Die „linken Reformatoren“ feiern Geburtstag

Sie lehnten die Kindertaufe ab und die Reformation war ihnen nicht radikal genug. Im Januar 1525 nahm die Täufer-Bewegung ihren Anfang. Geprägt war sie von einer enormen Verfolgung. Trotzdem hat die wachsende Glaubensbewegung heute Millionen Anhänger.
Von Johannes Blöcher-Weil
Im Täuferreich zu Münster glaubten die Menschen, dass die Welt bald untergehe

Die Täufer-Bewegung wurde in der Geschichtsschreibung gerne als „linker Flügel der Reformation“ bezeichnet. Deren Anhänger lehnten nicht nur die Kindertaufe ab, sondern wünschten sich auch die „sofortige Herstellung einer staatsfreien evangelischen Kirche“ nach dem Vorbild des Neuen Testaments. Das provozierte natürlich die staatliche Obrigkeit.

Die Täufer legten die Bibel wortgetreu aus und lehnten Gewalt ab. Theologisch machten sie keine Kompromisse bei der Tauffrage. Sie setzten ein aktives und persönliches Glaubensbekenntnis voraus. Außerdem waren sie für eine klare Trennung von Staat und Kirche. Die Gläubigen selbst sollten eine Gütergemeinschaft haben.

Seinen Ursprung nahm die Bewegung in der Schweiz, wo sie zunächst an der Seite des Reformators Huldrych Zwingli stritt. In vielen Punkten waren sie allerdings vom Fortgang der Reformation enttäuscht, weil ihnen Zwingli nicht weit genug ging. Die Täufer forderten unter anderem die sofortige Abschaffung der Messe und die Entfernung der Bilder.

Öffentlicher Disput in Zürich

Zwingli wollte die Streitfragen vom Rat der Stadt Zürich klären lassen. Dieser erließ im August 1524 einen Befehl, alle Kinder taufen zu lassen. Der Widerstand der Täufer wurde zum zentralen Streitpunkt des Disputs. Alle Vermittlungsversuche scheiterten. Am 17. Januar 1525 sollte ein öffentlicher Disput im Rathaus die Frage endgültig klären.

Der Reformator Huldrych Zwingli steht als Sinnbild für die Reformation in der Schweiz, aus denen die reformierten Kirchen hervorgingen
Der Reformator Huldrych Zwingli steht als Sinnbild für die Reformation in der Schweiz, aus denen die reformierten Kirchen hervorgingen. (Foto: Hans Asper/Winterthur Kunstmuseum)

Die Täufer gingen als Verlierer aus dem Streit hervor. Der Züricher Rat forderte die Verweigerer auf, ihre neugeborenen Kinder unverzüglich taufen zu lassen. Wer dies nicht binnen acht Tagen erfülle, werde des Landes verwiesen. Die Anführer der Bewegung, Konrad Grebel und Felix Manz, blieben bei ihrer Meinung und ließen sich taufen. Als das bekannt wurde, mussten sie fliehen.

Weil die Bewegung an den neuen Orten Anhänger fand und weil sie verfolgt wurden, sahen sich die Täufer in ihrem Weg bestätigt. Die Bewegung dehnte sich auch auf andere Landstriche aus. In einigen Fällen wie bei Thomas Müntzer und den Bauernkriegen wurde sie radikaler, in der Region rund um Straßburg war sie spiritualistisch-endzeitlich geprägt.

Grundsatzprogramm „Schleitheimer Artikel“

Ihr wichtigstes Schriftstück gaben sich die Täufer bei einem Treffen am 24. Februar 1527. Die Schleitheimer Artikel waren die erste ausformulierte Programmatik der Bewegung. Dazu gehörten sieben Punkte, darunter waren die Ablehnung der Säuglingstaufe, die Haltung zum Abendmahl, die Absonderung von der „Welt“ und die Verweigerung des Eides.

Innerhalb der ersten fünf Jahre breitete sich die Bewegung in Europa rasch aus. Viele Herrscher, darunter König Ferdinand, wollten auf ihrem Territorium dem „angezündeten Feuer mit aller Entschiedenheit“ begegnen. Auch der Reichstag in Speyer 1529 beschäftigte sich mit der Bewegung und beschloss drastische Gegenmaßnahmen.

Der Reichstag schuf die gesetzliche Grundlage für eine großangelegte Verfolgung der Täufer. Diese wurde sehr unterschiedlich angewendet. An vielen Orten begannen Verfolgungen, die in Todesstrafen mündeten. Viele evangelische Theologen lehnten es aber auch ab, dieses Mandat anzuwenden.

Vereinzelt gab es Verknüpfungen zwischen der Täufer-Bewegung und den Bauernaufständen. Die meisten Täufer distanzierten sich aber davon, das Schwert zu ergreifen. Die grundsätzliche Haltung zur Obrigkeit war einer der Gründe der Verfolgung. Obwohl viele Täufer meistens zurückgezogen lebten, waren sie verdächtig, das politische System umstürzen zu wollen.

Deutlich höhere Dunkelziffer an Todesopfern

Historisch nachgewiesen sind im 16. und 17. Jahrhundert 1.000 Todesopfer. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. Viele Täufer wurden beraubt, versklavt oder des Landes verweisen. Während in Kursachsen ein Gutachten für die Todesstrafe ausgestellt wurde und in den Niederlanden viele Täufer auf dem Scheiterhaufen landeten, wurde die Todesstrafe in Hessen nicht angewendet.

In vielen Weltanschauungen stimmten die unterschiedlichen Strömungen der Täufer überein. Im Bereich der Lehre und Ethik gab es unterschiedliche Entwicklungen. Verschiedene Vermittlungen scheiterten. Aus der Schweiz heraus entwickelten sich Gemeinden in Deutschland. Aber viele Täufer wanderten auch in die USA oder nach Kanada aus. In Mähren entstand die Keimzelle der Hutterer.

Gesondert zu betrachten sind die Täufer in Münster. Ihre theologischen Vorreiter bereiteten die Anhänger auf ein bald eintretendes Weltende vor. Im Zuge dessen galt es, alle Gläubigen in der Stadt Münster zu sammeln. Die Gegner der Täufer belagerten ihre Gegner und vernichteten sie. Auch der Dreißigjährige Krieg war für viele Täufer eine erneute Zeit der Verfolgung.

Die Mennonitische Weltkonferenz bezifferte die Anhänger 2009 auf 1,6 Millionen. Vier Prozent davon leben in Europa, wobei es die größten Gemeinden in Deutschland, der Schweiz, Frankreich und den Niederlanden gibt. In Nord-, Mittel- und Südamerika gibt es etwa 300.000 Russlandmennoniten, die teilweise sehr traditionell leben.

Im Juli 2010 formulierte die Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes ein Schuldbekenntnis gegenüber den Täufern. Das Gremium bat die mennonitischen Christen um Vergebung für die brutale Verfolgung im 16. und 17. Jahrhundert.

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen