Angebliche Augenzeugenberichte schüren Hass
Fremdenfeinde und Rechte wittern nun ihre große Chance. Wie die Rheinische Post berichtet, sind längst Fälschungen von Augenzeugenberichten und sogar angeblich amtlichen Dokumenten im Netz im Umlauf. Das Foto einer angeblichen „Verschwiegenheitserklärung“ wird tausendfach geteilt: Das als Fälschung identifizierte Dokument soll eine unterzeichnete Erklärung zwischen einem Zeugen und der Regierung in Nordrhein-Westfalen zeigen, das Stillschweigen zu den brutalen Vorgängen in der Silvesternacht fordert. „Köln ist erst der Anfang!“ warnen manche in Internetforen. Beim nächsten Karnevalstrubel werde es noch schlimmer. Ein Video macht die Runde, das angeblich eine junge Frau vor dem Kölner Hauptbahnhof am 1. Januar zeigt, die „von einem Mob aus Asylschmarotzern“ bedrängt wird. In Wirklichkeit handelt es sich um Aufnahmen vom Tahrir-Platz in Kairo – vom 30. Juni 2013. In kommerziellen Fotodatenbanken wie „Getty Images“ suchen manche Internetnutzer Fotos heraus, die arabisch aussehende Männer zeigen, die junge Frauen bedrängen. Obwohl diese Fotos alt und aus ganz anderen Situationen stammen, behaupten die Nutzer, die solche Fotos in sozialen Netzwerken posten, dass sie aus der Silvesternacht von Köln stammen. Mittlerweile ist die Silvesternacht auch weltweit übers Internet zum Thema geworden. Auf dem bekannten Webportal „Reddit“, das sich selbst als „Titelseite des Internet“ bezeichnet, machte das Video eines deutschen Mannes die Runde, der in der Silvesternacht in Köln war. Bisher habe er nichts gegen Ausländer gehabt, sagt er, doch nun sei seine Geduld am Ende. Was er in der Nacht gesehen habe, bedeute für ihn eindeutig, dass die Flüchtlinge eine Gefahr darstellten. Für den Mann, der kaum zu erkennen ist, weil er im Dunkeln sitzt, scheint es klar zu sein, dass es sich bei den randalierenden jungen Männern um die gleichen Menschen handelt, die „wir vor drei Monaten noch mit Teddybären und Wasserflaschen in München am Hauptbahnhof empfangen haben“. Die hätten nun „auf den Dom geschossen“. Sein Video ist nicht nur ein Augenzeugenbericht, sondern zugleich ein Appell: „Es wird eskalieren!“, sagt er. „Ich habe immer gedacht, diese Videos etc. sind alles rechte Publikationen von PEGIDA. Nein, Leute, das war wirklich echt.“ Niemand kann sagen, ob es tatsächlich die gleichen Menschen sind, die zuvor Teddybären geschenkt bekamen und nun um sich schießen, aber es kann niemanden verwundern, dass Rechte und PEGIDA-Anhänger nun mit allen Mitteln versuchen, die Vorkommnisse von Köln und Hamburg medial für ihre Ziele zu instrumentalisieren. Dass die Anzeigen und die Berichte der Polizei von der Silvesternacht nur schrittweise an die Öffentlichkeit geraten, und dass die Medien offenbar eine Aufgabe darin sehen, zu filtern, was der Bürger erfahren sollte und was nicht, erschwert es für alle, den Überblick zu behalten. Vielleicht wird die schwierige Situation, in der arabischstämmige Menschen in Deutschland derzeit stecken, durch ein Foto verdeutlicht, das die Tageszeitung Die Welt heute abdruckte. Zu sehen ist ein arabisch aussehender Mann mit einem Schild vor dem Kölner Dom. Darauf steht in ruckeligem Deutsch und in krakeliger Handschrift: „Tut mir leid was passier ist um Köln Frauen in der Stadt von New Year“. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/kommentar/detailansicht/aktuell/wider-den-rassismusvorwurf-94583/