin Ramzy, hat aktuell gegenüber "Spiegel Online" gesagt, es gebe in Ägypten keine Benachteiligung der Christen durch den Staat…

Natürlich gibt es Christenverfolgung in Ägypten. In Artikel zwei der ägyptischen Verfassung heißt es, dass Ägypten ein islamischer Staat und seine Hauptrechtsquelle die Scharia ist. Das führt unweigerlich zu Diskriminierung und Verfolgung. Damit ist jeder Moslem, der zum Christentum übertreten will, automatisch mit dem Tode bedroht. Wir wissen von genügend Fällen, in denen ehemalige Moslems in Ägypten von der Geheimpolizei festgenommen worden sind, weil sie ihren Glauben bezeugt haben. Es gibt definitiv Christenverfolgung in Ägypten und wir kennen auch die Opfer der Verfolgung.

Erwarten Sie Anschläge am diesjährigen Weihnachtsfest der Kopten in der Nacht von Donnerstag auf Freitag?

Die Bedrohung ist da. Im Irak, in Ägypten, aber auch in westlichen Kirchen. Verfolgung von Christen durch islamische Extremisten ist kein regional zu begrenzendes Problem. Ich glaube, dass sie planen, an jedem Ort der Welt Anschläge zu verüben. Deshalb ist es umso wichtiger, dass viele Christen zu den Gottesdiensten der Kopten gehen, auch in Deutschland. Das zeigt die Solidarität mit den Christen in Ägypten. Es sagt aus: Ihr seid nicht allein, wir Christen stehen hinter euch.

Die Fragen stellte Anna Wirth

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